[Die Hoffnung/ welche sich kan nimmer ruhig wissen]

[308] Die Hoffnung/ welche sich kan nimmer ruhig wissen/

Die ists/ die unser Hertz in tausend Stücke theilt.

Die Wunden/ welche sonst Gedult und Zeit verheilt/

Hat eitles Hoffen mehr als erstlich auffgerissen.


Im fall nicht Tantalus im Wasser müste stehen/

Im fall die Aepffel ihm nicht reichten an den Mund/

Da ihm doch Speiß und Tranck zu brauchen nicht vergunt/

So würde seiner Qual ein grosser Theil entgehen.


Ihr/ die ihr Ruhe sucht in schwerer Angst und Leyden/

Wie sehr euch auch beschwert die aufferlegte Pein/

Im fall ihr mit der Zeit derselben loß wolt seyn/

So müsset ihr die Last der eitlen Hoffnung meiden.[308]


Die Hoffnung/ fremdes Gutt und Ehre zu erlangen/

Schickt ein verwegnes Hertz auffs fichtne Wasser-Hauß/

Füllt die erzürnte See mit todten Leichen auß.

Die Hoffnung macht das Garn mit reichem Raube prangen.


Der Hoffnung pfleget sich Bellona zu bedienen/

Wenn sie das blancke Feld mit Menschen-Blutte nezt:

Im fall die Hoffnung ihr ein langes Ziel gesezt/

Soll unbeweget stehn der Bau der Himmel-Bühnen.


Soll Wind und Wetter sich zu ihren Willen schicken/

Da das Gesetze doch der Noth ein Eisen bricht.

Drum hoffe wahren Trost nur von der Hoffnung nicht:

Je mehr du diese nährst/ ie mehr die Last wird drücken.


Quelle:
Hans Aßmann von Abschatz: Poetische Übersetzungen und Gedichte. Bern 1970, 1, S. 308-309.
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