Photius

[537] Photius, der ebenso gelehrte als heuchlerische u. selbstsüchtige Patriarch von Konstantinopel, war verschwägert mit Bardas, dem Oheim u. allmächtigen Günstling Michaels III. (842–867) u. vor seiner Erhebung bereits Hauptmann der kaiserl. Leibwache und Staatssecretär. Weil Bardas den Kaiser an seinen Leidenschaften gängelte, der Patriarch Ignatius mit ehrenwerthem Muthe offen dagegen auftrat, mußte Ignatius 857 in die Verbannung, P. ließ sich innerhalb 6 Tagen alle Weihen bis zur bischöflichen geben, setzte sich auf den Patriarchenstuhl u. gebrauchte alle Mittel der Lüge u. Gewalt, um als Patriarch allgemein anerkannt zu werden. Papst Nicolaus I. (858–867) aber ließ sich nicht täuschen und nach reiflicher Untersuchung wurde 863 die Absetzung, 864 u. 865 die Excommunication wider P. ausgesprochen. P. hatte den byzantin. Hof für sich, suchte dem Papste Gleiches mit Gleichem zu vergelten und warf der lat. Kirche überhaupt eine Menge Mißbräuche und Ketzereien vor. Nachdem Basilius I. (867–886) den Bardas u. Michael aus dem Wege geräumt, mußte P. zwar dem zurückgerufenen Ignatius weichen u. das 8. Concil von Konstantinopel (869–870) enthüllte die ganze Schändlichkeit des Afterpatriarchen, allein dieser gewann auch den Basilius für sich, wurde nach Ignatius Tod 878 abermals Patriarch und setzte das alte Spiel von neuem fort, obwohl mit weniger Erfolg als früher; kaum hatte Leo VI. (886–912) den Kaiserthron bestiegen, so wurde P. in das armenische Kloster Bordi gesteckt, wo er um 890 st. Er hat Vieles für den spätern Bruch zwischen der griech. u. lat. Kirche gethan; hinterließ als Schriftsteller eine »Bibliothek«, durch deren Auszüge und Anzeigen er mehr als 270 meist untergegangene Schriftsteller im Andenken erhielt, einen Nomokanon, der die alten kirchlichen Rechtsbücher verdrängte, ein für die griech. Sprache wichtiges Lexikon, 253 Briefe u. andere, zum Theil noch ungedruckte Schriften.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1856, Band 4, S. 537.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: