Allvaters Anrufung

[240] (Deutsch-Oesterreichisch.)


Der Du einst im Waldesrauschen

Deinem Volke Dich genaht,

Daß sein Herz in brünst'gem Lauschen

sich entzündete zur That,

Der Du standst an Deutschlands Seite

immerdar und allerorts,

Kraft-Verleiher warst im Streite,

Spender tiefen Weisheits-Worts,

Wir, von Deinem Blut geboren,

Gott der Deutschen, nahen Dir,

Wir in fremdem Volk verloren,

Dich Allvater, rufen wir,

Hast es manchesmal gesehen

jenes Schauspiel voller Gram,

Sahst aus Deutschland Deutsche gehen,

deren keiner wiederkam.

Die in Angst vor fremden Spöttern

sich des Vaterlands geschämt,

Opfer brachten fremden Göttern,

sich mit fremdem Kleid verbrämt;

Hör' uns rufen, hör' uns schwören,

wir sind treu und wir sind Dein,

Unser Land soll uns gehören,

unsres Landes woll'n wir sein!

Sieh, der Fremdling will's verhindern,

altes Recht er schreibt es neu –[240]

Vater bleibe Deinen Kindern,

Gott der Deutschen, bleib' uns treu!

Schüttle Deine heil'gen Locken,

wecke die allmächt'ge Hand,

Daß der Eindringling erschrocken

weiche aus dem Deutschen Land,

Daß er zagen lerne, zittern

vor urew'ger Majestät,

Wenn in heil'gen Ungewittern

Deutsche Gottheit aufersteht,

Daß das Herz uns muthig werde,

stark in neuer Zuversicht:

Vater-Gott und Vater-Erde

raubt uns Macht der Menschen nicht.

Quelle:
Wilhelm Arent (Hg.), Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig 1885, S. 240-241.
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