CLXI.

[209] 1. Wie sitzen wir hie so stille schweigen,

und wissen kein ander freud zu treiben,

begint uns der wein ins heupt zu steigen,

wir sollen wol besser corazi kriegen,

Frisch und frölich in guter manieren,

wer sol uns das mögen verkehren,

wenn es geschicht aus hertzen grund,

wie wirs bekennen mit unserm mund.


2. Es steht eim jeden recht wol an,

es sey gleich frawe oder man,

der die zeit vertreiben kan,

vermag man wol auff dieser bahn,

Mit den frölichen seid frölich,

mit den trawrigen ist es unmüglich,

mit den narren habt gedult,

sie wissen nit besser, sie haben kein schuld.


3. Wir können wol sitzen bei freunden und magen,

wer leichtlich glaubt ist bald betrogen,

darinnen wolt euch das befragen,

ist es nit war, so seis gelogen,

Frisch und frölich, from und ehrlich,

ists auch anders so ist es beschwerlich,

ach(t) nit was der kleffer spricht,

wenn es mit Gott und mit ehren geschicht.


4. Und haben wir nit ein willigen wirth,

er thut all was unser hertz begert,

darzu thut er die freud vermehren,

und acht nit drauff was wir verzehren,

Frisch und frölich sonder trawren,

wen es verdreust, der mags bedawren,

last uns sein von hertzen fro,

und trincken einander freundlich zu.


5. Wie gut und lieblich ist es wohnen,

da schwester und brüder bey einander kommen,[210]

wir haben auch anders nicht vernommen,

denn grosse lieb bey diesen frommen,

Frisch und frölich, from und ehrlich,

ist es auch anders so ists beschwerlich,

acht nit was ein jeder thu,

wenn es mit Gott und ehren geht zu.


6. Kein besser freund auff dieser welt,

denn der sein hertz zu frieden stelt,

tracht nit zu sehr nach gut und gelt,

lasts auch nit lauffen zu weit ins feld,

Frisch und frölich sonder trawren,

wen es verdreust der mags besawren,

last uns sein von hertzen froh,

und sprechen einander freundlich zu.


7. Damit wir nun dis liedlein beschliessen,

ich hoff der freud noch besser zu geniessen,

es kan bald komen in einer stunden,

das frölich zu sein nit wird befunden,

Allzeit frölich, ist unmüglich,

allzeit trawren, kan nit tawren,

last uns von hertzen frölich sein,

und trincken mit freuden den külen wein.


8. Diß sind drey ding die Gott gefallen,

die last uns halten uber allen,

die sind uns auch fast nutz und gut,

Saloman das beschreiben thut,

Wenn sich brüd' freundlich lieben,

man und weib auch nit betrüben,

die nachbaurn sein einander hold,

welches ist viel besser denn silber und gold.

Quelle:
[Anonym]: Das Ambraser Liederbuch vom Jahre 1582. Stuttgart 1845, S. 209-211.
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