Formalismus

[205] Formalismus heißt im Leben ein sich genau, oft peinlich nach bestimmten konventionellen Regeln richtendes Verhalten, welches korrekt, aber für sich allein herz- und gemütlos ist. – In der Wissenschaft ist Formalismus diejenige Richtung, die in der Form das Wesen der Dinge sieht. Oft sucht sie, um das Lebendige zu erkennen und zu beschreiben, erst den Geist herauszutreiben und hält dann die Teile ohne das geistige Band in den Händen (Goethe). – Der logische Formalismus feiert seinen Triumph in der Syllogistik. – Der ethische Formalismus läßt den Wert des Handelns nur von der Art, wie sich der Wille bestimmt, ob autonom oder heteronom, nicht von dem Inhalt und den Folgen des Geschehens abhängen und wird leicht zum sittlichen Rigorismus. – Der ästhetische Formalismus sucht das Schöne nur in der Form des Objekts und nicht zugleich, wie es nötig ist, in Stoff, Inhalt, Aufgabe, Idee. Er schafft meist nur unfruchtbare Kunstkritik. – Der Formalismus ist die Einseitigkeit, der aller Rationalismus immer wieder verfallen muß, und damit im Grunde der Tod des wahren philosophischen Geistes.

Quelle:
Kirchner, Friedrich / Michaëlis, Carl: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 51907, S. 205.
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