CCXLV.

[353] 1. Papirs natur ist rauschen,

und rauschet wann es wil.

Man kans nicht wol vertauschen,

dann es stets rauschen wil.[353]

Es rauscht an allen orten,

weil sein ein stücklein ist,

Deßgleichen die gelerten

rauschen ohn argen list.


2. Aus lumpen thut mans machen,

den edlen schreibern zart,

Es möcht wol jemands lachen,

fürwar ich dir nit leug.

Alt lumpen rein gewaschen,

darzu mans brauchen thut,

Hebt manchen aus der aschen,

der sonst leid grosse not.


3. Ein feder hindern ohren,

zu schreiben zugespitzt,

Thut manchem heimlich zoren,

da forn der schreiber sitzt.

Für andern knaben allen,

ob man jn schreiber heist,

So thuts den frewlein gefallen,

und liebt jhn allermeist.


4. Die dinten in der flaschen,

den edlen schreibern werd.

Offt füllt man jhn jhre taschen,

kein edler kunst auff erd.

Dann wann man so thut schmieren

papir mit dinten schon,

Daran thuns nicht verlieren,

und gibt jn guten lohn.


5. Die schreiber mus man haben,

sampt jhrem zeug und gunst:

Nach jnen thut man traben,

der schreiber ist die kunst.

Vorn schreiber mus sich biegen

offt mancher stoltzer heldt,

Und in ein winckel schmiegen,

wiewol es jm nit gefelt.[354]


6. Das schreiben ist alleine

der allerhöchste schatz,

Ob mans gleich thut verkleinen,

doch behelts allein den platz.

Den glauben thuts erhalten,

macht guten fried im land,

Das sich thet sunst zwispalten,

all ander kunst sind tand.


7. Ein schreiber wil ich bleiben,

ein schreiber wil ich sein,

Und thus hiemit verschreiben

der allerliebsten mein.

Damit wil ichs beschliessen,

derselben lobesan,

Obs jemands würd verdriessen,

dem schreiber leit nichts dran.

Quelle:
[Anonym]: Das Ambraser Liederbuch vom Jahre 1582. Stuttgart 1845, S. 353-355.
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