CLXXXIIII.

[237] 1. Ich bin durch frewleins willen,

geritten manchen tag,

So bit ich euch edles frewlein,

was habt jhr euch bedacht,

Habt jr mich willen zu nemen,

so verheischt mirs bey der zeit,

ich sol von hinnen reiten,

O schönes mein lieb,

mir geliebt ein anders weib.


2. Gelieben dir andre weiber,

so kehr dich weit von mir,

Nun sprechen sich die leute,

das ich die schönste sey,

Das lob wil ich behalten,

meinem feinen bulen allein,

aus frischem freym gewalte,

Ey schönes mein lieb,

dein eigen sol ich sein.[237]


3. Zart fraw ich hab geschertzet,

ist mir von hertzen leid,

Ich bin durch ewrent willen,

geritten so manche heyd,

Das solt jhr mir zart frawe,

allzeit geniessen lan,

thut ewer hertz auffschliessen,

Schleus mich darein

hertzallerliebste mein.


4. Er nam sie bey der hende,

bey jr schneweissen hand,

Er füret sie an ein ende,

uber ein schmalen gang,

Wol in ein kämmerlein finster,

da lag der held und schlieff,

der wechter an der zinnen,

O schönes mein lieb,

den hellen tag anblies.


5. Liegt jemand hie verborgen,

der heb sich bey der zeit,

Das jn die leut nit spüren,

wol bey dem schönen weib,

Ich sich die morgenröt her dringen,

den tag spür ich im thal,

die kleinen waldtvögelein singen,

O schönes mein lieb,

darzu fraw nachtigal.

Quelle:
[Anonym]: Das Ambraser Liederbuch vom Jahre 1582. Stuttgart 1845, S. 237-238.
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