Thorgejr Oktelsohn.

[103] Thorgejr Starkadsohn ritt eines Tages zu Mörd Valgardsohn. Er ließ sich darüber aus, wie unzufrieden er mit dem Ausgang seiner Sache gegen Gunnar sei. »Deine Hülfe habe ich mir erkauft,« sprach er, »und es ist mein Wunsch, daß Du einen guten Rath ausfindig machen mögest, und zwar einen Rath, der uns zum Ziele führt; gelingt es Dir, so wirst Du entsprechenden Lohn empfangen.« »Ihr stellt es stets so dar, als wenn ich ein großer Freund des Geldes sei,« versetzte Mörd, »indessen vermagst Du gar wohl Deine Absicht durchzuführen, ohne selbst den Vergleich zu verletzen und Friedensbrecher zu werden. Kulskjäg gedenkt auf ein Stück Land bei Moejdarhvol Anspruch zu erheben, welches Dein Vater als Buße für seinen einen Sohn empfing, der erschlagen ward, und Gunnar selbst zieht es vor, das Land zu behalten und statt dessen Geld zu zahlen; auf diese Weise wird er es sein, der den Vergleich bricht. Er hat auch Thorgejr Otkelsohn auf Kirkeböj ein Stück Ackerland entzogen, welches Thorgejr als Buße für seinen Vater empfing. Deshalb wirst Du Thorgejr leicht dafür gewinnen, im Verein mit Dir gegen Gunnar vorzugehen. Zufällig weiß ich, daß Nial Gunnar gewarnt hat, zwei Angehörige desselben Geschlechts zu tödten. Deshalb mußt Du Thorgejr reizen, so daß er rücksichtslos vorgeht, wenn es mit Gunnar zum Kampfe kommt, Du selbst magst Dich aber von ihm fern halten. Gelingt es nicht das erste Mal, dann mögt Ihr es das zweite Mal versuchen und so fort; schließlich wird Gunnar den Thorgejr doch tödten. Darnach müßt Ihr auf einen Vergleich eingehen, denn ich weiß, daß Nial dem Gunnar vorausgesagt[103] hat, es werde sein Leben kosten, falls er einen Vergleich bricht, den er schließt, nachdem er einen zweiten Angehörigen desselben Geschlechts getödtet hat. Ist etwas Wahres daran, dann wird er den Vergleich schon brechen und das wollen wir jetzt abwarten.« Thorgejr antwortete, er wolle Mörd's Rath folgen. Otkel's Sohn Thorgejr, von dem Mörd sprach, war ein großer und starker Mann geworden, war treu und ehrlich, wohlgelitten bei den besten Männern und geliebt von seinen Verwandten, nur war er etwas leichtgläubig und vertrauensselig. Thorgejr Starkadsohn ritt nun bald nach Kirkeböj; er redete mit Thorgejr Otkelsohn unter vier Augen und flüsterte lange mit ihm und zuletzt schenkte er ihm einen goldbeschlagenen Speer und kehrte nach Hause zurück. Es entspann sich aber zwischen ihnen ein enges Freundschaftsverhältniß. Auf dem Gauting im Herbst stellte Kulskjäg, wie Mörd erwartet hatte, die Forderung auf das Land bei Moejdarhvol, und Gunnar bot Starkad Geld oder ein andres Stück Land als Entschädigung nach gesetzlicher Schätzung. Thorgejr achtete indessen nicht darauf, sondern berief Zeugen dafür, daß Gunnar den Vergleich breche. Der Winter kam heran und im Laufe desselben kamen die beiden Namensvettern häufig zusammen und es herrschte große Vertraulichkeit zwischen ihnen. Kulskjäg erzählte Gunnar davon und sagte: »Die beiden wollen uns keinen Frieden lassen.« »Ist der Tod mir beschieden, dann wird er mich finden, wo ich auch bin,« antwortete Gunnar. Als im nächsten Sommer die Heuernte vor der Thür war, sandte Gunnar Kulskjäg und alle seine Knechte von Hlidarende fort nach den Küsteninseln, um dort die Heuernte zu vollenden, so daß er allein mit den Weibern zurückblieb. Die Kunde davon kam zu Thorgejr Starkadsohn's Ohren und er forderte nun den anderen Thorgejr auf, die Gelegenheit zu benutzen und Gunnar in seinem Hause zu überfallen. Thorgejr Otkelsohn war nicht dazu geneigt; »Gunnar hat stets den Sieg auf seiner Seite,« sagte er, »auch will ich nicht der Friedensbrecher sein.« »Er war es ja, der den Vergleich gegen Dich und mich brach!« entgegnete Thorgejr Starkadsohn und so wurde denn das Ende vom Liede, daß sie sich in einer Nacht, begleitet von einer Schaar[104] von vierundzwanzig Mann, nach Hlidarende auf den Weg machten. Unterwegs wurden sie aber in einem Walde so schlaftrunken, daß sie von den Pferden steigen mußten und sich samt allen ihren Begleitern schlafen legten. Ein Schafhirte von Thorolfsfjeld sah sie dort liegen und brachte sogleich Nial, der sich gerade auf Thorolfsfjeld aufhielt, diese Zeitung. Nial entsandte eilig einen Boten an Gunnar, um es ihm zu melden, und hieß ihn Mannschaft sammeln. Er selbst aber ritt nach dem Gehölz, weckte die Namensvettern und sprach: »Unvorsichtig habt Ihr Euch hier niedergelegt; Gunnar ist nicht ein Mann, den man ungestraft reizt; schon sammelt er Mannschaft und wird über Euch kommen wie ein Wetter.« Da ergriff die beiden Namensvettern große Furcht, sie faßten nach ihren Waffen, liefen zu ihren Pferden und jagten geraden Weges nach Trehörning zurück. Nial ritt jedoch zu Gunnar, bat ihn, die gesammelte Mannschaft bei sich zu behalten und versprach, beide Namensvettern zum Eingehen auf einen Vergleich zu nöthigen. »Alle die,« sagte er, »welche an diesem Ueberfall teilgenommen haben, werden dafür an Buße soviel entrichten müssen, als für die beiden Namensvettern bezahlt werden wird, falls Du genöthigt sein solltest, sie zu tödten; ich aber werde das Geld in Verwahrung nehmen, so daß Du es empfangen kannst, wenn Du dessen bedarfst.« Nial hielt Wort; er jagte Gunnar's Gegnern solchen Schrecken ein, daß sie ihn baten, einen Vergleich zu vermitteln und selbst sich an dem Schiedsspruch zu betheiligen. Auf dem nächsten Alting stellte er die ganze Angelegenheit dar und fragte die besten Männer, die zugegen waren, ob sie glaubten, daß Gunnar gegen die Namensvettern im Recht sei. Das bejahten alle und Nial fragte weiter, ob Gunnar von allen Betheiligten Buße zu fordern berechtigt sei oder ob die Anführer die ganze Verantwortung hätten. Sie antworteten, es hätten alle große Schuld auf sich geladen, die größte Schuld aber trügen die Anführer. Mörd sprach zu Gunsten der Namensvettern und führte an, Gunnar sei nicht schuldlos, da er den Vergleich gebrochen habe. »Keineswegs,« erwiderte Nial, »nur mit Recht wird man unser Land bauen, mit Unrecht aber[105] es wüste legen!« und wies nach, daß Gunnar für Moejdarhvol andres Land oder Geldentschädigung geboten habe, so daß er nur nach dem Recht gehandelt habe. Da merkten die Namensvettern, wie sie von Mörd schwer betrogen seien und gelobten, ihm für den Schaden zu lohnen, den er ihnen verursachte. Nial aber rief zwölf Männer auf, um das Urtheil zu sprechen. Jeder, welcher auf dem Wege zum Ueberfalle dabei gewesen war, mußte drei, die Anführer aber sechs Mark Silber erlegen. Beide Theile sagten sich Frieden und Sicherheit zu und Nial nahm das Geld an sich, um es für Gunnar aufzuheben.

Quelle:
Die Njalssaga. Leipzig 1878, S. 103-106.
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