Ruhm

[516] Ruhm ist der höchste Grad der Ehre, die Anerkennung unseres Wertes durch viele Menschen und durch lange Zeiten. Er ist die räumliche und zeitliche Ausbreitung unseres Namens. Ruhm erwächst aus großen Taten oder Werken, die dem Charakter oder dem Genie entspringen. Mit der äußeren Ehre gemein hat der Ruhm die Relativität; denn er beruht auf der Vorstellung, welche andere von uns haben; er hängt von dem Abstand zwischen jenen und uns ab. In dem Moment, wo die übrigen werden wie der Gerühmte, fällt sein Ruhm dahin. Wer im Mittelalter Griechisch kannte, ward als Gelehrter gerühmt; heute ist dies kein Ruhm mehr. Daher hat der Ruhm auch nur relativen Wert. Also ist nicht er selbst das an sich Wertvolle, sondern vielmehr das, wodurch man ihn erwirbt. Er ist nur das Echo, der Schatten des Verdienstes. Auch steht der Ruhm wie die äußere Ehre nicht immer in Einklang mit dem wahren Werte des Menschen. Mancher, der bei Lebzeiten berühmt war, ist bald nach seinem Tode vergessen! Daher sagt Seume: »Den Ruhm soll der Weise verachten, aber nicht die Ehre! Nur selten ist Ehre, wo Ruhm ist, und fast noch seltener Ruhm, wo Ehre ist.« Und doch ist auch das Schillersche Wort wahr: »Von des Lebens Gütern allen ist der Ruhm das höchste doch« und ebenso das Klopstocksche: »Reizvoll klinget des Ruhms lockender Silberton in das schlagende Herz, und die Unsterblichkeit ist ein großer Gedanke, ist des Schweißes der Edlen wert!« Aber nicht der vergängliche Beifall der urteilslosen Menge, sondern nur die Anerkennung[516] des Edlen und Tüchtigen bringt echten Ruhm, der von der Nachwelt anerkannt und fortgepflanzt wird.

Quelle:
Kirchner, Friedrich / Michaëlis, Carl: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 51907, S. 516-517.
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