Hadrian

[30] Du Freund von Hellas! Weiser! O Hadrian!

Als deinen Freund wegraffte die Flut des Nil,

Als du, im Schmerz, der Wunderblume

Jeglichen Strebens im Staub der Erde,


So manchen Prachtbau weih'test und rings befahlst

Der schalen Welt, Antinoos göttergleich

Zu ehren, ruchlos thöricht schalten,

Sinnender Träumer, dich viele Blinde!


Noch heute, stumm voll glänzender Hoheit, lebt

Dein holder Liebling, göttlichen Odem sprüht

Sogar der Marmor noch, der kalte –

Selig beglückte, die sah'n das Urbild!


Und manchesmal wohl sah ich dem Menschengott

In's stille Antlitz, Schauer und Lust zugleich

Empfand ich, Ehrfurcht, heil'ge Liebe

Tief in dem Busen entgegenflammen.


Gedanken, seltsam, nimmergewollt, und doch

In süßem Bann mich haltend, befielen mich,

Besiegten mich; wie Geisterflügel

Hört' ich die Stimme des Herzens rauschen ...


Ha, ich versteh' dich! Himmlischen Tiefsinns voll,

Sprach deine That, was And're verschweigen! – Ach,

Es flieht der Thor selbst dann das Wahre,

Leuchtet es still im Gewand der Schönheit!

Quelle:
Wilhelm Arent (Hg.), Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig 1885, S. 30-31.
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