Judas stiehlt das Geld aus der Kasse des apostolischen Kollegii, und gibt es seinem Weib und Kindern.

[353] Der heilige Vater Augustinus, Lyranus, Dionysius, Kartusianus und viel andere mehr seynd der Meinung und Aussag, gleichwie in dem ersten Buch Meldung geschehen, daß Judas sey verheirath gewesen, und Weib und Kinder gehabt; weil aber selbe etwan bei geringen Mittlen waren, oder aber er gegen sie eine so heftige Lieb getragen, also hat er das meiste, was er diebischer Weise an sich gebracht, seinem Weib und Kindern angehängt. Dieser Meinung ist der gelehrte P. Thomas Le Blanc in Ps. 108 V. 9 Art. 4. O! wie viel gibt es dergleichen Judas-Brüder? Signore auf Welsch, Domine auf Lateinisch, Narr auf Deutsch, ich hab mit dir zu reden. Du bist wie ein Meer, so allzeit will mehr, ob es schon so viel tausend Jahr alle Flüß und Wässer des Erdbodens an sich gezogen, und an sich gesogen, so hat es dannoch noch nicht genug; du bist wie eine Cistern, so sich nur mit fremdem Wasser bereichet; du bist wie ein Schwamm, so auch des Nächsten Schweiß und Blut an sich ziehet; du bist wie eine Henne, so sich unterstehet, auch auf fremdem Mist zu kratzen und Nahrungsmittel zu suchen; du bist wie ein Opferstock, so Tag und Nacht das Maul aufreißt, das Geld zu[354] schlicken; du bist wie ein Krebs, so auch dem Nächsten zum größten Schaden um sich frißt; du bist wie eine Dornhecke, die sogar einen Heu- oder Strohwagen, der vorbei fährt, nicht ungerupft läßt; du bist wie ein reißender Fluß, der auch diebischer Weis fremden Grund untergräbt, und folgends hinweg zwickt. Du schwitzest mehr als ein Postklepper, du laufst mehr als ein Landbot, du wackest mehr als ein Goggelhahn, du grabst mehr als ein Maulwurf, du sammelst mehr als eine Ameis (besser geredet) du stiehlst mehr wie ein Raab: Narr, Narra, so sag mir aber, zu was Ziel und End du solches ungerechtes Gut zusammen rafflest? Darum, antwortest du, darum, damit heut oder morgen mein Weib und Kinder ein guts Stückel Brod und eine ehrliche Unterhaltung haben. O bethörter Tropf! du irrest weit, du mußt wissen, daß du solchergestalten deinem Weib und Kindern das Brod vom Maul wegnehmest; dann das ungerechte Gut hat bei den Erben keine größere Beständigkeit, als der Butter an der Sonne.

Die Kinder Israel seynd wunderbarlicher Weis in der Wüste von Gott dem Herrn gespeist worden, und zwar mit dem edelsten Himmelbrod oder Manna, welches sie alle Tag gesammlet, jedoch mit dem Geding, daß sie über Nacht nichts darvon sollen aufbehalten: Quidam ex eis etc. Etliche aber aus ihnen, verstehe geitzige Narren, seynd solchem Gebot nicht nachkommen, sondern einiges Manna in gewisse Geschirr, in Kisten und Kästen eingesperrt, und aufbehalten, aber was Nutzen ist daraus entsprossen: Scatere coepit vermibus etc. Es ist alles verfault[355] gewest, stinkend worden und voller Würm. Da sehe einer, was unrecht aufgehebt wird, das verdirbt, das kann man nicht genießen.

Sigismundus Ignatius von Reichershausen, Herr zu Furtenberg und Diebing etc., ist mit den Unterthanen umgangen wie der Bauer mit den Feldern, hat einen kaiserlichen Dienst gehabt, aber der Kasse öfter Antimoni eingeben, und erbärmlich dieselbe purgirt, sein bester Wirthschafter oder Hausverwalter, hat der Modus geheissen, der kann sich in alle Sachen schicken, wie ein Schampedesi-Hut, der kann und weiß a parte etwas zu gewinnen; von a parte kommen die Partiten her etc. Dieser ist gestorben, und hat der Frau wie auch den Kindern eine großmächtige Baarschaft hinterlassen; eine solche Menge der Dukaten, daß man dem Dächel zu Innspruck konnte einen Bruder ausstaffiren, Haus und Hof so voll mit stattlichen Mobilien, daß man die Arche Noe hätte können mit ausfüllen. Es ist aber kaum drei Jahr angestanden, da ist aus der Menge ein Mangel geworden, da ist das Haus zu einem Aus worden, da ist der Beutel so eitel worden, daß jetzunder die Wittib als eine Hausarme die Prediger plagt, sie sollen eine gewisse nothleidende Person verkünden, die Zuhörer um eine christliche Beisteuer ermahnen, das Geld nur in Weihrunnkessel legen etc. Und zwar gar bescheid, damit es der Teufel auch nicht hole, gleich wie das andere etc. Ein Sohn dieses reichen Herrn hat in wenig Wochen das Seinige verspielt und zu Karthago im Spital gestorben; der andere ist Meßner worden, Gott gebe, daß ihm nicht ein anderer Strick[356] zu Theil wird; die Tochter zieht herum, und schätzt ihrs ein absonderliches Glück, wann sie könnte einen Mausfallen-Kramer heirathen, dann sie des Specknaschens schon gewohnt etc. O mein Gott und mein Herr! wo ist dann so großes Hab und Gut so bald hinkommen? wohin?

Frag nicht, verwundere dich nicht, Scatere coepit vermibus etc. Was unrecht aufbehalten wird, das verdirbt, wie das Manna der Israeliter. Ein ungerechtes Manna, ein ungerechter Mammon geht zu Grund oft über Nacht, es bekommt Flügel, und fliegt aus, niemand weiß wohin? es entwischt und schlürft aus wie ein Aalfisch aus den Händen, es verdorrt und ganz gäh wie die Kürbisblätter des Jonä; es verschwindt wie das Quecksilber oder Gehweck-Silber, im Feuer; ein gemeiner Bach bereicht sich zuweilen mit fremdem Wasser, so er bei großem Regen-Wetter an sich bekommt, aber verlierts bald wiederum; der Mondschein stiehlt das Licht von der Sonne, prahlt aber eine kurze Zeit mit dem Schein, und wird bald wiederum ganz mager wie ein Sigel. Ein mancher schabt durch Wucher und Ungewissen viel Geld zusammen, verläßt selbiges den lachenden Erben, aber diese genießen es eine kurze Zeit, nachmal verschwindet alles, und nimmt noch den gerechten Pfenning mit sich; gleich wie ein alter fauler Baum, so im Wald von großem Sturmwind umgeworfen wird, auch mit sich einen grünen jungen Stamm zu Boden schlägt.

Der Achen hat durch gewissenlosen Vorthl und unzuläßige Weise die Seinigen wollen bereichern und[357] also seinem Haus über sich helfen, aber nicht allein um all das Seinige kommen, sondern ist noch mit der ganzen Freundschaft in Asche aufgangen und im Feuer verbrennt worden, der im Stehlen und Rauben nicht gefeiert hat.

Der Saul hat wider den ausdrücklichen Befehl des Samuel sehr stattlichen Raub von den Amalekitern an sich gebracht und geglaubt, durch solche Mittel, obschon unzuläßige, seine ganze Freundschaft reich und mächtig zu machen. Er hat aber dadurch sich und die Seinigen in das äußerste Verderben gestürzt.

Der Achab hat einen einigen Weingarten durch Unbilligkeit dem Naboth abgedruckt; es ist ihm aber der Wein, so darin gewachsen, zu einem so scharfen Essig worden, daß er ihm nicht allein das Leben abgefressen, sondern eine solche Kolika oder Reißen unter seinen siebenzig Kindern verursacht, daß sie alle und das Ihrige alles inner 15 Jahren dergestalt verzehrt worden, daß nicht ein Vetter weder Fetzen mehr übergeblieben.

Ein Weib hat sich auf eine Zeit auch unterstanden neben andern Kirchfahrten dem hl. Venantino ein schönes wohlgearbeitetes Schaaffell zu opfern; aber als sie solches wollt auf den Altar legen, da ist augenblicklich alle Woll verschwunden, und das Fell einem kahlen Pergament gleich gesehen, worüber sie öffentlich bekennt, daß sie solches Lämmel, wovon das Fell gewesen, entfremdet hätte.

Eine gestohlene Wolle verschwindet, das merke ein jeder. Ein mancher spart und scharrt viel Gut und Geld zusammen, welches er den Nächsten durch allerlei ungerechte[358] Griffel abgetragen und geglaubt, es werde auch sein Weib und Kinder hievon wohl, stehen, wohl leben, sich wohl erhalten; aber ich versichere ihn, daß dieses Wohl wie das obige Wohl unverhofft verschwinde; dann ein ungerechtes Gut pflegt durchzugehen, wie der Maulesel des Absalans. Das Wörtl Mausen hat zweierlei Ausdeutung. Mausen heißt so viel als stehlen, so will auch Mausen so viel als die Federn verlieren, und gleichsam blos werden, wie man insgemein zu reden pflegt, die Henne maust, der Vogel maust etc. Wer auf die erste Art mausen thut, und ungerechtes Gut an sich bringt, der ist schon vergewißt, daß er auch ebenfalls auf die andere Weise mausen muß, wo nicht er, wenigst seine Erben, so da wunderbarlicher Weise um das Ihrige kommen, und letztlich sogar entblößt werden, daß sie mit der Zeit kaum einen Fetzen anzulegen haben. Wir sehen öfter, wir erfahren täglich, wir hören so vielmal, was Güter und Habschaften gleichsam augenblicklich verschwinden, wie die Glori auf dem Berg Thabor, dessen aber keine andere Ursache, als weil fremdes Gut dabei. Wer nun ungerechtes Gut und Reichthum seinem Weib und Kindern hinterlasset, der gibt ihnen nichts als ein Vater, sondern nimmt ihnen als ein Tyrann und Räuber; dann hiedurch gerathen sie in die größte Noth und meistens ganz an Bettelstab, weil ein ungerechter Pfenning auch einen gerechten Groschen frißt und verzehrt. Gesetzt aber (welches doch selten geschieht) daß ein solches ungerechtes Gut bei Weib und Kindern und ferners bei Erben des Hauses beständig verbleibe, und die ganze Freundschaft hiedurch in[359] gewünschtem Wohlstand verharre. Was hilft es dich, du bethörter Tropf! wann es ihnen wohl gehet, du aber dessentwegen ewig, merk es doch um Gottes Willen, ewig in der Höll brennen und braten mußt? Ist es dir dann ein Trost, wann dein hinterlassenes Weib in einer herrlichen Behausung wohnt, du aber in dem höllischen Kecker an ganz glühende Eisen und Ketten angefesselt bist? ist es dir dann eine Erquickung, wann deine Söhn ein stattliches Panquet um das andere halten, und das mit Unrecht von dir ersparte Geld verschwenderisch anbringen, du aber mit zerlassenem Pech deinen Schlund mußt lassen durchbrennen? Hilft es dir dann, wann deine Tochter Geld halber zu einer vornehmen Heirath gelangt, und anjetzt eine gnädige Frau worden, dir aber dermalen die Gnad Gottes auf ewig versagt ist? bringt es dann dir eine Freud, wann Weib und Kinder im besten zeitlichen Wohlstand seyn, du aber ewig, ewig verloren? O Narren, die Weib und Kind halber zum Teufel fahren!

Des tyrannischen Kaisers Nero Frau Mutter, aus angebornem Ehrgeiz hätte so gern mögen sehen, daß ihr Sohn Nero, als Kaiser zu Rom konnte herrschen, derenthalben hat sie auch die kaldäischen Wahrsager um Rath gefragt, wie daß ihr Sohn zu dieser höchsten Dignität werde gelangen, aber sie werde von ihm ermordet werden. Worauf Agripina (so war ihr Name) alsobald in diese Wort ausgebrochen: »Occidet, dummodo imperet. Lasse geschehen, lasse ermorden, wann er nur promovirt wird.« O elende Agrippina! dazumal seynd dir andere Gedanken eingefallen, ja du bist sogar in einen unsinnigen Zorn ausgefahren, wie er dir den blutigen Tod hat angekündet.[360]

Herr, ihr müßt es mir vergeben, daß ich etwas zu offenherzig mit euch rede. Das Geld, welches ihr mit Wucher, mit Diebstahl, mit Betrug zusammen scharrt, das wird zwar so viel vermögen, daß euer Sohn hoch komme, ein Edelmann ein Landmann, ein vornehmer Herr werde, aber ihr fahrt derenthalben zum Teufel. Was höre ich für eine Antwort? Er schweigt still, verharret aber zugleich in voriger Bosheit, gibt das gestohlene Gut nicht mehr zurück; das ist eben so viel, als thät er mit Agrippina sprechen: Occidat, dummodo imperet: wann nur mein Sohn hoch kommt und reich wird, soll ich auch derenthalben ewig verloren werden. O unermeßliche Thorheit! anderst wird man reden, wann man schon vertieft sitzt in den ewigen Flammen. Dort wird man vermaledeien die Stund, da solche Kinder geboren, derenthalben sie in der Höll sitzen; man wird vermaledeien den geringsten Pfenning, den sie ungerechter Weis wegen der Kinder zusammen gebracht; man wird vermaledeien den Stand, in dem sie die Kinder mit solchen Mitteln gestellt haben; man wird vermaledeien Hab und Gut, so sie den Kindern hinterlassen; man wird vermaledeien Gott und den Himmel selbst, um weil sie diese weniger geacht, als ihre Kinder; man wird vermaledeien die eigne Seel, weil sie sich mehr befließen auf das zeitliche Wohlergehen der Kinder, als auf ihr ewiges Heil.

O! wie recht redet solche unbesonnene Kinder-Narrn an der apostolische Mann Salvianus: Solche, sprich ich, der Kinder halber verdammt werden. Amate, non obsistimus, amate filios vestros, sed tamen[361] secunde a vocis gradus; ita illos diligite, ne vos ipsos odisse videamini, inconsultos namque et stultus amor est alterius memor, sui immemor.

Liebet eure Kinder, wider dieses hat Niemand was, liebet sie, aber euch voran, liebet sie dergestalt, daß ihr euch selbsten nicht hasset; dann eine unbedachtsame und thörichte Lieb ist diejenige, so an andere gedenkt, und seiner selbst vergißt etc. Soll dann mehr gelegen seyn an dem zugänglichen Wohlstand eures Weibs, Kinder, Vettern, oder Befreundten, als an eurer eignen Seel? liebet sie in Gottes Namen, diesem widersprech ich nicht, aber liebet sie solcher Gestalten, daß ihrethalben eure Seel nicht in Verlust gehe: suchet dero zeitliches Heil, aber daß euer ewiges nicht in die Gefahr komme.

Aber höre, der du in fremdem Gut steckest, wie ein Zwifel in den Häuten, und einen so harten Magen hast, daß dich Niemand advomitum kann bewegen, damit nur deine Kinder wohl stehen, warum liebest du sie dergestalten, daß du ihrenthalben willst ewig verloren werden, indem sie dich so wenig lieben, ja kaum erwarten können, bis du die Augen zudrückest, und sie die gewünschte Erbschaft erlangen können? Nachdem der Jakob die zwei Schwestern, nämlich die Lia und Rachel geheirath, und sich in dem Haus des Schwieger-Vaters eine geraume Zeit aufgehalten, da wollt er wiederum in sein liebes Vaterland Kanaan reisen; voran aber beide Weiber befragt, ob sie Lust hätten mit ihm zu gehen? worauf sie alsobalden geantwortet, ja gar gerne; dann unsere Erbs-Portion haben wir bereits schon empfangen, und künftiger Zeit[362] nichts mehr zu hoffen, das übrige fällt alles auf unsere Brüder. Nunquid habemus residui aliquid in haereditate Patris nostri! So, höre ich wohl, ihr Kroten, unangesehen eure Vater und Mutter alt und betagt, und bei solcher Zeit euer Hülf und Beistand wohl vonnöthen, so verlaßt ihr sie dannoch; weil ihr nämlich von ihnen nichts mehr zu hoffen, und das Eurige schon bekommen? So stehe ich wohl, daß ihr eure Eltern nur lieb habt wegen der Erbschaft? Was dann: das ist gar nichts Neues. Aber daß ein Vater will der Kinder halber zum Teufel fahren, das ist etwas Neues.

Ganz gemein ist jene Geschicht, so sich mit einem reichen Wucherer zugetragen: wie dieser tödtlich erkranket, und bereits keine Hofinung mehr eines längern Lebens, da hat er alsobald, und zwar gar sorgfältig, ein Testament aufgericht, worin er sein Weib und Kinder zu Universal-Erben eingesetzt. Ein verständiger Pater, so dazumal gegenwärtig gewest, hat ihm mit ernstlichen Worten eingerathen, er solle seine Seel und Seeligkeit in Obacht nehmen, und vielmehr im Testament verschaffen, damit das ungerechte Gut möchte erstattet und zurück geben werden, denjenigen, denen ers gewissenlos abgenommen. Wahr ist es, gab hierauf der reiche Gesell zur Antwort, wahr ist es, daß hart sey die Höll auszustehen, aber herentgegen gedünke ihn nicht weniger hart, Weib und Kinder in Armuth zu stürzen; dann sofern er alles, was ungerecht, sollt zurück geben, so würde gar eine kleine Portion überbleiben. Der Pater hielt noch inständiger an, diesen irrenden Tropfen auf den rechten Weg zu bringen,[363] aber seine Arbeit und Mühe ist so fruchtlos gewesen, als hätte er eine ganze Zeit einen Raben gewaschen. Endlich durch des Paters geheimen und schlauen Anschlag trug der Medikus und Arzt vor, wie daß dem guten Herrn noch könnte geholfen werden, wann jemand aus seiner nächsten Blutsverwandschaft möchte nur so lange den Finger über eine Glut heben, bis zwei oder drei Tropfen thäten herunter schweißen, wormit die Brust geschmiert konnte werden, und solches dieses das wertheste, und zwar ein unfehlbares Mittel sey des völligen Aufkommens. Den Gesellen kitzlete noch die Hoffnung eines weiteren Lebens, und läßt alsobald sein Weib zu sich rufen, bittet sie beßtermassen um diese Lieb; da behüt mich Gott, sagt diese, das mag ich nicht, das kann ich nicht. Er hält ferner bei seinen Söhnen und Töchtern an um diese Lieb; ein jedes aber aus ihnen schüttelte den Kopf, und nahm den Abschied. Auf solches hat sich der Pater mit einem sondern Eifer und Ernst zu dem Kranken und halb Todten gewendet: da sehet ihr, elender und unglückseliger Tropf, sprach er, eurentwegen will weder Weib noch Kinder nur eine Viertelstund einen einigen Finger über das Feuer halten, und ihr wollt wegen ihrer mit Leib und Seel auf ewig in dem höllischen Feuer brennen? Mit dieser Pedarden hat er endlich das harte Herz des reichen Wucherers übergewältiget, daß selbiger nicht mehr angesehen das Blut der Seinigen, sondern das Testament gänzlich verändert, einen jeden, den er falsch hintergangen und um das Seinige gebracht, wieder befriediget, Weib und Kinder aber der göttlichen Vorsichtigkeit,[364] von der auch die geringsten Würmel und Käfer ihre Nahrung haben, bestermassen überlassen und anbefohlen.

Gesetzt aber (o unerhörte Thorheit!), gesetzt es findet sich jemand, der also in Weib und Kinder verliebt, daß er ihrenthalben will ewig verloren gehen (ich kann das gar nicht fassen), so ist doch diese keine rechte väterliche Lieb, sondern vielmehr eine unverantwortliche Grausamkeit gegen die Seinigen; dann indem er dieselben als Erben eines ungerechten Guts eingesetzt, so setzt er sich zugleich in die augenscheinliche Gefahr des ewigen Verderbens; dann sie mit gutem Gewissen ohne höchste Beleidigung Gottes ein solches nicht können besitzen, sondern schuldig seyn, bey Heller und Pfenning zurück zu geben.

Herab hat es geheißen bey dem Zachäo, herab mit dir vom Baum, solcher ist mir vorbehalten; ich werd einmal zu Trost und Heil der ganzen Welt auf den Kreuzbaum steigen, herunter dann mit dir, heut werd ich dein werther Gast seyn, und die Einkehr bey dir nehmen. Wie nun Christus dahin gelangt, da war seine erste Rede, Hodie, heut ist diesem Haus Heil widerfahren. Warum nennt der Herr das Haus, warum nicht vielmehr den Hausherren? dieses ist gar wohl zu merken, daß nicht allein ein großes Heil widerfahren dem Zachäo als Hausherrn, der durch die Einkehr Christi bekehrt worden, und folgsam das Entfremdte zurück geben, sondern auch dem ganzen Haus, Weib und Kinder; dann sofern sie das ungerechte Gut hätten besessen, so wäre sie ebnermassen zum Teufel gefahren. Darum gar recht: Salus huic[365] domo und nicht Domino. Aus allem diesen ist nur klar abzunehmen, und handgreiflich zu schließen, daß derjenige Kletzendrucker ein Diokletianus sey, welcher den Kindern eine ungerechte Haabschaft hinterlasset, massen solches ihnen eine eigentliche Ursache ihres ewigen Verderbens; dann aus tausend Kindern und Erben kaum einer anzutreffen, welcher sich zu der Restitution bequemt.

Kantipratanus schreibt, daß ein junger Mensch nicht lang nach dem Tod seines Vaters in eine schwere Krankheit gerathen, die von Stund zu Stund dergestalten zugenommen, daß man an seinem Aufkommen gezweiflet; dahero die nächsten Freunde und Anverwandte bestermassen ihn ermahnten, er solle und wolle doch seiner Seel nicht vergessen, und sich bereiten in die Ewigkeit. Dieses war dem jungen Blut eine so schwere widerwärtige Zeitung, daß er hierüber fast erstarret, entschuldigt sich endlich, daß er dermal die hl. Sakramente zu empfahen sich nicht allerseits tauglich befinde, bitte also um einen kleinen Aufschub. Die Krankheit aber ist so heftig gewachsen, daß er von einem Lethargo oder Schlafsucht überfallen worden, worin er ganz sinnlos gelegen. Endlich hebt er sich ganz gäh und unverhofft aus dem Bett auf, reißet auf eine abscheuliche Weis die halb feurigen Augen auf, schreit mit erschrecklicher Stimm: Juvate, juvate, helft, helft, kommt mir zu Hülf; dann mein verstorbener Vater mit einer großen Anzahl der bewaffneten Teufel kommet, und eilt herzu, mir das Leben zu nehmen, um weil ich in seine lasterhafte Fußstapfen getreten, und das von ihm durch Wucher[366] und Betrug zusammen gebrachte Gut besessen habe, helft, helft. Unterdessen bekommt er einen harten Streich, wovon er augenblicklich todt niedergefallen, und also samt seinem Vater in den höllischen Flammen der Zeit brennt, und noch ewig brennen wird. Allmächtiger Gott! wie werden diese ewig einander anschauen? ewig wird es heißen, du verfluchter Sohn, wegen deiner lieg ich in dieser Pein, ewig wird zu hören seyn, du verfluchter Vater, durch dich bin ich hieher gerathen; ewig wird es heißen, du verfluchtes, Kind, es wäre besser gewesen, ich hätte Atter und Schlangen, als dich erzeuget; ewig wird zu hören seyn, du verfluchter Vater, ein blutgieriges Tigerthier wäre mir ein besserer Vater gewesen als du; ewig wird der Vater als ein bissiger Hund den Sohn empfangen, ewig wird der Sohn als ein reissender Wolf mit dem Vater umgehen etc. Nun siehet man die Thorheit derjenigen, welche durch Unfug, durch Partiten, durch Wucher und andere unzuläßige Weis ihr Weib und Kinder begehren zu bereichen; massen solches ihnen nicht allein die frühzeitige und unverhoffte Schwindsucht der zeitlichen Habschaft verursachet, sondern noch beiderseits den ewigen Untergang. O Vater, Vater! wann das heißt die Kinder lieben, so will ich Panterthier und Krokodile um Rath fragen.

Es ist zwar nicht ohne, daß ein Vater schuldig und verpflicht sey, den Seinigen die möglichen Lebensmittel zu verschaffen, und ihnen auch nach dem Tod etwas zu überlassen; dann also lieset man in dem Buch Gen. Daß der Jakob samt Weib und Kinder von dem Laban hinweggereist, dem er so viel Jahr[367] die Hauswirthschaft getrieben, und als solches der Laban nicht gern gesehen, und lieber mit einem solchen treuen Menschen noch länger wäre versehen gewesen, da hat sich Jakob, wie billig und recht, entschuldiget, wie daß er auch einmal sein Hauswesen müßte bestens einrichten, und zu seiner eignen Wirthschaft schauen, damit heut oder morgen Weib und Kinder ein ehrliches Stückel Brod und Auskommen möchten haben etc. Justum est, ut aliquando providam etiam domui meae etc. Das Gesetz der Natur legt es dem Vater auf, daß er der Kinder nicht soll vergessen, aber laßt es auch einmal vor allemal gesagt seyn: nur kein ungerechtes Gut, lieber drei Gulden gerecht als dreißig tausend Gulden ungerecht. Dieses holt der Teixel, jenes segnet Gott, der da nichts als gut ist.

Der Tobias im alten Testament hat einen einigen Sohn gehabt, der war sein völliger Augapfel dem blinden Mann, nach Gott ist ihm nichts liebers noch werthers gewesen, als sein Sohn, aber mit ungerechtem Gut wollte er denselben kurzum nicht berichten; als er, der Vater, einmal nach Haus kommen, und im Stall ein Geißbock queckitzen gehört, holla, sagt der Alte, was ist das? dann er wußte nicht, daß sein Weib durch die Arbeit solchen verdient, der Geißbock ist vielleicht entfremdt worden? wann dem also, so gebt denselben geschwind wiederum seinem Herrn. Videte, ne forte furtivus sit, reddite etc. Als wollte er sagen, ich möchte nicht gern einen Strohhalm in und an meiner alten Hütte haben, der einem andern zugehöret, ich will meinem Sohn nicht einen[368] gestumpften Besen überlassen, der nicht mein ist etc. O mein lieber Sohn! sprach er einmal zu ihm: Pauperem quidem etc. Wir seynd zwar arm, und wenn ich auch gute Augen hätte, so thät mich das Silber und Gold nicht blenden; aber sey du dessenthalben nicht kleinmüthig; das Wenige, was wir haben, ist gerecht, und so wir anbei werden Gott fürchten, Multa bona habebimus etc. Da werden die Güter nicht ausbleiben. Der Alte ist ein Prophet gewesen; dann nicht lang hernach der jüngere Tobias, sein Sohn, eine stattliche Heirath getroffen, wodurch er zu einer überaus großen Erbschaft gelangt.

Wie segnet doch Gott einen gerechten Pfenning!

Wohlan dann Signore, lieb dein Weib und Kinder, aber nicht wie Judas, der das Geld gestohlen, diebisch abgetragen, und solches den Seinigen angehängt. Liebe Weib und Kinder, aber bereiche dieselbigen nicht mit fremdem Gut, wodurch sie mehr in Armuth gerathen. Liebe Weib und Kinder, aber schlag ihrenthalben dein eignes Seelen-Heil nicht in die Schanz. Liebe Weib und Kinder, aber lasse denselben keinen ungerechten Pfenning, der sie nachmals auch in die Verdammniß stürze. Liebe Weib und Kinder, aber gedenke, daß dir das Hemd näher als der Rock, die Seel lieber, als die Blutsverwandtschaft. Liebe Weib und Kinder, aber beleidige Gott den Herrn hierdurch nicht. Liebe Weib und Kinder, aber verlasse ihnen keine ungerechten Mittel, lieber gar nichts, sondern Gott allein zu einem Freund, der die arme Ruth zu Mittlen gebraucht, die arme verwaiste Esther zu Reichthum erhoben, der kann und wird auch[369] ihr Vater seyn, so ihnen das tägliche Brod verschafft.

Quelle:
Abraham a Sancta Clara: Judas der Erzschelm für ehrliche Leutߣ. Sämmtliche Werke, Passau 1834–1836, Band 6, S. 353-370.
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