Gallus

[485] Gallus.

Gallus Gallinaceus, frantzösisch, Coq, teutsch, der Han, ist ein trotziger, muthiger und stoltzer Vogel, der iedermann bekannt. Es giebet seiner allerhand Arten. Er wird gar leichtlich zahm, insonderheit, wann er kan Hüner bey sich haben. Ein guter Han ist für zehen bis zwölff Hüner gnug; lebet von Körnern, von Brod, von Würmern, Schlangen und dergleichen Ungeziefer, wann er sie im Felde kan ertappen. Wann er bittere Mandelkuchen zu fressen bekommt, das ist ihm sowol, als den Hünern, tödtlich. Er führet viel Oel und flüchtiges Saltz. Eine Brühe vom Han gemacht, giebt frische Kräfte und gute Nahrung.

Die Hanen Hödlein machen Lust zum Beyschlaf: sie werden getrocknet, zu Pulver gestossen und eines Quintleins schwer auf einmahl eingegeben.

Das Hanenfett erweichet, lindert die Schmertzen, dient für die Nerven und zertheilet.

Des Hanens Hirn soll gut seyn den Durchlauff zu stillen.

Des Hanen Galle ist gut die Flecken der Haut weg zu bringen, desgleichen zu den Augengebrechen.

In den Hünernestern findet man unterweilen ein Ey, das ist so groß als wie ein Taubeney, und wird frantzösisch, Oeuf de Coq, teutsch, Haneney genennet, dieweil man insgemein zu glauben pflegt, es habe es der Han geleget, wird auch zu dieser Grille noch hinzugesetzt, wann es lang aufgehebet würde, so käm ein Crocodil heraus, deshalben tretens auch die Bauren sofort und mit Fleiß entzwey. Dieser gantz ungegründete Irrthum ist lang im Schwange blieben, und ob schon keiner ie ein solches Thier aus einem solchen kleinen Eye schlieffen sehen, so hat man doch nicht gäntzlich die Gedancken wollen fahren lassen. Ihrer viele fürchten sich vor dem Crocodil, da ich iedannoch etliche dergleichen kleine Eyer zeigen kan, die ich wol dreyßig Jahr in meinem Materialkasten aufbehalten habe, und doch nicht gesehen, daß etwas heraus kommen wäre, oder daß es irgend einige Oeffnung bekommen hätte. Der Han hat es versichert nicht gelegt, vielmehr ist zu vermuthen, daß es von einer jungen Henne kommt, ob es gleich nicht zum Brüten taugt, dieweil es gar kein gelbes, sondern eitel weisses hat, in welchen etwas, gleich als wie der Vogel, jedoch gantz verwirret, zu erblicken.

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Lemery, Nicholas: Vollständiges Materialien-Lexicon. Leipzig, 1721., Sp. 485.
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