Witz

[695] Witz, eigtl. Verstand,- heißt die Fähigkeit, Ähnlichkeiten zwischen scheinbar fremden Dingen leicht aufzufinden und in überraschender Weise darzustellen. Die Beziehungen zwischen Dingen können sowohl positiver als negativer Art sein (Ähnlichkeits- und Kontrastwitz). Der Witz hebt nun aus den verbundenen Begriffen nur ein Merkmal hervor und stiftet nur eine punkthafte Verbindung, daher heißt er selbst Pointe, und daher nennt ihn Jean Paul (1763-1825) einen verkleideten Priester, der jedes Paar kopuliert. Ist das Merkmal, das er hervorhebt, für die Begriffe selbst charakteristisch, dann ist der Witz treffend, und ein solcher Witz kann selbst wissenschaftliche Bedeutung haben; denn der Witz erleuchtet wie der Blitz, wenn er auch manchmal blendet; je lockerer die Vorstellungsmassen zusammenhängen, desto näher liegt der Witz; daher ist die Jugend mehr dazu aufgelegt, als das Alter, Künstler und Diplomaten mehr als Gelehrte. Traum, Affekt, Rausch und Manie haben ihren besonderen Witz. Die niedrigste Form des Witzes ist der Wortwitz, der entweder nur die Ähnlichkeit des Klanges[695] ausbeutet oder sich an die doppelte Bedeutung eines Wortes hält. Der Witz arbeitet in Etymologien und gewährt Lust durch den Kontrast; er ist daher gesellig; er achtet aber auch keine Schränken und kann daher leicht frivol sein. Er gewährt Freiheit (von Spannung), indem er Gleichheit vorgibt. Je scharfsinniger, abstrakter jemand ist, desto weniger wortwitzig pflegt er zu sein, wie schon Bacon (1561-1626) richtig hervorhob. Höher als der Wortwitz steht der bildliche Witz; er vergleicht nicht Worte, sondern Dinge miteinander, und zwar ist er um so besser, je mehr er durch die Fremdartigkeit der verglichenen Dinge überrascht und trotzdem zutreffend ist. Vgl. Scharfsinn.

Quelle:
Kirchner, Friedrich / Michaëlis, Carl: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 51907, S. 695-696.
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