Judas, der lose Gesell, will erst auf die Letzt gut thun, ist aber zu spät kommen.

[256] Des verdammten Iscarioths gewissenlose Unthat hat sich an einem Mittwoch zugetragen, dahero Christus der gebenedeite Heiland seiner geliebten Braut der hl. Katharinä von Bononien, einer Klosterjungfrau aus dem Orden der hl. Klarä, geoffenbaret, daß ihm alle Mittwoch sehr schwer gefallen, weil er gewußt und vorgesehen, daß am selbigen Tag Judas Iscarioth, den er für einen Apostel und Lehrer der Welt auserwählt, ihn den Juden als seinen abgesagten und ärgsten Feinden nur um 30 Silberling verkaufen, und darauf verrathen würde, durch welche Unthat er ihm selbst einen erbärmlichen Tod, der ganzen Stadt Jerusalem ihre Zerstörung und endlich dem gesamten Judenvolk den äußersten Untergang verursachet. Nachdem nun dieser Abfaim aller Bosheit wahrgenommen, daß solches unschuldigste Lamm Gottes[256] von den blutgierigen Rabbinern durch seine Verrätherei zum harten Tod verurtheilt worden, also hat ihn der stets nagende Gewissenswurm dahin vermögt, daß er öffentlich bekennt, er habe unrecht gehandelt, bekennt, es sey dieser Jesus ganz unschuldig, ja sogar dasjenige Geld, welches er durch die geleistete Verrätherei erworben, dem vornehmsten Hohepriester zu Füßen geworfen, und dannoch durch alle diese erzeigte Bußzeichen und öffentliche Reu ist er zum Teufel gefahren. Wodurch alle Sünder auf das Möglichste gewarnt werden, daß sie nach dem Exempel Judä ihre Buß und Bekehrung nit auf die Letzt sparen, zumal gemeiniglich der Tod ein genaues Kopei des vollbrachten Lebens, und aus 10000 nit Einer gut stirbt, der da übel gelebt.

Die Gnad hab ich nit gehabt, und nie gehabt, wie der hl. Paulus dieser Weltapostel, wohl aber das Widerspiel, massen er gar in den dritten Himmel verzuckt worden, ich aber auf eine kleine Zeit bin gar in die Höll hinuntergeführt worden, mein Führer war weit anderst, als der Führer des israelitischen Volks Moses, dann dieser trug Hörner von Strahlen, der meinige aber Hörner von einer Bockskron, das beste war, daß mir durch sondere Hülf und Gnad des Allerhöchsten dieser satanische Geist nit schaden konnte, sondern er mußte mir nur zeigen, wie die Höll, dieser Abgrund der Verdammten, beschaffen, und wer die mehristen alldorten zu finden. Wie ich nun dahin kommen, da ist mir ein ganzer Haufen Teufel ins Gewehr gestanden, dann es glaubten diese schwarzen Bestien, daß ich auch bereits ein Inwohner bei ihnen[257] werde seyn, aber Gottes Barmherzigkeit schauete nit an die Zahl meiner Sünden, sondern die Größe seiner Gütigkeit, und hat mich nur an den Ort der Verdammten lassen führen, damit ich den unbehutsamen Adamskindern auf der Welt könne andeuten, welche doch die mehristen in der Hölle brennen, da hätt ich Jahr und Tag zu erzählen, wann ich wollt umständig alle die Kerker und feurigen Gefängnisse beschreiben. Eins war, ob welchem ich mich höchstens verwundert, dann verkreuzigen dazumal ist mir verboten gewest. Eins war, darüber mir die Haar gen Berg gestanden, und ich an allen Gliedern gezittert. Es wurde mir eine ganz glühende Keuche gezeigt, deren Größe, deren Länge, deren Breite, deren Tiefe fast unbeschreiblich, wann ich andere Orte zuvor nicht hätte gesehen, da wäre ich der Meinung gewest, die ganze Welt logire in diesem erschrecklichen Ort. Sobald wir zu der großen Thür dieses Orts gelangt, und die Feuerflammen zu dem Schlüsselloch herausgeschlagen, da sagte mir der Teufel, daß in diesem größten und allerweitesten Kerker lauter vornehme Leut seynd. O Gott, gedachte ich bei mir, wie froh bin ich, daß ich unter Könige, Fürsten und große Herren nit gehöre, dann ich glaubte, daß lauter Diocletiani, Maximiniani, Juliani, Trajani, Valeriani, Valentiniani etc., und dergleichen große Häupter darin wären. Bevor der Teufel den Schlüssel angesteckt, hat er mit einer ungeheuren Stimm angefangen zu schreien: guten Morgen, guten Morgen ihr vornehme Herren! solches machte mir, wie billig, seltsame Gedanken, meistens darum,[258] weil ich sah und hörte, daß dieser Teufel so komplementös, und ist mir eingefallen, als wäre solcher eine Zeitlang zu Hof gewest, weil er so cortes und höflich, entgegen hat es mich anbei wunderlich gedünkt, daß man auch in der Hölle einen Respekt trage. Wie besagter Geist die Thür eröffnet, o wehe! da sah ich eine Zahl, die nicht zu zählen, der Verdammten in Mitte der aufsteigenden Flammen.

Guten Morgen, guten Morgen ihr Vornehme, sagte mehrmal der Satan. O verfluchter Morgen, wiederholten diese elende Kreaturen, vermaledeiter Morgen, verdammter Morgen, unglückseliger Morgen. O Morgen, Morgen! du hast uns in diesen Abgrund gestürzt, weißt du nun, redet mich diese höllische Larve an, welche diese unzählbare Anzahl der ewig verlornen Seelen? Es seynd diejenigen, die von Tag zu Tag, von Monat zu Monat, von Jahr zu Jahr, von einer Zeit zu der andern ihre Buß aufschieben, und allzeit das Vornehmen haben, morgen sich zu bessern, morgen beichten, morgen sich zu bekehren, nach dem Exempel des Judä Iscarioths. O Gott, nach solchen bin ich augenblicklich wieder in der Welt gewest, so bleich aber in dem Angesicht, wie jenes Tischtuch, welches dem Peter lauter Schlangen und Nattern aufgesetzt, so zitternd an dem Leib, wie der König Balthasar, da ihm die Schrift an der Wand den Garaus angedeutet. Kaum daß ich mich ein wenig erholt, da reichte mir ein Engel ein Schreiben in die Händ, die Uberschrift dieses Schreibens lautete also:

Den gesamten, wohlunachtsamen und ehrnbedürftigen[259] Adamskindern N. N. als unsern ungetreuen Vasallen in der Welt etc.

Cito

Cito

Citissime

Erdboden.


Ich eröffnete mit großem Verlangen den Brief, zu wissen den Inhalt, massen er mit dem wiederholten Cito bezeichnet war, da fand ich aber nichts darin, als diese Wort aus dem Ecclesiastico, am 5. Kapitel 8. V.


O Mensch!

Bekehre dich zum Herrn ohne einigen Verzug, und verweil es nicht aus einem Tag zu dem andern, dann sein Zorn wird plötzlich kommen, und wird dich in Zeit der Rache verderben.

Datum im Himmelreich.

Ex Consistorio Divino.


Das hat mich alsobald veranlasset, daß ich ohne einige † Verweilung angefangen zu schreien: Buß, Buß, Buß! cito, cito, citissime, thut Buß ohne einigen Verzug, thut Buß ohne einigen Verschub, thut Buß, Buß, cito, cito, citissime, dann das Verweilen bringt fast allemal das ewige Heulen.

O Gott! O Gott! ich höre eine Antwort, die mir gar nit gefallen thut. Es sagt mir jemand, er sey noch jung, die Jugend muß vertoben, man könne sogar solches wahrnehmen an einem heurigen Weinmost, wann man ihm nit Luft läßt, so geschieht gar[260] oft, daß er auch den Faßboden aussprengt, da er aber ein alter Wein wird, da ist er um ein Gutes dässiger und frömmer; also wolle er auch seine jungen Jahr in Freuden verzehren, wann er aber einmal weiße Haare bekommt, da will er auch einen weisen und unschuldigen Wandel führen. O armseliger Mensch! wie kannst du wissen, daß du so lange leben werdest? Hat dir etwa der allmächtige Gott durch den Erzengel Gabriel eine Staffette überschickt, und dich schriftlich versichert, daß du 70 Jahr erreichen werdest? Mein zeig mir doch eine vidimirte Abschrift hievon, nachmals will ich es glauben, unterdessen ist bei dir wie bei mir, will nit sagen von 70 Jahren, sogar eine Viertelstund des Lebens nit gewiß, wie kannst du dann dich auf etwas Ungewisses steifen und verlassen?

Ein sonst über alle Massen guter und vortrefflicher Schütz, dazumal aber mittellos, begehrte von seinem Bekannten ein Geld zu leihen, dafür wollte er ihm eine gute Bärnhaut spendiren, welches ihm der gute Freund gar nit abgeschlagen, sondern ohne Verzug das verlangte Geld eingehändigt, fragte aber anbei, wo dann die Bärnhaut sey? Ich, gab er zur Antwort, gehe jetzt gleich in den nächsten Wald hinaus, und den ersten Bären, so ich werde antreffen, schieß ich nieder. Bruder willst den Spaß sehen? so gehe mit mir, welches er gar nit geweigert, indem sie nun eine ziemliche Zeit harte Berg, dicke Gehölz und Hecken durchstiegen, da erblickten sie einen Bären einer ungeheuren Größe, wessenthalben der gute Schütz die Gelegenheit nit wollte versäumen, sondern gar genau[261] angetragen und stattlich losgebrannt, aber übel getroffen, der Kamerad war dazumal schon auf einem Baum, und wollte von dannen ganz sicher solcher Bärenjagd zuschauen. Das ohnedem wilde Thier wurde durch den Schuß ganz ergrimmt, dahero mit großer Furie dem unglückseligen Schützen zugeloffen, welcher aber in solcher höchsten Noth sich des bekannten Vortheils bedienet, sich alsobald zur Erde niedergeworfen, den Athem nach Möglichkeit an sich gezogen, und einen freiwilligen Todten abgegeben. Der Bär nit ohne sondern Grimm beschnarcht den Gesellen über und über, und meistens um den Kopf herum, nachdem er aber kein Leben vermerkt, zumal dergleichen Thier den Todten nit schaden, ist er wieder ohne Verletzung davon gangen, und sich in die weitere Wildnuß begeben, damit er von fernerem Unglück sich versichere. Nach solcher ausgestandener äußerster Gefahr, erhebt sich der halbtodte Tropf wieder in die Höhe, und erholt die vor Furcht fast entgangenen Lebensgeister, der auf dem Baum salvirte Kompagnon macht sich auch herunter, fragt aber schimpfweis den Schützen, als seinen Kameraden, was ihm der Bär doch ins Ohr gesagt? dann er gar aufmerksam dem saubern Bärentanz habe zugeschaut. Mir, antwortete solcher, hat er ganz still in die Ohren gesagt, ich soll hinfüran keine Bärenhaut mehr versprechen, die ich noch nit gewiß habe.

Einem Jedem, der die Bekehrung von einem Morgen in den andern verschiebt, sage ich nit allein in die Ohren, sondern ich rede ihm gar zum Herzen, er soll doch um Gotteswillen mit einer solchen Zeit[262] nit disponiren, welche gar nit in seiner Gewalt ist, massen die jetzt kommende Viertelstund, da ich solches schreibe, mir nit zugehörig, und kann seyn, daß ehe und bevor solche verfließt, mir zuvor Gott den Lebensfaden abschneidet. Wie kannst du dir dann so viele Jahre versprechen? viel hundert tausend und tausend, die da gesagt haben, morgen will ich das und das thun, seynd des gähen Tods gestorben, oder sonst unverhofft umkommen, und also den morgigen Tag nit erreicht. Warum pflegt man insgemein zu reden, morgen, wanns Gott will, will ich dich heimsuchen, morgen, wanns Gott will, so wirst du mich um halb drei Nachmittag da und da finden, worgen, wanns Gott will, so machen wir beide, und nehmen den Hans Michael auch mit, ein Frühstück beim blauen Kühhorn etc. Warum setzest du allemal hinzu: Wanns Gott will? Darum, darum, gibst du mir zu Antwort, weil bei Gott stehet der morgige Tag, und nit bei mir, wann nun der morgige Tag nit in deiner Gewalt, wie bist du dann so albern und thorrecht, wie so keck und vermessen, daß du mit einer Sache disponirest, so in eines andern Hände steht? Es seynd allhier zu Wien von 20 Jahren her über die 200000 Personen gestorben, (Pest und Krieg seynd harte Schauer und Rissel) viel tausend und tausend aus diesen haben dennoch müssen den Kehraus tanzen, viele aus ihnen des gähen Todes gestorben, da hört man öfters: Jesus! Jesus! der ist gestorben, die ist gestorben, wer hätts vermeint? wer hätte fichs eingebildet? wir seynd erst vor wenig Tagen überaus lustig gewesen beim Versprechen des Herrn Nasinger[263] mit der schmeckerischen Sabindel, der Mensch hat hergesehen, hat ausgesehen, als hätte ihm die Göttinn Flora ein Rosenbüschl ins Gesicht geheftet. Diese soll gestorben seyn? diese? das ist ja nit möglich? hab ich doch sie erst vorgestern beim Kirschner angetroffen, wie sie einen Pelz um 60 Thaler gekauft hat, Pelz hin, Pelz her, der Tod hat ihr gleichwohl die Läus' in den Pelz gesetzt. Je! je! hat sie doch kaum 26 Jahr gehabt, hat sie doch ein frisch paar Augen gehabt, wie die agsteinernen Knöpf unsers Herrn Frühmeßners in seiner Feiertagskutte, um Gotteswillen, so ist sie gestorben? wer hätte einmal sich das eingebildet? dergleichen unversehene, unverhoffte Todesfäll seynd allenthalben, und zu allen Zeiten, du bist nit einen Augenblick sicher. Nach dem Buch Genesis folgt das Buch Exodi, kaum, daß du das Leben empfangen, bist du schon in der Gefahr, daß dir nit gleich der Tod das Lamifare singet. Die jetzige Weibertracht hat tausend Modi, und was dem Meister Bockio bei der Nacht träumet, dasselbige Koncept führt er des andern Tags mit der Scheer aus. Aber doch mehrers Modi hat der unsichere und sichere Tod. Einem beugt der Teufel bei nächtlicher Weil den Hals, das ist vor etlichen Jahren in Steiermark geschehen. Einer erstickt bei der Nacht, das ist vor etlichen Jahren zu Prag im Königreich Böhmen geschehen, allwo der Bräutigam samt der Braut an ihrem Ehrentag todt in der Kammer gefunden worden. Einer fällt in einen Brunnen und ersäuft, das ist nit weit von Wien geschehen. Einer erstickt an einer Speis', das ist unlängst in Schlesien geschehen.[264] Einer läutet zu dem Wetter, und durch Foppen und Gespäß legt er sich den Strick um den Hals, und wird ohne seinen Willen erdrosselt, das ist vor etlich Jahren in der Pfalz geschehen. Einer schießt auf die Scheibe, und schlägt ihm das ersprungene Schloß die Gurgel ab, das ist vor wenig Jahren in Oberösterreich geschehen. Einer zur Fastnachtszeit in Narrenkleidern will über den Tisch springen der Tisch aber, weil er nagellos, prellt zurück, und schlägt ihn augenblicklich todt, das ist nit weit von Wien geschehen. Einer will das Licht putzen, und ist ihm zugleich das Leben ausgeloschen, das ist unlängst in Oesterreich geschehen. Einer gehet vor einem Haus vorbei, und schlägt ihn ein Dachziegel zu todt, das ist vor vier Jahren in der Vorstadt zu Wien geschehen etc. Tausend und tausend, und aber tausend Modi hat der Tod. Einer verbrennt wie die Innwohner zu Sodoma. Einer wird von einem wilden Thier zerrissen wie der Prophet Jadon. Einer wird von seinem eignen Diener umgebracht wie der König Joas. Einer wird von seinen eignen Kindern ermordet wie der Senacherib. Einer bekommt den Rest durch seine vermeinte Liebste wie der Holofernes. Einer ersauft im Wasser wie der Pharao. Einer wird von der Erde verschluckt wie Kore, Datan und Abiron. Einer wird von giftigen Schlangen zu todt gebissen wie gar viel aus dem Volk Israel. Einer geht ins Bett und steht nit mehr auf. Einer geht aus und kommt nit mehr heim. Einer sitzet zur Tafel und erlebet nit das Konfekt. Einer legt einen Schuh an und kann nit mehr den andern. Einer läßt sich einschenken[265] und kann nit mehr austrinken. Unzählbare viel Modi hat der Tod, dich zu stürzen, unzählbare Mittel hat der Tod, dich aus dem Weg zu rauben, und dieses alles alle Tag, alle Stund, alle Augenblick, wie kanns dann möglich seyn, daß du deine Lebens-Besserung, dein Seelenheil auf solche Zeit schiebest, die so ungewiß, wer weiß es, massen es schon viel hundert tausendmal geschehen, ob dich Gott nit heut noch, diese Stund noch, diese Viertelstund noch zu Gericht citirt, und nachmals dich ewig, erwäg es wohl, ewig verdamme.

Der Evangelist Lucas registrirt von einem reichen Herrn, daß derselbige bei sehr großen Mitteln seye gewesen, Kisten und Kasten war bei dem Phantasten alles voll, Traid hat der Habernarr im Ueberfluß, ja wie er einmal in einem Sommer einen gar großen Schnitt gehabt, da machte er sich bei der Nacht unterschiedliche Grillen, unter andern redete er sich selbsten also an: Was muß ich Potz Element anfangen? hab ich doch kein Ort mehr, wo ich meine Früchte kann legen, basta! jetzt fällt es mir grad recht ein, meine Scheuren will ich lassen abbrechen, und größer und weiter bauen, das völlige Traid dahin versammlen, und will nachgehends, wann ich einen so stattlichen Vorrath habe, mir gute Täge anthun, dem Maul nichts abschlagen, hübsch allegro seyn, müßte ich wohl ein Lappländer seyn, wenn ich mir nit etwas guts wollte vergönnen, ich bin jetzt auf viel Jahr, trutz einem in der ganzen Gegend herum! verproviantirt etc. was geschieht? es kommt eine Staffette von Gott, die lautet auf ihn, die Ueberschrift war diese: [266] stulte hac nocte etc. cito. Der Narr ist in derselben Nacht, da er sich alles dieses vorgenommen, an einem Katharr erstickt; der seine Scheuren hat wollen weiter machen, dem ist der Hals zu eng worden, der reiche Limmel hat vermeint, er werde noch viel Jahr leben. O Narr! und größer als vier Klafter lang? indem du dir ein langes Leben versprochen, da du doch keine Viertelstund versichert bist vor dem Tod, die ganze Zeit, so dir zugehörig, bestehet in dem einzigen jetzt, das hernach ist dir ganz ungewiß, und stehet solches pur in den Händen Gottes.

Es ist wahr, es scheinet fast nichts, das Gott dem Herrn angenehmer seye als die Buß. Der heilige Ambrosius vermeynet gänzlich, daß derentwegen Christus der Herr habe wollen geboren werden aus dem Stamm und Haus David, weilen der David ein Büßer gewesen. Der allererste, dem Gottes Sohn das Paradeis, den Himmel und die Seligkeit versprochen, ist ein Büßer gewesen, benanntlich der rechte Schächer Dismas. Die allererste, so der gebenedeite Erlöser nach seiner glorreichen Urständ erschienen, ist eine Büßerin gewesen, nämlich Magdalena. Der allererste römische Pabst, den er als ein sichtbares Haupt seiner Kirche vorgestellt, ist ein Büßer gewesen, benanntlich Petrus. Man weiß gar wohl, daß alles in dem alten Testament eine Figur und Vorbildung gewesen des Neuen, dort wie die Rebecca dem Jakob befohlen, er solle 2 Böcklein holen, die wolle sie dem Isaak, als seinem lieben Vater, gar gut kochen und zurichten. Die Rebecca hat bedeutet die Buß, als welche das Bockfleisch der Sünden also gut zurichtet,[267] daß Gott ein sonderes Wohlgefallen daran hat. Gewiß ist es, daß ein Lämmel, so dem Wolf abgejagt worden, weit mürber, als ein anders, so die Zähn dieses Schaafdiebs nit erfahren: Also auch eine Seel, welche durch die Buß dem höllischen Wolf wieder aus dem Rachen gezogen worden, Gott und seinen Engeln über alles und alles angenehm.

Dem Manasse hat geholfen die Buß, das ist wahr, dem Achab hat geholfen die Buß, das ist wahr, den Ninivitern hat geholfen die Buß, das ist wahr, dem Zachäo hat geholfen die Buß, das ist wahr, dem Samaritan hat geholfen die Buß, das ist wahr, dem verlornen Sohn hat geholfen die Buß, das ist wahr etc. Dem allergrößten Sünder in der Welt hilft die Buß, das ist auch wahr, denn solches hat Gott, als die ewige Wahrheit, versprochen, aber wann willst du Buß thun? Morgen, sagst du, das hat dir Gott nit versprochen, den morgigen Tag hat dir der Allmächtige nit versprochen. Welcher Prophet Esaias oder Jeremias? Abdias oder Sophonias? Zacharias oder Malachias? welcher hat dir angedeutet, daß du noch so und so lang werdest leben? keiner aus allen hat dich vergwißt einer einigen Viertelstund, unh du, o Thorheit! und du, o Verblendung! und du, o Vermessenheit! steifest und gründest das ewige Heil deiner Seele auf etwas so ungewiß.

O Pater, ich hab in dem Leben des hl. Antonii Paduani gelesen, der mein sonderlicher hl. Patron, daß ein großer Sünder durch seine apostolischen Predigten also bewegt worden, daß er alle seine großen Lasterthaten auf ein Papier geschrieben, und sie[268] dem heiligen Mann beichten wollen; als er aber in den Beichtstuhl kommen, da stoßen die regenvollen Seufzer dergestalten aus seinem Herzen, daß er nit ein Wort konnte reden, wessenthalben der hl. Autonius seine geschriebene Beicht begehrt, und wie er solche in die Händ empfangen, da hat er wahrgenommen, daß alle Zeilen, Schrift und Buchstaben verschwunden, und nichts als has schneeweisse Papier zu sehen war, welches dann ein unfeblbares Zeichen, daß ihm durch Reu und Leid und Buß alle seine Sünden verziehen worden. Ist also die Buß ein Schwamm, der alle Sünden auslöscht, und eine solche Buß kann ich heut oder morgen auch noch wirken. Distinguo Distinguo.

O Pater, ich verstehe dieses lateinische Wort nit, aber zu Loreto in Italia hat man mir erzählt, und ist solches ganz glaubwürdig daselbst mit vielen Zeugnissen protokollirt, wie daß ein Jüngling gewest, welcher sich in aller Unzucht und erdenklichen Wollüsten auf Schweinart herum gewalzet, sogar sich dem bösen Feind selbst ergeben und verschrieben, damit er durch seine Hilf eines gewissen Weibsbilds, in welchen Schleppsack er sich vergafft, möchte theilhaftig werden; nach vielen und langen dergleichen Schandthaten ist er nach Loreto gereist, daselbsten eine vollkommene Beicht abgelegt, und als er etlichemal nit ohne Zäher folgende kurze Versikul in dem hl. Haus wiederholet, Monstra te esse matrem, zeige dich doch eine Mutter etc., da ist ihm in Gegenwart vieler Leut der Zettel, worin er sich dem Satan verschrieben, in die Händ geflogen. Woraus sattsam abzunehmen, daß[269] ihm alle seine Sünden-Last verziehen worden. Ist demnach die Buß ein Schlüssel, welcher den so stark versperrten Himmel wieder eröffnet. Eine solche vollkommene Beicht, wenn ich schon nit nach Loreto reise, kann ich auch heut oder morgen dahier verrichten. Distingno, distiuguo.

O Pater, heißt das distinguo es stinkt? soll ich denn hierinfalls etwas unwahres erzählt haben, denn zu einem solchen pflegt man insgemein zu sagen, es ist s.v. erstunken und erlogen. Ich weiß noch ein anders, was ich auf eine Zeit in einer Predigt, deren ich mich sonst so gar viel nit achte, gehört und vernommen habe, wie daß einer An. 1341 zu Didymoth seine Ehefrau eines Ehebruchs und Untreu beschuldiget, und dem war auch in der Sach nit anderst, die Gewißheit aber einzunehmen, ob sie solche Unthat begangen, oder ob sie unschuldig seye, begehrte er von ihr, sie solle ein glühendes Eisen mit bloßen Händen angreifen, denn dazumalen war der gemeine Gebrauch, mit dergleichen Prob unter die Wahrheit zu kommen. Jetzt würde sich manche brennen; die gute Frau, zweifelsohne wegen des nagenden Gewissen, weigerte solche Feuerprob, ist aber in der Stille zu dem Bischof desselbigen Orts gegangen, ihm mit sonderer Reu und festem Vorsatz, sich zu bessern, die Sünd gebeicht, nach welcher er ihr ernstlich gerathen, sie soll anjetzo unerschrocken dasjenige vollziehen, was ihr Ehemann zuvor ihr auferlegt, dem sie auch in allem nachkommen, und das ihr mit einer Zange dargereichte ganz glühende Eisen ohne die allermindeste Verletzung angerühret. Woraus nun sonnenklar zu[270] schließen, daß eine rechte Beicht und Buß allen Sünden den Rest gebe, wie David dem Goliath, und eine solche Buß kann ich heut oder morgen ebnermassen thun. Distinguo, distinguo, distinguo.

Heut oder morgen, eins aus diesen ist gewiß, das andere ist nit gewiß; eins aus diesen ist sicher, das andere unsicher; eins aus diesen rathet dir Gott, das andere rathet dir der böse Feind; heut thue Buß, heut bekehre dich, heut fall deinem Jesu zu Füßen, das Morgen gehört dir nit zu, das Morgen ist nur ein vielleicht, es ist gar ungewiß, ob du morgen noch lebest, wenn du unterdessen solltest unverhofft sterben, und zum Teufel fahren, wer wird dich mehr erlösen? wenn ich jetzt sollte mit dem heil. Patritio die Höll eröffnen, und die Verdammten allda befragen, warum sie in den ewigen Kerker seynd gestoßen worden? O was unzählbare Anzahl derselbigen würde mir die Antwort geben, wir haben uns kräftig vorgenommen, einmal zum Kreuz zu kriechen, niemand ist aus uns, der nit des Vorhabens gewest, vor dem Tod noch eine vollkommene und rechtschaffene Beicht zu verrichten, seynd aber von dem unversehenen Tod übereilet worden, und haben die Zeit, auf welche wir unsere Buß verschoben, leider nit erlebet.

Bei dem Evangelisten Lukas wird das schändliche Leben des verlornen Sohnes gar schön beschrieben. Wie daß nämlich derselbe seinen Vater immerzu überloffen, und von ihm die Erbsportion verlangt, welche er auch endlich erhalten, und damit frei und frisch, frisch und frei in die Länder verreist, worinnen er so sauber gewirthschaftet, daß er aus Noth gar mußte[271] einen Säuhirten abgeben, dem zuvor die Rebhühnl widerstunden, wünschte hernach eine Schüssel Habermuß, aber der Haber- und Sau-Narr mußte mit der Schweintafel vorlieb nehmen, bis ihm zuletzt die Augen aufgangen, und wieder nach Haus getrachtet; sobald er dem Vater einen Fußfall gethan, der Vater aber wahrgenommen, daß er zerfetzt, zerlumpt, zerrissen und einen Rock wie ein Fischernetz am Leibe trage, da hat er befohlen, cito proferte stolam primam, man soll alsbald ein neues Kleid herbeibringen, cito, cito, gehts, laufts, saumet euch nit, hurtig, geschwind, hui, cito, cito, seyds noch nit da? cito, cito, etc. Mein lieber Vater, ich bitt um Vergebung, daß ich ein paar Wort darf reden. Warum thust du nit diesem Landschlingel zuvor eine gute Predig halten? warum gibst du ihm nit einen guten Filz, der ohne das einen Hut vonnöthen hat? warum liesest ihm nit die Planeten, absonderlich den Planeten Venus? warum gibst ihm nit ein gutes Kapitel, anstatt des Kaputs? Ein anderer Vater hätte ein solches Bürschel mit einem guten knoperten hölzernen Salve komplementirt, hätte ihn lassen ein halbes Jahr in solchen Hadern und Lumpen den Lumpenhund herumgehen, zu einer Straf und Witzigung, oder hätt ihn gar in Krautgarten gestellt vor ein Scheuch, damit die Vögel zu erschrecken. Aber da hats geheißen, cito, cito, nur geschwind neue Kleider her, cito, cito, nur geschwind einen güldenen Ring her, cito, cito, nur geschwind eine Mahlzeit her etc. und zwar der Ursachen halber, der Vater gedachte sich also, er ist doch mein Kind, ich muß ihm doch helfen, die[272] Jugend ist unbedachtsam, verlassen kann ich ihn nit, und weil ich ihm doch zu helfen begehr, so will ich es geschwind thun, dann ich bin schon bei ziemlichen Jahren, ich möchte unversehens dahinsterben, da wäre es mit dem armen Narren aus, der andere sein Bruder gebe ihm nit eine Nadel groß, cito, cito, lieber jetzt, weil es noch Zeit, cito, cito, lieber geschwind, so bin ich nachmals versichert.

Cito, cito, verweil dich nit, o Sünder! zu bekehren, wann du dich mit Gott willst versöhnen, wann du zum Kreuz willst kriechen, wann du deine Sündenlast willst ablegen, cito, cito, thue solches geschwind, schieb es nit eine Stund auf, viel weniger etliche Jahr, es möchte seyn, daß dich der Tod thät übereilen, wer würde nachmals den ewigen Verlust deiner Seele ersetzen, es möchte seyn, daß nach einer Stund dir Gott seine Gnad thät entziehen, dich nachmals nit mehr erleuchten, dann du bist nit sicher, ob nit dieser Beruf, den du anjetzo hast, der allerletzte sey, und wann du solchen abschlagest, sodann werde dich Gott gänzlich verlassen, dein Gemüth völlig verstocken wie dem Pharao, cito, cito, jetzt fange an, weil dir Gott noch die Händ reicht, cito, cito, jetzt fall ihm zu Füßen, weil dir noch seine offene Wunden die Verzeihung versprechen, cito, cito, jetzt greif noch in seinen Gnadenkasten, weil er noch offen stehet, vielleicht morgen, o schlimmes morgen! ist dieser schon versperrt, und alsdann ist es mit deinem Heil verloren, verloren, verloren.

In dem Leben des großen Dieners Gottes Joannis Baptistä Vitellio wird unter andern auch gemeldet[273] von einem weltlichen Priester, welcher durch göttlichen Beruf sich entschlossen, in den strengen Kapuziner-Orden zu treten, daselbst seine Sünden abzubüssen, wie er dann auch bereits von dem Obern besagter Religion aufgenommen worden, als dieser sich noch wollte beurlauben bei dem gottseligen Vitellio, und nachgehends in den bestimmten Konvent zu begeben, da hat ihm der hocherleuchte Mann gerathen, er soll gleich jetzt den geraden Weg ohne einigen Verzug in das Kloster gehen, dann es möchte seyn, daß dies die letzte Viertelstund wäre, in der ihn Gott erleuchtet. Ja, ja Pater, war die Antwort, gleich, gleich, ich will nur um meinen Hut nach Haus laufen, ist nit vonnöthen, sagt hinwieder der heiligmäßige Mann, laß Hut Hut seyn, und folge meinem Rath, du mußt die Gnad Gottes, die du anjetzo hast, nit mißbrauchen etc. Dieser folgt dem heilsamen Rath nit, sondern geht nach Haus um den Hut, unterwegs aber begegnet ihm seiner Bekannten einer, mit welchem er einen langen Diskurs geführt, und sein heiliges Vorhaben entdeckt, dem aber der andere mit vielen Ursachen solches widerrathen, daß also er in etwas angefangen in dem Geist zu erkalten, endlich gar alles dergestalten erloschen, daß er nachmals einen gewissenlosen Wandel geführt, einem andern sein Weib entführt, und von dessen Befreundten unversehens überfallen, und elend ermordet worden.

Cito, cito, convertere ad Dominum Deum tuum etc. heut noch, jetzt noch falle deinem Jesu zu Füßen mit Magdalena, schlag an deine Brust mit dem offenen Sünder, steige eilends herab, und[274] versöhne dich bei Christo mit dem Zachäo. Sobald der Herr den Petrum nach begangener Sünd und falschen Schwur hat angeschaut, da hat Petrus alsobald zur Buß griffen, alsobald die Augen in die Schwemm geführt, nit auf morgen oder übermorgen aufgeschoben. Wann dich Gott anschauet mit seinen Gnadenaugen, wann er dein Gemüth und Herz bewegt, durch starke Erleuchtung zur Buß ermahnet, so verweil nit einen Tag, nit eine Stund, dann es könnte seyn, es möchte seyn, daß dich Gott in dieser Stund anschauet, und nachmals nimmermehr, wann du nit willst, wann Gott will, so will hernach Gott auch nit, wann du willst. Die presthaften Leut bei dem Schwemmteich zu Jerusalem haben keine bestimmte Zeit gewußt, wann der Engel kommt, und das Wasser bewege, dahero seynd sie allezeit bereit gewesen, sonst wären sie zu kurz kommen. Also ist kein einziger Mensch sicher einen Augenblick, daß nit Gott über ihn komme, und in die Ewigkeit citire, darum soll er je und allemal in Bereitschaft stehen, und die Buß nit aufschieben.

O Paters! es ist zwar das cras, cras eine Rabenstimm, aber es hat gleichwohl Raben geben, welche Gott dem Herrn seynd angenehm gewesen, als wie jener, der da 60 ganze Jahr dem hl. Eremiten Paulo das tägliche Brod zu seiner Nahrung gebracht, wann ich schon mit den Raben die Muteten singe, so will ich mich doch im Todbett mutiren, und alldort zu einem Schwanen werden. So höre ich wohl, du willst leben wie ein Kain, und sterben wie ein Kajetanus? da pfeif ich. Du willst leben wie ein Esau, und sterben wie ein Esaias? da lache ich. Du[275] willst leben wie ein Archelaus, und sterben wie ein Archangelus? da schüttle ich den Kopf. Du willst leben wie ein Nero, und sterben wie Nereus? da sage ich nein dazu. Du willst leben wie ein Maro, und sterben wie ein Marian? das kann nicht seyn. Du willst leben wie ein Amnon, und sterben wie ein Amon? das wird nit seyn. Du willst leben wie Pharao, und sterben wie ein hl. Bischof Faro? das soll nit seyn. Du willst leben wie ein Bock, und sterben wie ein Simon Stock? das nit, das nit, sondern dein Tod wird dem Leben so gleich seyn, wie des Propheten Balaams Klepper einer Eselin.

Ein sehr witziger Diener, dessen Herr einen liederlichen Wandel führte, und seine Bekehrung bis in den Tod gesinnet war aufzuschieben, wollte ihm zu verstehen geben, was große Thorheit diese sey, als solcher von seinem Herrn den Befehl bekommen, er soll ihm einen guten Esel auf dem Viehmarkt einkaufen, so konnte er nit anderst als den Willen seines Herrn zu vollziehen, lauft aber den halben Tag auf dem Markt hin und her, beschaut ganz genau alle Langohr, es war ihm aber keiner recht, kehret demnach unverrichter Sachen wieder nach Haus, welches dem Herrn nit wenig mißfallen, dahero in eigner Person sich mit besagtem Diener auf den Markt begeben, allwo er den Ueberfluß dieser arkadischen Thiere angetroffen, darum dem Diener stark verwiesen, um weil er aus so vielen nit einen habe ausgesucht, der Diener entschuldigte sich mit dem Vorwand, er habe einen Esel gesucht, welcher einen so schönen Schweif habe wie ein Pfau, und weil er dergleichen Sorten nit[276] wahrgenommen, als habe er das Geld nit wollen umsonst ausgeben. Du bist mir ein Phantast mit Filogran Stroharbeit ausgemacht, sagt der Herr, du Doctor Plumptus, hast du dann einmal gesehen einen Esel mit einem Pfauenschweif? Ich, beantwortete sich der Diener, habs nie gesehen, also mein lieber sauberer Herr, setzt der Diener hinzu, wird es auch nit seyn können, daß ein Lasterleben dem Esel gleich, einem Pfauenschweif, das ist, ein schönes End nehme, dann noch allemal die Konklusion mit den Prämissis übereingestimmt, massen der große heilige Lehrer Hieronymus, dem auch die wilden Leuen den Gehorsam geleistet haben, sich bei dem Pabst Damaso verlauten lassen: »Vix de centum millibus hominum, quorum mala semper fuit vita, meretur habere Indulgentiam a Deo unus. Aus hundert tausend Menschen, merks wohl, aus hundert tausend, so da ein übles Leben geführt, wird kaum einer eines seligen Tods sterben.«


Nonne Mors est sicut vita? Ech. Ita.


Abimelech, ein stolzer und übermüthiger Fürst, dessen Hochmuth fast alle Menschen wollte unter seinen Füßen haben, hat auch auf eine Zeit mit seinem Kriegsheer die Stadt Thebes belagert, und nach wenigem Widerstand dieselbige erobert, ausser eines festen Thurms, worauf das meiste Volk beiden Geschlechts sich salvirt hat, da er nun aus gefaßtem Grimm diesen Thurm wollte in Asche legen, da war unter andern ein keckes Weibsbild, welches diesen Kriegsfürsten ein ziemliches Stück von einem Mühlstein auf den Schädel geworfen, und just an selbem Ort getroffen,[277] wo er sich so viel eingebildet, und eines so hohen Geistes war, die Wunde war so groß und hart, daß natürlicher Weis' keine Hoffnung gewest einiges Aufkommens, was thut Abimelech? Zweifelsohne hat er in solcher äußerster Lebensgefahr sich mit Gott versöhnet? dessen grundlose Barmherzigkeit flehentlich angerufen? und sich zu einem glückseligen Tod bereitet? Nichts dergleichen, sondern wie gelebt, also gestorben, stolz und übermüthig im Leben, nie um ein Haar besser im Tod, damit er nun den Nachklang nit hätte, daß ihm ein Weib den Rest gegeben, so war ihm lieber eine zeitliche Reputation, als eine ewigwährende Kron, dahero dem Waffenträger befohlen, er soll ihn mit seinem Degen umbringen, damit man nach seinem Tod nit könne sagen, ein Weib sey seiner Herr worden.


Nonne Mors est sicut vita? Ech. Ita.


Ein muthwilliger und üppiger Weltvogel ist jener gewest, bei dem mehr Schnacken als zur Zeit Pharaonis Mücken waren anzutreffen, eine jede Tafel mußte mit seinen schmarozorischen Koncepten versehen seyn, worunter er mehrmal des Esau als des Jakobs Stimme hören lassen, dem Gesellen hat das unmäßige Leben ein tödtliche Krankheit auf den Buckel geladen, daß also keine Hoffnung eines längern Lebens nach Aussag der Medici vorhanden. Man hat ihm Geistliche zugeschickt, welche mit aller Möglichkeit die bevorstehende Gefahr angedeutet, beinebens ernstlich zur heilsamen Buß ermahnet, aber umsonst, wie gelebt, also gestorben; man erhielt von ihm keine andere Antwort, als allerlei Fatzpossen und Pantalonswaaren, wie er schon ziemlich dahingelegen, und bereits die[278] Augen angefangen vergläsert zu werden, da hat ihm ein altes und im Haus daselbst wohlbekanntes Mütterl zugesprochen, er soll sich der Barmherzigkeit Gottes befehlen, Reu und Leid über seine begangenen Sünden erwecken etc., weil aber er keine Antwort hierüber gab, so fragt sie ihn, Herr Wilhelm, Herr Wilhelm, kennet mich der Herr noch? Ja, sagte er, ja, wer bin ich dann? da ließ er sich hören, du bist halt eine alte Hex! O mein Gott, Herr Wilhelm! jetzt ist keine Zeit mehr, Gespäß zu treiben, es ist aber, sagt er wiederum, jetzt die Zeit, die Wahrheit zu reden. Herr Wilhelm, er muß sich wohl bereiten in die Ewigkeit, der Weg ist weit, ja sattle mir deinen Bock, so kann ich reiten.

O mein Gott, Herr Wilhelm, befehl er sich fein wohl seinem Schutzengel, damit derselbe ihn möge wie den Lazarum tragen in den Schooß Abrahams, gut wäre es, sagt er, dann hol mich der Teibl, einen so weiten Weg könnte ich nit zu Fuß gehen; auf solche Weise hat er sein Leben geendet, und gestorben, wie gelebt. O Gott, anderst, weit anderst hat mein hl. Water Augustinus gerathen, als er im Todbett mit häufigen Zähern die 7 Bußspalmen abgelesen, gerathen hat er, daß keiner, der auch einen hl. Wandel geführt hat, ohne nasse Augen von der Welt scheiden soll.


Nonne Mors est sicut vita? Ech. Ita.


König Balthasar zu Babylon hielt ein sehr stattliches Panquet, worbei über die tausend Gäste sich eingefunden, da war Essen und Vermessen bei einander, da war Gesottenes und Verbottenes anzutreffen, da war Gebratenes und Ungebratenes genug zu sehen.[279] Denn wo Suppen, da ist auch eine Löfflerei, wo Poccal, da ist auch Brutal, wo Tafel, da ist auch Teufel, da war Scheps- und Kebs-Fleisch anzutreffen, denn eine große Anzahl der Kebs-Weiber befanden sich ebenfalls bei dieser Mahlzeit, man glaubt schon, daß ohne solches Wildpret ein Tractament schon ein Mancament habe. Nachdem nun die Gesund-Trünk, Schlund-Trünk, Rund-Trünk, Pfund-Trünk, Grund-Trünk ziemlich herum gegangen, und die Köpf und Kröpf schon stark angefüllt, da zeigt sich eine unbekannte Hand an der Wand, und schriebe 3 Wort, worvon der König dergestalten erschrocken, daß er an Händen und Füßen gezittert, auch sich nichts anderst eingebildet, als den unfehlbaren Tod und Untergang, wer will da anderst glauben, als daß er seye in sich selbsten gangen und seine Vermessenheit bereuet, den wahren Gott Israel erkennet, der mit gleichem Maaß seinem Vater Nabuchodonosor abgemessen. Zweifelsohne hat man gleich müssen laufen um die Propheten des Herrn, wie bei uns Christen um die Beichtväter und geistlichen Beisteher? Nichts dergleichen, nichts solches, sondern wie gelebt, also gestorben, er ist bei Lebzeiten allzeit umgangen mit Wahrsagern, Teufels- Bannern, Zauberern und Zeichen-Deutern, also auch dazumal geschrieen, man solle geschwind dergleichen Höllenbrut und chaldäische Hexenmeister lassen zu sich kommen, die ihm an die Hand stunden, wie gelebt, also gestorben.


Nonne Mors est sicut vita. Ech. Ita.


Ich hab einen, dem äußerlichen Schein nach, sehr wackern und höflichen Herrn selbsten gekennet,[280] will Land und Ort verschweigen, dessen Wandel so gar sträflich nit war, außer daß er stets im Haus eine Konkubin gehalten, welches in allweg seinem Stand nit gebührte, das nagende Gewissen, die heilsamen Anschlänge der Beichtväter, die Stimme der Prediger, haben ihn Zweifelsohne wie ein Hahnen-Geschrei von solchem tödtlichen Schlaf sollen erwecken, aber wo und wann solches geschieht, ist nit ein kleiners Wunderwerk, als wie Josue die Sonne von ihrem Lauf hat aufgehalten; wie besagter Herr, gestalten er schon bei ziemlichen Jahren, in gefährliche Krankheit gerathen, da hat er zwar nach christlichem Gebrauch gebeicht und die heiligsten Sakramente empfangen, aber wie? ich glaube nur gar zu wohl, daß er öfters das Vornehmen gehabt habe, sich vor seinem Tod rechtschaffen zu bekehren, der Lasterhaftigste in der Welt hat auch das im Sinn, aber wir elende Adamskinder alle wissen, daß nie keine größere Theuerung der göttlichen Gnade, als zur selben Zeit, so soll dann Gott dazumalen einem die Händ reichen, welcher ihn die Zeit seines Lebens von sich gestoßen? so soll dann Gott der Herr einem dazumalen sein theures Blut offeriren, der es zuvor so viel Jahr hindurch mit Füßen getreten? es kann seyn, aber aus viel tausend nit einem geschieht diese Gnad, sondern der Allerhöchste verhängt, daß man sterbe, wie man gelebt. Obbesagter Kranker wurde auch durch einige Bekannte veranlaßt, ein Testament zu machen, und mit dem Zeitlichen, so gewiß nit wenig zu disponiren, welches auch geschehen, aber es hat geheißen: die Universal-Erbin ist mein Miedl; Herr, ihr habt etliche[281] Vetter, die ohnedas der Mittel bedürftig, was ihnen? die Miedl ist mir gar treu gewesen. Herr, wo und wie wollt ihr begraben werden? die Miedl wirds schon machen. Herr, was denn den armen Leuten? die Miedl wirds schon austheilen. Herr, wie viel heil. Messen nach eurem tödtlichen Hintritt? was die Miedl will. Ein sauberes Testament! wie diese seine gute Freund nach verfertigtem Testament wieder hinweggangen und sich mit diesen Worten beurlaubet, Gott behüte den Herrn, der allergütigste Gott stehe ihm bei, und wenn wir einander auf der Welt nit sollen sehen, so werden wir hoffentlich in jener Welt zusammen kommen, ja, sagt er, mein Miedl auch. Soll denn dieser nit, in Erwägung, daß er den Tod bereits vor Augen, seine Sünden beweinet haben? soll er nit möglichst an sein sündiges Herz geklopft haben? Soll er nit den Namen Jesus und Maria stets auf seiner Zunge gehabt haben? O, sagt mancher, der solches lieset, ich will einen andern Tod nehmen, ich will mich besser hiezu schicken etc. O elender Tropf, wie weißt du, daß dir dazumal der allmächtige Gott die Gnade werde geben, dich recht zum Tod zu schicken? Ohne sondere seine Gnad ist es nit möglich, und solche Gnad aber ist gar unsicher, aus viel tausenden, die da übel gelebt haben, ist kaum einer, der die Gnade hat, gut zu sterben. Diesem unglückseligen Menschen war sein Miedl der einige Abgott, wie gelebt, also gestorben. Nach seinem Tod hat man aus vielen Sachen, die sich bei nächtlicher Weile gezeigt, leicht können abnehmen den ewigen Untergang seiner Seele.


Nonne Mors est sicut vita? Echo. Ita.
[282]

Bellisarius, der berühmte Kriegsheld, hat mit der kaiserl. Armee die Stadt Orvieti ein ganzes Jahr hindurch belagert, wordurch eine so große Hungers-Noth in ganz Toskana entstanden, zumalen der Bauersmann dem Acker nit konnte vorstehen, daß sich die meisten Leut in das Gebirg begeben, daselbsten die Eicheln zusammen gesammelt, und selbige zu Mehl zerstoßen, folgsam Brod daraus gebacken, welches aber ihnen so übel gedeihet, daß hiervon allerlei Krankheiten entsprungen, ja die mehresten von solcher Eichel-Speis im Tod dahin gefallen. Procopius, welcher solche Geschicht umständig beschrieben, setzt hinzu, daß solches durch sondere Verhängnuß Gottes geschehen seye, sicut bruta vixerunt, sicut bruta pereunt. Denn diese Leute haben kein anders Leben geführt, als daß sie sich wie die Schwein in dem Wust der schändlichen Wollüste herumgewälzt; weil sie dann wie die Schwein gelebt, sodann hat Gott zugelassen, daß in wie die Schwein verreckten.

O Pater, wenn ich einen guten Beichtvater hab, es müßt ein Wunder seyn, daß ich mich nit recht sollt zum Tod bequemen! Freilich, freilich, der wird gleich, Miracul machen, und aus dir die Bußzäher, wie Moses aus dem Felsen das Wasser, locken, was dann, was dann, dieser wird dich auf einmal reiner und säuberer machen, als Naam Syrus worden, der sich doch siebenmal in dem Fluß Jordan gebadet, Zweifelsohne, Zweifelsohne, der wird gleich 4 Pferd einspannen, und dich wie den Elias in Himmel führen, der Teufel wird nit einmal einen Schnalzer dabei zu thun haben. O Thorheit! o Verblendung! Wer ist glückseliger[283] gewesen, als jener große Herr und Kavalier in Spanien, bei dessen Tod sogar ein großer heiliger Mann war, nämlich Franziskus Borgias, der ist berufen worden zu besagtem Grande di Spagna, welcher ihm mit eifrigen Worten, wordurch auch ein Felsen seine Hartnäckigkeit hätte sollen verlassen, lang und vielfältig zugesprochen, er solle doch zur Buß, zur Bereuung seiner Sünden schreiten, weil annoch der Lebens-Athem in ihm, und Gott noch zu versöhnen seye, dem aber der Kranke keine andere, als eine gotteslästerige und verzweifelte Antwort geben, er habe bishero wie ein Feind Gottes gelebt, ein solcher wolle er auch sterben. Diese erschrecklichen Worte bestürzten zwar die ganze hohe Cassada und hochadeliche Familie, aber anbei hatten sie die Hoffnung, daß der apostolische Mann Borgias solchen würde auf einen weit andern Weg bringen, wie dann er sich zu Haus vor einem Kruzifix-Bild niedergeworfen, und dessen göttliche Hilf and Beistand demüthigist ersucht, den auch der Herr urbietig erhört, Franzisce, sprach er, ich will ihm meine Hilf nit weigern, förchte aber, es werde mit diesem in Sünden verharteten Menschen wenig verfangen. Ich, sagt Gott der Herr, will in Gestalt des Doctors und Medici mich einfinden, und beede allen Fleiß anwenden, diese arme Seel zu gewinnen. Was ist deine Meinung, was glückseligen Tod glaubest du, werde dieser Mensch genommen haben in Gegenwart Christi Jesu, und des heiligen Manus Franzisci Borgiä? Diese zwei trugen ihm vor die grundlose Barmherzigkeit Gottes mit vielen Seufzern, mit nassen Augen, aber umsonst, die Antwort ist gewest,[284] er wolle nit anderst als mit Leib und Seel zu Grund gehen. Franziscus ergreift das Kruzifix, hält es ihm vor Augen, siehe an, sprach er, deinen Heiland Jesum mit ausgespannten Armen. Er ist urbietig, dich zu umfangen, als welcher dich mit seinem so kostbaren Blut erlöset hat! Ich verlange keine Barmherzigkeit, sprach er mehrmal, Gott kann seinen Pardon im Himmel behalten, ich begehre nichts dergleichen. Endlich redet das geschnitzelte Kruzifix selbst ihn an, und vermahnet denselben zur Beicht, in Erwägung des theuren Bluts, so er vor sein Heil vergossen: aber mehrmalen umsonst, die häufigen Blutstropfen fielen von dem Kreuz herab, aber wieder umsonst, bis endlich das Kruzifix die rechte Hand von dem Kreuz herab gelöset, das Blut aus der Seite genommen, und diesem unglückseligen Tropfen solches in das Angesicht geworfen, weilen du solches nit willst zu deinem Heil, so seye es zu deinem ewigen Verderben. Das heißt ja, wie gelebt, also gestorben.


Nonne Mors est sicut vita. Ech. Ita.


Ich, ja ich, sagt mancher, wenns einmal sollt darzu kommen, will heilig sterben, jetzt muß einer auch mit der Welt halten, hupfen doch die Heuschrecken, warum soll unser eins nit auch einen Sprung wagen? ein junges Blut tracht nach gutem Muth, wenn man allezeit inbrünstig wär, so möcht einer zuletzt gar angebrennt werden; wenn ein gebrochener Fuß wieder geheilt wird, so ist er nachmals viel stärker, als wenn er nie wäre gebrochen worden; wenn ich graue Haar werd haben wie eine Asche, nachmals will ich auch der Faßnacht absagen, und den Ascher-Mittwoch celebriren.[285] Jucundus ist doch ein großer Heiliger gewesen, was soll es schaden, wenn ich unter seinem Namen mein Leben zubringe, aber auf die letzt, wenn das Leben will Feierabend machen, da will ich, ach da will ich mit Gottes Hilf das Miserere cum pleno choro singen, da will ich etc. Willibrordus, ein Heiliger, hat große Mirakul gemacht, Willibaldus, ein Heiliger, hat viel Mirakul gemacht, Willfridus, ein Heiliger, hat schöne Mirakul gemacht, Wilhelmus, ein Heiliger, hat herrliche Mirakul gemacht, Willgefortis, ein Heiliger, hat unterschiedliche Mirakul gemacht etc., aber ob dein Will, Will auch werde Mirakul machen, da zweifle ich, und zweifeln mit mir fast alle heiligen Lehrer, jetzt heißt es zwar bei dir, ich will, es ist aber eine große mächtige Gefahr, obs zuletzt bei dir wird heißen, ich kann. In Brunnen fallen kannst du selbst, aber heraussteigen ohne Hilfe eines andern nit selbst, sündigen kannst du, wann du willst, aber von Sünden auferstehen kannst du nit, wann du willst, sondern wann Gott will, dieser Will ist aber kaum gegen einen einigen aus viel tausend und tausend, die ein lasterhaftes Leben geführt, sondern es bleibt meistens wahr, wie gelebt, also gestorben. Du sollst leben wie ein unfläthiges Schwein, und doch zuletzt sterben mit einem Schein? du? das reimt sich wie ein Polster und Haselnuß. Du sollst immerzu leben wie ein neidiger Hund, und nachmals dein Leben heilig enden in der letzten Stund? du? das reimt sich wie Speck und Strähbüchsen. Du sollst so viel Jahr leben wie ein verstohlener Raab, und zuletzt wie ein Heiliger kommen ins Grab? du? das reimt sich wie[286] Straubing und Kützbichel. Du sollst fast allezeit leben wie ein Luder, und doch zuletzt sterben wie ein Jakobs-Bruder? du? das reimt sich wie Babylon und Glasscheiben. Du sollst deine Jahr zubringen wie ein Poltron, und dennoch zuletzt hoffen die ewige Kron? du? das reimt sich wie Lauten und Muskateller. Du sollst nit anderst leben, als wie ein Teufel, und doch zuletzt selig werden ohne Zweifel? du? das reimt sich wie Stiefel und Sesselknopf. Wohl aber wird bei dir zuletzt seyn, wie der Wein zuletzt in dem Faß, lauter trübes Gleger: bei dir wird zuletzt seyn, wie zu Wien die Prozessiones, allwo jederzeit ein altes, schwaches, rotziges Mütterl zuletzt gehet: bei dir wird zuletzt seyn wie eine Schusterzech, da man zuletzt fast allemal thut raufen und schlagen. Es wird bei dir nie schlechter hergehen, als zuletzt, da wird es sich zeigen, daß Leben und Tod auf einen Thon gestimmt, Tod und Leben über einen Leist geschlagen, Leben und Tod in einen Model gegossen, da wird man sehen, wie gelebt, also gestorben.

Es ist keine Fabel, sondern es bestätiget solches die heilige Schrift selbst, welche mit kurzen Worten beybringt, daß zu Jerusalem 2 junge Soldaten, weiß nit was Ursach halber, auf der Gasse tödtlich blessirt worden, wie solches ihren Müttern zu Ohren kommen, da seynd sie unverzüglich zugeloffen, eine jede ihren halbtodten Sohn in die Arm genommen, ach! sagt eine, ich unglückselige Mutter hab dich unter meinem Herzen neun Monat getragen, und jetzt muß ich dich sehen sterben in meinen Händen! du mein Milch gesogen, und jetzt ein anderer dein Blut! Mutter,[287] sagte der Sohn, heuer ist der Waizen stattlich gerathen, was für ein edles Brod wird werden, und ich kanns nit mehr genießen? darauf ist er gestorben. Ach! klagte die andere Mutter, wie bist du mein Kind, mein herzigster Sohn, in dieses Unglück kommen? du einiger Trost meines Alters! Mutter! sagte er, gib nur dieß Jahr wohl acht, daß der Wein gerecht in die Fässer komme, dann er heuer über alle Massen gut gerathen, daß doch die Presser, die schlimmen Heuter, kein Wasser darunter schütten, unglückselig bin ich, daß ich keines daraus mehr werde Bescheid thun, nach solchen Worten hat er gleichfalls den Geist auf geben. Diese zwei waren bei Lebenszeiten nichts anders als Schlemmer und Freßnarren, dahero im Tod anstatt daß sie hätten sollen ihre Seelen dem allmächtigen Schöpfer aufopfern, haben sie nichts anders geredet, als vom Fressen und Saufen. O das heißt, wie gelebt, also gestorben. Der Saul, grimmig im Leben, nit um ein Haar besser im Tod, da er sich selbsten ermordet. Herodes, blutgierig im Leben, nit um ein Haar frömmer im Tod, da er befohlen, den meisten jüdischen Adel zu erwürgen. Ochozias, abgötterisch und lasterhaft im Leben, nit um ein Haar heiliger im Tod, da er alle Teufel in der Höll zu Rath gefragt. Julianus, gotteslästerig im Leben, nit um ein Haar besser im Tod, indem er dazumal noch mit Lasterworten den Allerhöchsten angegriffen. Joannes Ziska, ein abgesagter Feind der Geistlichen im Leben, nit um ein Haar gütiger im Tod, weilen er befohlen, man solle nach seinem Absterben ihm die Haut abziehen, daraus eine Trommel machen, und den Krieg wider[288] das katholische Priesterthum fortführen. Petrus Aretinus, ein geiler Bock im Leben, nit aber um ein Haar keuscher im Tod, weilen er in den Armen seiner Metze die Seel aufgeben. O Gott! befrag nur die Beichtväter, welche gar oft zu den Kranken und Sterbenden geholt werden, die werden mit mehreren Zeugnissen behaupten, daß es wahr sey, wie gelebt, also gestorben.

O Pater! ich weiß einen Heiligen, der sein Lebtag ein Hauptschelm gewest, und dennoch sich noch in dem Tod also mit Gott versöhnet, dergestalten wohl sich bekehrt, daß er ohne Fegfeuer die Seligkeit erworben, dieser Heilige wird genannt Dismas, er hat sein Lebtag in großen Lastern zugebracht, sein Vater war gleichfalls ein Mörder und Straßen-Räuber; gedachter Dismas war von Jugend auf in diesem saubern Wandel auferzogen, im 50sten Jahr seines Alters gefangen und in Verhaft genommen worden. Glaubens halber ein Hebräer, aber der Geburt nach ein Egyptier ist dieser Böswicht gewest, und derenthalben ist er auf die rechte Hand an das Kreuz genagelt worden, weilen er das Capo und Oberhaupt war einer ganzen mörderischen Rott, hat dieser übel gelebt, und gleichwohl heilig gestorben. Warum ich nit? Pater!

Audi Herr Klaudi! Gott der Allmächtige hat dem Patriarchen Abraham befohlen, er solle hingeheu, und ihm seinen einigen Sohn Isaac auf dem Berg Moria aufopfern und schlachten, welchem der vollkommene Mann emsig ist nachkommen, etliche Scheitel Holz kreuzweis, und nit ohne Geheimnuß, aufeinander[289] gelegt, den Isaac als sein anders Leben darauf gestellt, das Schwert unverweilt gezückt, und den Streich geführt, den Isaac zu enthaupten, es ist ihm aber alsobalden ein Engel in das Schwert gefallen, den Streich verhindert, mit dem Verlaut, daß Gott seinen Willen für das Werk angenommen, und es auch verdienter Massen reichlich bezahlen werde.

Ein andersmal führet der tapfere Jephte eine Kriegsarmee wider die Amoniter, damit er nun sich einen guten Namen mache, und in den heroischen Thaten hereinbringe, was ihm das Glück in der Geburt versagt, massen sein Herkommen von schlechten und niedrigen Leuten, also hat er allen möglichen Fleiß angewendet, die Victori und Sieg über seine Feinde zu erhalten, zu welchem Ende er auch Gottes Hilfe beßtermassen angerufen, und Gott dem Herrn ein Gelübd gethan, wenn er ihm hierinfalls helfe zu seinem gewünschten Zweck, so wolle er ihm die erste Person, die ihm aus seinem Haus entgegen werde gehen, aufopfern. Jephte überwindet, Jephte kehrt glorios nach Haus, Jephte wird empfangen, aber leider von seiner einigen Tochter; ungeacht aber dieß will er dem Allmächtigen sein Wort halten, das Gelübd vollziehen, führet demnach seine liebste Tochter hinaus, zuckt mit vollen und vielen Freuden das Schwert, gemach, gemach. O Jephte, was ist dieß? deine einige Tochter, deine liebste Creatur sollst du also hinrichten? Mein hl. Vater Augustinus, dieser große Lehrer, gibt die Ursach, warum Jephte seine Tochter mit sonderm Jubel habe hingericht, er hat zu Gemüth geführt, was gestalten dem Abraham ein Engel in das Schwert[290] gefallen, da er seinen Sohn hat wollen aufopfern, also hat er auch gehofft, ein Engel werde vom Himmel kommen, und ihm den Streich aufhalten, es ist ihm aber nit also angangen.

Audi Herr Klaudi, aus besagter Geschicht kann man gar wohl abnehmen, was Gott einmal thut, dasselbig nit schuldig sey, das andermal zu thun, Gott hat dem Dismas die Gnad gegeben, daß er heilig gestorben, da er doch gottlos gelebt, so soll er auch dir ein seliges Ende ertheilen, wann du schon dein ganzes Leben in Sünd und Lastern zubringst? welcher nasenwitzige Philosophus hat dir diese Konsequenz eingeräumt? Gott der Herr hat vermög seiner Allmacht dem ganzen Volk Israel die Gutthat erwiesen, daß jedermann mit trucknen Füßen durch das rothe Meer passiret, der Pharao hat geglaubt, es werde ihm und den Seinigen solcher Paß auch vergönnet werden, war aber in der Hoffnung betrogen, massen er samt dem ganzen Kriegsheer von den Meerwellen zugedeckt worden, dann was Gott einem thut, folgt gar nit, daß er es auch einem andern thut. Gott hat auf eine Zeit ein großes Mirakul gewirkt, indem eine grausame Feuersbrunst gedämpft worden, sobald das geweihte Wachs von Pius V. darein geworfen, nun will ich so cortes mit dir seyn, und dir einen solchen Partikul vom besagten hl. Mann spendiren, gehe demnach hin, und zünde dein Haus an, und lösche nachmals die Brunst mit solchem geweihten Wachs, ich, sagst du, laß solches wohl unterwegs, dann daß solches Wunderwerk sey einmal geschehen, will ich es nit verneinen, aber daß es noch einmal, da bin ich nit vergewißt, auf Mirakul[291] ist sich nit allezeit zu verlassen. Du redest über alle Massen sehr weislich, aber gedenk auch anbei, daß es eine gestaltsame Gleichheit habe mit dir und dem rechten Schächer am Kreuz, dieser hat übel gelebt, aber mirakuloser Weise heilig gestorben, so willst du dich dann auch auf dergleichen Mirakuln verlassen, welches aus so vielen tausend und tausend kaum einer zu hoffen hat? O Verblendung! auf ein ungewisses Vielleicht dein ganzes und ewiges Seelenheil zu bauen.

Was Neues, Herr Sigmund? lüg einmal eins auf eine halbe Stund, Neues weiß ich nichts, als daß der feldische Hans Karl gestorben, was? der feldische Hans Karl? nit anderst, heut wird er begraben, Jesus! was sagst du, er gestorben? er hats kurz gemacht, vor 3 Tagen hat er sich gelegt, gestern zwischen drei und vier ist er eine Leich gewest, mit harter Müh, daß wir noch einen Geistlichen zu ihm gebracht haben, er hat gar hart daran wollen, tröste ihn der liebe Gott, weil er nur gebeichtet hat, dann er hat ja einen liederlichen Wandel geführt, jetzt können die Wirthshäuser anstatt des Zeigers einen Flor heraus hängen, potz tausend Krebsurschl, was wird die Baberl in der Jungfraustrasse beim gläsernen Strumpf jetzt anfangen? er hat sie bishero allezeit ausgehalten, tröste ihn Gott, weil er gleichwohl gut gestorben, das ist eine sondere Gnad von Gott.

O was unzeitige Urthel seynd diese? mit was kurzem Prozeß und geringen Unkosten kanonisiren wir dergleichen Leute! indem doch tausend und tausend solche Beichten und Bußen nit recht noch gültig seyn.[292] Dann erstlich ein solcher verläßt die Sünden nit, sondern wird von Sünden verlassen, ist also bei ihm die Unmöglichkeit zu sündigen, nit aber der feste Wille, die Sünde zu verlassen, dann wann ihm der allmächtige Gott das Leben erstreckte auf tausend Jahr, so würde er so lang von den Sünden nit abstehen, bis die tausend Jahr zum Ende gingen, nachmals aber thäte er sich bekehren, nit, weil er will, sondern weil er muß. Zum andern, wird aus tausend und tausend solchen letzten Beichten derer, so allezeit übel gelebt, kaum eine dasjenige haben, was nothwendig dazu erfordert wird, massen der Allmächtige durch sein gerechtes Urtheil also verhängt, daß solche nit können auf den rechten Weg kommen, wann sie auch schon wollen, weil sie so lang haben gekonnt, und nit wollen, jetzt wollen sie? und können nit.

Zu Sodoma haben bei dem Loth zwei Engel in Gestalt zwei schöner Jünglinge eingekehrt, und die Nachtherberge genommen, gestalten der fromme Mann gegen die Fremden gar freigebig war, sobald solches den Sodomitern zu Ohren kommen, daß hübsche junge Leut angelangt, so haben sie bei nächtlicher Weile mit aller Gewalt des Loths Haus wollen stürmen, aber der allmächtige Gott hat diese vermessenen Böswichter wunderbarlich gestraft, indem die lasterhaften Gesellen die halbe Nacht um das Haus herum gangen, doch also verblendet worden, daß sie keine Thür haben können finden, bald hinum, bald herum, bald rechts, bald links, bald oben, bald unten, geschaut, gesucht, tappt, griffen, aber keine Thür gefunden mit Lichtern, mit Laternen, mit Fackeln alles ganz[293] genau ausgesucht und umgeschaut, aber keine Thür gefunden, und folgsam mit der langen Nase nach Haus gangen.

Auf gleiche Weise thut Gott handeln mit einem sündigen Menschen, welcher seine Bekehrung bis in den Tod gespart und aufgeschoben, dieser wird dazumalen in sich selbst gehen, wird die Gnadenthür Gottes allerseits suchen, aber der gerechte Gott durch Entziehung seiner Gnade wird ihn also verblenden, daß er solche Thür nit wird finden, und so lang mit seinem verstarrten Gemüth, mit seinem vor Furcht zappelnden Herzen, mit seinen verwirrten Gedanken herumtappen, bis ihn elenden Tropfen der Tod ergreift, der göttliche Richter im Zorn erscheint, und die Seele durch gerechtes Urthel zu dem ewigen Untergang gezogen wird. Es wird mehrmal ein solcher Sterbender seufzen, er wird die Augen voller Wasser haben, er wird das Kruzifix küssen, er wird auch Jesus und Maria dem Beichtvater nachsagen, unterdessen aber werden solche äußerliche Zeichen nit aus Liebe zu Gott, nit aus Reue der Sünden, sondern aus Furcht des Todes erweckt, dann Gott gibt ihm die Gnade nit, rechte Reu und Leid zu erwecken. O gütigster Jesu, dies soll ja jemand wohl erwägen.

Was Neues, Herr Sebastian? bring etwas Neues auf die Bahn, Neues genug, sagt er, der alte Herr Büernschell ist heut Frühe ad Patres gangen. Ist er einmal hin? tröste ihn Gott, jetzt findt sich mehr eine junge Wittib, die wird ihr die Haar ausgerauft haben? was dann, sie seynd herum geflogen, als wanns Kehrwisch thät regnen. Sie wird geweint und geseufzt[294] haben? ich glaube wohl, ein Seufzer hätte gar leicht können eine ganze Muth oder Malter geschnittnes Stroh hinweg blasen. So ist er einmal hin? der wird ein Schönes verlassen haben? dann er war so karg, daß er den Salat wie eine Gais gefressen, ohne Essig und Oel. Ist er gut gestorben? ja, gar gut, er hat gebeicht, ist mit dem höchsten Gut versehen worden, auf die Letzt hat sich der alte Kauz gleichwohl stark gewehret um sein Leben, tröste ihn Gott, weilen er nur gut gestorben.

Solche alberne Urthel fällen wir Menschen fast täglich, und glauben unschwer, daß ein solcher Geizhals nach wenigem Fegfeuer, um weilen er dergestalt gestorben, den geraden Weg in Himmel eingelassen werde. O wie weit! o wie oft fehlen wir in dergleichen Dingen! Dieser hat die ganze Zeit seines Lebens nach Geld und Gut getracht, hat Tag und Nacht ärger gescharret als eine Brut-Henne vor dem Stadelthor, hat früh und spat ärger geschaben als ein Löffel-Macher, und soll auf die Letzt so gut gestorben seyn? das nit, das nit, aus tausend und tausend oft keiner nit. Ein solcher wird dem Beichtvater sagen, er habe Reu und Leid, unterdessen bestehet diese Reu und Leid nur in Worten, nit aber im Herzen, das Herz wird noch voller Geld-Gierigkeit seyn, es wird in größten Trübnissen stecken, und gleichsam strudeln wie die Erbes in einem siedenden Hafen oder Topf, nit darum, weil er Gott beleidiget, sondern darum, weil er so viel Hab und Güter muß verlassen, darum, weil sein gespartes Gut in fremde Hände kommt, darum, weil eine so schöne[295] Baarschaft ein verschwenderischer Zehrer gelangt. O Pater! da müßt ich wohl ein thörichter Mensch seyn, wann ich dazumal nit auch wollt im Herzen rechte Reu und Leid erwecken, ich sag dir aber mehr und abermal, du wirst die Gnade von Gott nit haben, solche rechte Reu ins Herz zu bringen, sondern Gott verhängt, daß du also sterbest, wie du gelebt. Antonius Paduanus, wie ich anderwärts gemeldet, hat einem geizigen Herrn eine Leich-Predigt gemacht, und wider alles Verhoffen der anwesenden Freundschaft in diese Wort ausgebrochen, daß dieser verstorbene Geld-Egl bereits in der Hölle schwitze, sein Herz aber werde man finden bei seinem Geld zu Haus, welches dann in der Wahrheit alles zugetroffen. Dieser hat doch vor seinem Tod gebeichtet, hat nach christlichem Brauch die heil. Sakramente empfangen, hat mit der Hand an die Brust geschlagen, und ist dannoch zum Teufel gefahren, warum? darum, Gott hat ihm sein Geld-gieriges Herz, welches er sein Lebtag gehabt, im Tod nicht verändert, hat seine göttliche Gnade, die er ihm bei Lebzeiten so vielfältig dargeboten, und er solche geweigert, jetzt beim Tod entzogen und ihn also in dem altem Wahn lassen sterben und verderben. Dann wisse mein sündiger Mensch, daß du mit allem natürlichen Fleiß keine rechte Reu und Leid nit kannst erwecken, ohne sondere göttliche Hilf und Beistand, und diese aus tausenden gibt es nit einem, der da übel gelebet.

Wie auf eine Zeit die Apostel in einem Schiff auf dem Meer fuhren, und war es bei der Nacht, da hat sich Christus der Herr sehen lassen, die Aposteln[296] aber haben ihn nit gekannt, sondern es hat ihnen der Buckel graust, denn sie glaubten, es wäre ein Gespenst, oder gar der Bau, Bau etc., als er aber sie freundlich angeredet, da war Petrus eifriger als die andern, und wollte kurzum bei seinem Herrn seyn, machte dahero sich unverweilter aus dem Schiff, tritt das Wasser wie einen krystallenen Boden, gehet daher auf dem Meer wie auf einer Wiese, als er aber von einem starken Wind angetastet worden, und er derenthalben geforchten, da hat er angefangen zu sinken, und so ihm Christus der Herr seine Hand nit hätte dargeboten, und ihm geholfen, so wäre Petrus ersoffen und zu Grund gangen. O Gott! O Gott! bei einem Haar wäre Petrus zu Grund gangen, indem doch der Herr Jesu selbst gegenwärtig war, wie wird es erst mit einem im Todbett ergehen, allwo sich unser lieber Herr nit einfindet? er findet sich aber nit ein bei dergleichen Sündern, welche ihre Pönitenz und Buß, ihre ganze Bekehrung bis zum Tod aufschieben; in Abwesenheit aber Gottes und seiner Gnade kann es nit anders seyn, als daß ein solcher elend zu Grund gehe.

Der allmächtige Gott hat neben andern auch in dem alten Testament von seinem Opfer verworfen die Schwanen, Spatzen hat er angenommen, die seynd geopfert worden, Tauben hat er angenommen, die seynd geopfert worden, aber Schwanen hat er nit angenommen, dahero auch solche nit geopfert worden, warum? mein Gott! warum? seynd doch die Schwanen Vögel, welche die Liverei der Unschuld in ihren weissen Federn tragen, seynd sie doch Vögel, welche[297] sich meistens aufhalten im Wasser, welches Element gleich von Anbeginn der Welt von dem Schatten des emporschwebenden Geistes Gottes geweiht worden; seynd sie doch Vögel, so mitten im Wasser nit naß werden, und dergestalten ein lebendiges Sinnbild der seligsten Mutter Gottes, welche in Mitte der Adamskinder empfangen und geboren worden, doch unbefleckt und ohne einigen Mackel. Mir wäre ein Schwan lieber, als ein ganzer Taubenkobel, lieber, als ein ganzes Dach voll Spatzen, und dannoch hat Gott von seinem Opfer Spatzen und Tauben nit verworfen, wohl aber die Schwanen, welcher Vogelfeind muß die weisse Tropfen also bei Gott verschwärzt haben? Es ist zu wissen, daß die Schwanen ihr Lebtag stillschweigen, sich niemals hören lassen, wie andere Vögel, als wann ihnen die Natur die Stimm versagt hätte, wann sie aber merken, daß ihr Leben zu Ende gehet, und der nagende Tod herbei rückt, da fangen sie an, lieblich zu singen. Solche, solche Vögel hasset der allmächtige Gott, welche die Zeit ihres Lebens niemals mit zerknirschtem Herzen zu Gott geschrieen, in dem Beichtstuhl vor dem geistlichen Richter sich niemals recht hören lassen, ausgenommen, wann der Tod herzu schleicht, da heißt es, laufts, schnaufts um einen Beichtvater, geschwind wie der Wind, um einen Beichtvater, da macht man eine schnelle Raitung über Pausch, da klopft man an das Herz, da schnappt er mit dem Maul, als wollt er die Himmelsthür mit den Zähnen aufbeißen, da seufzet er Jesus! Jesus! da wirft er die Augen hin und her, als such er sich ein besonders Ort in dem Himmel aus, also stirbt[298] er, also sagt man, tröst ihn Gott, weil er nur gebeichtet hat.

O Thorheit! wer will es glauben, daß in einer so kurzen Zeit der elende Mensch den ganzen Inhalt seines Leben in Mitte unter den Schmerzen und Todesängsten hab können zusammenbringen? wer will es aussagen, daß ein solcher in Gegenwart vieler tausend teuflischer Larven, in Anschauung des aufgesperrten Höllenrachens, in Erwägung der unendlichen Ewigkeit, in Erblickung des ganzen so übel zugebrachten Lebenswandels, in Betrachtung des so vielmal verschwendeten Bluts Jesu Christi, in Anschauung der göttlichen Ungnade etc., wie kanns seyn, daß ein solcher eine rechte Reu und Leid erwecke? dazumal, wann sich Gott von ihm absondert, wann Gott ihm selbst die Ohren zuhält, als spreche er, ich habe dich elende Kreatur so vielfältig ermahnet, so oft dir zum Herzen geredet, so oft dir durch die Prediger zugeschrieen, so oft dir durch so viel erwiesene Gutthaten die Anleitung gegeben, daß du dich solltest bessern, dich bekehren, so hast du aber halsstarriges Geschöpf mir als deinem Erschöpfer nie kein Gehör gegeben, mir als deinem Erlöser allezeit den Rücken gezeigt, mich als deinen Gott nie angehört, jetzt lache ich auch an deinem Untergang, und da ich dir helfen könnte, hilf ich nit, weil ich dir so oft hab helfen wollen, und du solche Hilfe geweigert: Quaeretis me, et non invenietis, et in peccato vestro moriemini.

So laßt uns dann nachfolgen dem David, solchem von Gott erwählten König, als dieser noch in jungen Jahren, und bei dem König Saul sich angemeldet,[299] daß er wolle in eigner und einiger Person wider den ungeheuren Riesen Goliath streiten, auch solches unschwer ihm verwilliget worden, da hat sich solcher alsobald zu einem Bach begeben, daselbst die besten und tauglichsten Steine, in der Anzahl fünf, auserlesen, und in seine Hirtentasche gesteckt, nachmals geraden Wegs sich verfüget an den bestimmten Ort, allwo sein Gegentheil sich eingefunden. Aber liebster David, du Trost des ganzen Volks Israel, sag her, warum machst du jetzt eine Provision mit Steinen? was willst du dich umsonst also beschweren? vielleicht gibt es wohl bessere an demselben Ort, wo der Goliath, dieser Großschädel, deiner wartet? Ich trau nit, sagt David, ich will mich vorhero wohl versehen, es möchte seyn, daß ich am selben Ort keine Steine thät antreffen, oder da ich einen oder den andern thäte ausklauben, unterdessen mir mein Widersacher den Rest gebe, ich trau nit, jetzt ist es besser, jetzt ist es sicherer, daß ich mich versehe.

Allerliebste Adamskinder, ich falle euch zu Füßen, und bitte euch um die Wunden Jesu Christi, ich bitte euch, daß ihr doch diesem so bescheidenen Fürsten wollet nachfolgen. Ein Streit, und zwar ein überaus gefährlicher Streit ist uns gewiß im letzten Sterbstündl mit dem höllischen Goliath. O wie viel tausend und tausend werden von diesem so grausamen Feind überwunden! die Waffen wider diesen so allgemeinen Widersacher seynd wahre Beicht, wahre Bereuung der Sünden, es möchte nun seyn, wie es leider öfters geschieht, daß wir dazumal solche geistlichen. Waffen nit könnten finden, theils ob Schwachheit unsers[300] Leibs, theils ob des gar zu verwirrten Gemüths und theils ob des zu hart über Hals dringenden Feindes. So laßt uns dann jetzt, da wir noch Zeit und Gelegenheit genug haben, eine Provision mit dem David machen, laßt uns jetzt nit Morgen, o Morgen voller Sorgen! jetzt uns in Bereitschaft stellen, jetzt, jetzt, da uns der Himmel noch offen stehet, wie den fünf weisen Jungfrauen, jetzt, jetzt, da uns noch der Heiland seine Gnade anerbietet, wie der Samaritanin bei dem Brunnen, jetzt, jetzt, da uns noch der Herr Jesus seine fünf heiligsten Wunden offerirt zu einer Ersättigung, wie die fünf Gerstenbrod dem Volk, jetzt, jetzt, da uns das heilige Sakrament noch einen Schwemmteich abgibt zu Jerusalem, jetzt, jetzt, da uns noch die Wunden der Seele können geheilt werden, wie jenem Reisenden von Jerusalem nach Jericho, jetzt, jetzt, da noch Maria eine Rebecca abgibt, die uns den Segen und Benediktion Gottes zuwege bringt, jetzt, jetzt, da uns Gott noch ruft, dann es möchte seyn, wie es schon so viel tausend und tausend begegnet, daß uns Gott in den letzten Sterbsnöthen nit möcht rufen, jetzt, jetzt, da er schreiet: »Convertimini ad me in toto corde vestro, bekehret euch zu mir, mit ganzem euren Herzen! etc.,« cito, cito, citissime.

Quelle:
Abraham a Sancta Clara: Judas der Erzschelm für ehrliche Leutߣ. Sämmtliche Werke, Passau 1834–1836, Band 5, S. 256-301.
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