XXXIX. Der behende Beutelschneider.

[63] In Franckreich / und sonderlich zu Paris / ist vor wenig Jahreh annoch berühmbt / oder vielmehr beruffen gewesen / ein Ertz-Filou / nahmens L' Esclair, welcher sich sambt seinen Mitgesellen einsmahls auff dem Jahr-Marck zu St. Germain erhub / zusehen /welcher am meisten Geld / und am wenigsten Verstand hätte: Indem[63] ersehen sie einen Mahler von Antorff / schliessen auch bald auß dessen rothen Kopff und grossen Bauch / daß es in seinem Laden gut für sie seyn werde / zu handeln.

L' Esclair gehet zuerst hinein / sagt zum Mahler /er sey ein Kauffmann von Thoulouse / und wolt etliche schöne Stück mit sich führen / wann er sie umb ein Billiges lassen wolte. Der Mahler sagt: Er wolle ihm ein Dutzet zukommen lassen. L' Esclair besiehet die schöne Kunststücke: Unterdessen kombt des Esclair Gesell auch in den Läden / und bittet den Mahler / er soll ihm eines von seinen Gemählten zeigen: Entlich ersehen sie ein schön Täfflein / darauff Cleopatra gemahlet / solches wollen sie beyde haben / und hat doch keiner Lust / es umb Geld zu kauffen: Alß nun des L' Esclair Gesell den Kaufmann auf ein Seitē zeucht / und sie annimmet / etwas heimliches mit ihme zu reden / gehet L' Esclair auch hernach / fähret ihm unvermerckt in den Sack / und erwischt ein Wischtuch / darinnen auch viel Geld. Alß aber der Kauffmann in seinem Hosen-Sack das Wischtuch suchen wil / ergreifft er dem Esclair die Hand / welche er ihm hält / und fänget an umb Hülffe zu schreyen.

Esclair wincket seinem Gesellen / daß er bey ihn gehe / und giebt ihm heimlich unter seinem Mantel mit der andern Hand das Wischtuch mit dem Geld /daß / wann man nichts bey ihm finde / man nichts mit ihm anfangen könne. Der ander aber geht dem Laden hinauß / und kombt darvon. Der Kauffmann ergreifft den Esclair beym Halß / und sagt: Er habe ihm sein Wischtuch und Pistolen gestohlen; Aber weil Esclair wie ein Bürger gekleidet / ein ehrlicher Mann zu seyn schiene / auch wuste / daß der Dieb schon hinweg war / fänget er an so laut / als der Mahler / zu schreyen /schweret ihm / er soll ihn wieder gut machen / und einen Wiederruff[64] thun / daß er ihn für einen Räuber ansehe. Unterdessen aber / da man Esclair besuchet /und nichts bey ihm findet / rufft des Esclair Gesell auff allen Ecken des Marcks auß: Wer ein Wischtuch mit Geld verlohren habe / wann er nur gewisse Müntze nennen könte / dem solte sein Geld wieder werden. Der Mahler erfähret solches / und wird ihm angst /daß er dem Esclair so hart zugesetzt / hoffet auff der andern Seiten / er werde wieder zu seinem Geld kommen / entschuldiget sich wegen des Argwohns / so er von Esclair gehabt hatt. Esclair war wol zu frieden /daß er also davon kommen könte.

Quelle:
Schau-Platz der Betrieger: Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln [...]. Hamburg, Frankfurt am Main, 1687, S. 63-65.
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