XLI. Die listige Rache.

[66] Es war aber Maillard von natur sehr rachgierig / dannenhero nahm er ihm vor / er wolte sich rächē / wo nicht an der Obrigkeit / doch auffs wenigste an dem Hencker. Gehet darauff mit seinen Gesellen / und verkleidet sich wie ein Bauer. Nun muß man aber mercken / daß die Marcktage der Hencker pflegte etwas zu nehmen von aller Essen-Speiß / so auff dem Marckt verkauffet wird.

Maillard kaufft ihm etliche Säck Korn / setzte sich damit auff den Marckt / wie die andere auch: Befielet unterdessen seinen Gesellen / sie sollen allen mögligsten Fleitz anwenden / daß sie einem den Beutel abschneiden / und so bald ihme bringen: Die feyerten nicht / sondern[66] gehen hin / und schneiden des Leutenants (welcher ein Richter der Peinlichen Sachen war) Weibe / welche Korn kauffte / den Beutel / so an einer silbern Kette hieng / ab / so geschwind / daß sie es nicht mercken kunte: Bringen auch so bald den abgeschnittenen Beutel dem Maillard / welcher auff dem Marckt saß / und sich wie ein Bauer stellete.

Alß er nun den Beutel emfpangen / kam der Hencker und wolte das seinige auch von ihm haben: Maillard nimbt sein Mäßlein / füllet es voll Korn / verstecket unter das Korn den gestolenen Beutel / und gibt ihme sein Gebühr / und mit solchem auch dem Beutel / welchen er aber nicht sehen könte.

Der gehet seinen Weg fort / und kombt zu des Leutenants Weibe: Und da er wolte einem Bauren einen Stoß geben / der ihm sein Gebühr nicht bezahlen will / stösset er das gedachte Weib so hart / daß sie schier zur Erden gefallen wäre; Darüber dann Mayllard frölich wurde; dann er gedachte / der Stoß würde an gehn / sich in kurtzen zu rächen / saget derhalben zu denen / die nahe sassen: Sehet den Hencker an / wie er die Frau drücket / mich düncket / er wolle ihr den Beutel außführen.

Eine halbe Stunde hernach / als ermeltts Weib einen Korb voll Birnen bezahlen wolte / siehet sie /daß der Beutel mit dem Geld sambt der silbern Ketten ausgeführet ist: Sie siehet sich umb / und siehet niemand / als den Hencker: Nun hatte sie keinen Argwohn auf den Hencker / dann sie kunte ihr nicht einbilden / das die / durch welcher Hand die Ubelthäter gestraffet werden / mit Diebs-Nägeln krauen solten: Sie gehet auff dem gantzen Marckt auff und ab / fraget / ob jemand einen Beutel gefunden / und gehet darauff an alle Orth / da sie zu vor gewesen: Unterdessen sagt Maillard zu seinē Nachbaren / er habe gesehen / daß der Hencker DiebsSchärlein[67] gehabt / und der Frau nach der silbernen Kelten gegriffen; das Geschrey bricht so bald auß / es sagts eins dem andern /biß es des Leutenants Weib auch erfähret; welche in ihrem Argwohn desto mehr gestärcket wird / weil sie dem Hencker umb sich gesehn: Sie läst ihn greiffen und besuchen; als man aber in seinen Kleidern nichts finden kunte / wird jederman darüber bestürtzet; der Hencker verschwur sich; er wäre des bezeugten Diebstals unschuldig / und dachte nicht / daß ihm ein solcher Posse von dem Maillard gerissen worden. Alß man nichts bey ihm finden kunte / ist einer unter dem Volck / der rufft / man soll auch seinen Sack besehen.

Hierauff leeret man dem Hencker seinen Sack / und jederman verwunderte sich / da man auff dem Boden seines Sacks dem Beutel und die silberne Kette fand. Maillard stund auch unter dem Volck / stellete sich als wäre er ein Picard / und sagte: Er hielte vor rahtsam / wann man den Hencker mit der Maasse mässe /mit welchen er andern pflege zu messen / und wann es mangeln solte / wolte er selbst Geld zu schiessen /daß man einen Strick kauffen möchte: Ja sagt er: Wann ers noch einem andern gethan hätte / so gieng es noch etlicher masse hin; Aber daß er solchem Weibe den Beutel geschnitten / daß sey zu grob /dann da habe er seinen Wiedersacher selber zum Richter. Man führet den Hencker in des Leutenants Hause / welcher / als er dessen Unverschämbtheit siehet / spricht er ihm so bald das Urtheil / daß er an offentlichen Strassen soll mit Ruhten außgestrichen /und mit der Lielien-Blume gezeichnet werden: Er hatte ihn bald gar auffhencken lassen / wann er nicht von ihm appelliren können; aber weil man so bald keinen andern Hencker haben kunte (man hätte entweder nach Compiegne / oder Noyon nach einem schicken müsse /[68] die weil keine nähere Stadt diese Wahr hatte) der ihn striegeln könte / war da des Maillards Gesellen einer / der gab sich an und sagte: Wann man es ihm erlauben würde / wolte er den Hencker sowol als ein ander außstreichen / daß jederman solte zu frieden sein: Man zeucht den unverschuldeten auß: Dieser Filon fing an mit ihm die lange Gassen hinab zu tantzen / und war kein offentlicher Platz / da er nicht eine grosse Ruthe verstriche: Dann je mehr der Hencker bate er solte ihm nicht so Unbarmhertzig sein / jemehr striche er darauff: und also wurdē des Maillards Gesellen / welche von weitem diesem Bären-Tantz zusahen / gerochen an den Henckern /welcher sie auch vorher redlich bezahlet hatte.

Quelle:
Schau-Platz der Betrieger: Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln [...]. Hamburg, Frankfurt am Main, 1687, S. 66-69.
Lizenz:
Kategorien: