§. [146] 73.

Was die acuten Krankheiten betrifft, so sind sie theils solche, die den einzelnen Menschen befallen auf Veranlassung von Schädlichkeiten, denen gerade er insbesondere ausgesetzt war. Ausschweifungen in Genüssen, oder ihre Entbehrung, physische heftige Eindrücke, Erkältungen, Erhitzungen, Strapazen, Verheben u.s.w., oder physische Erregungen, Affecten u.s.w., sind Veranlassung solcher acuten Fieber, im Grunde aber meist nur überhingehende Aufloderungen latenter Psora, welche von selbst wieder in ihren Schlummer-Zustand zurückkehrt, wenn die acuten Krankheiten nicht allzuheftig waren und bald beseitigt wurden – theils sind es solche, welche einige Menschen zugleich hie und dort (sporadisch) befallen von meteorischen oder tellurischen Einflüssen und Schädlichkeiten, wovon krankhaft erregt zu werden, nur einige Menschen zu der Zeit Empfänglichkeit besitzen; an welche jene gränzen, welche viele Menschen aus ähnlicher Ursache unter sehr ähnlichen Beschwerden (epidemisch) ergreifen, die dann gewöhnlich, wenn sie gedrängte Massen von Menschen überziehen, ansteckend (contagiös) zu werden pflegen. Da entstehen Fieber68, jedesmal[146] von eigner Natur, und weil die Krankheits-Fälle gleichen Ursprungs sind, so versetzen sie auch stets die daran Erkrankten in einen gleichartigen Krankheits-Process, welcher jedoch, sich selbst überlassen, in einem mässigen Zeitraume, zu Tod oder Genesung sich entscheidet. Kriegsnoth, Ueberschwemmungen und Hungersnoth sind ihre nicht seltenen Veranlassungen und Erzeugerinnen – theils sind es auf gleiche Art wiederkehrende (daher unter einem hergebrachten Namen bekannte) eigenartige, acute Miasmen, die entweder den Menschen nur einmal im Leben befallen, wie die Menschenpocke, die Masern, der Keichhusten, das ehemalige glatte, hellrothe Scharlach-Fieber69 des [147] Sydenham, die Mumps u.s.w., oder die oft auf ziemlich ähnliche Weise wiederkehrende, levantische Pest, das gelbe Fieber der Küstenländer, die ostindische Cholera u.s.w.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Organon der Heilkunst. Dresden, Leipzig 51833, S. 146-148.
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