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[139] Ich muß nun von dir scheiden/
Bißher geliebtes Hauß/
Ein angenehmes Leiden
Treibt mich von hinnen aus.
Bezwungner Andacht Brunst
Läst schlechte Glutt verspüren/
Viel stärcker Feuer führen
Freywillge Gunst und Gegen-Gunst.
Was man befohlen thut
Geht nimmer so von statten/
Als was ein freyer Mutt
Uns pfleget einzurathen.
Viel lieber will ich seyn
Verbunden biß zur Bahre/[139]
Als auff gewisse Jahre
Umsonst in Dienst mich lassen ein.
Wie kan ein einig Kuß
Mir voll Vergnügen geben/
Wenn andrer Uberfluß
Mir muß für Augen schweben
Wenn andre ziehen ein
Mit ungezählten Zahlen/
Was mir zu vielen mahlen
Kaum einfach will vergünstigt seyn.
Mag unsrer Schlüsse Pflicht
Celind und andre brechen/
Die mir erlauben nicht
Sie küssend anzusprechen.
Wie will man mich allein
Zur Straff und Schuld vebünden/
Da andrer ihre Sünden
Noch frey und ungebüsset seyn?
Wer wird Gelübd erfüllen/
Die man nicht halten kan?
Man nimmt den gutten Willen
Hier vor die Würckung an.
Zu leben gantz für sich/
Ohn Tisch- und Bettgenossen
Seyn einsam eingeschlossen/
Ist ein zu schweres Thun für mich.
Will man gleich meinen Sinn
Voll Wanckelmutt beschreiben/
Ich werde/ wie ich bin/
Doch hier ein Diener bleiben.
Man lasse mit der Zeit
Mein Amaranthe sagen/
Ob sie wird können klagen
Von meiner Unbeständigkeit.
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