Rio [2]

[732] Rio, A. F., ein ebenso gelehrter als geistreicher französ. Schriftsteller, geb. 1797 auf der Insel Arz bei Vannes (Depart. Morbihan) in der Bretagne, studierte im Collège zu Vannes, als 1815 Napoleon I. von Elba zurückkehrte und wurde von seinen Mitschülern zum Anführer gewählt, als diese sich in Masse am Aufstande gegen den Unterdrücker der Kirche u. des legitimen Königthums betheiligten. Nach den 100 Tagen mit dem Orden der Ehrenlegion geschmückt, schlug R. eine angebotene Offiziersstelle aus, setzte seine Studien fort u. wurde Professor der Geschichte am Collège Louis le grand. Villèle wollte ihn zum Censor machen, R. schlug solches Amt aus, ließ sich dagegen vom Minister Peyronnais 1828 bestimmen, im Ministerium des Auswärtigen zu arbeiten. Nach den Julitagen 1830 gab er alle seine Stellen auf, theils weil er dem Juliregiment nicht dienen mochte, theils aus Gesundheitsrücksichten, und reiste in Italien. Zu Rom machte R. die Bekanntschaft Overbecks (s. d.) u. der deutsch-romantischen Malerschule; schon in seinem frühesten Werke, einer »Geschichte des menschlichen Geistes«, hatte er als Professor ein Durchdrungensein von der christkathol. Weltanschauung bewährt, wie dasselbe damals am seltensten an der Pariseruniversität zu finden war; die Geschichte der christlichen Kunst, der Riesenplan, eine umfassende Geschichte aller Zweige der Poesie und Kunst zu bearbeiten, beschäftigte ihn längst u. so ist es leicht begreiflich, daß er seine Landsleute mit Feuereifer u. Erfolg auf die deutschromantische Malerschule aufmerksam machte. 1836 erschien der 1. Band des Werkes: »De la poésie chrétienne dans son principe, dans sa matière et dans ses formes« in 2 Abtheilungen;[732] es erregte großes Aufsehen, allein erst in jüngster Zeit erschien der 2. Band unter dem Titel: »De lʼart chrétien« (Paris 1855), enthaltend die Fortsetzung der Geschichte der ital. Malerschulen (lombardische, Leonardo da Vinci, die spätere mailändische, die von Bergamo, Lodi, Cremona u. Ferrara). Den Aufstand von 1815, dessen Held R. gewesen, beschrieb er in: »La petite chouanerie ou histoire dʼun collége breton sous lʼempire« (Paris 1842)

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1856, Band 4, S. 732-733.
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