Naturgeschichte:
(Im Bassin der Schönbrunner Menagerie.)

[285] Die Biberratte.

Ein ziemlich unwahrscheinliches Thier. Wie eine Ratte aus Gulliwer's »Reich der Riesen«. Immerhin ein tüchtiger Schwimmer und auf dem Lande putzt sie sich ziemlich anmutig, aufrecht sitzend, mit den Vorderpfoten. Wenn man ihr Brod und Semmel vorwirft, hat sie die Empfindung: »Hast Du 4 Volksklassen absolvirt, mein Lieber?! Da solltest Du es doch wissen, dass wir uns ausschliesslich von Fischen nähren – –.«

Die Biberratte trägt im Ganzen nicht viel zur Unterhaltung bei.

Aber man erwartet sich unablässig etwas Besonderes von diesem Thiere.

Das ist das Besondere an ihm.

Man steht stundenlange vor dem kleinen Bassin. Man möchte ihm etwas durch Warten abtrotzen!

Der Hofmeister natürlich beeilt sich, dem Thiere sofort seinen ganzen Reiz zu nehmen und erzeugt mit Hilfe von Détail-Schilderungen bei seinen Zöglingen eine fürs ganze Leben dauernde Gleichgiltigkeit gegen Biberratten!

Die Gouvernante hingegen fasst sich kürzer und sagt: »De gros rats, fidonc!«[285]

Quelle:
Peter Altenberg: Wie ich es sehe. Berlin 8–91914, S. 285-286.
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