An die Wehmut

[141] 1813.


Du, die im Sternenschleier

Der Nächte wandeln geht,

Wo Traum und Ahnung freier

Um fromme Seelen weht,

Wo sich von grünen Grüften

Die grüne Hoffnung hebt

Und in den Himmelslüften

Mit Engeln selig schwebt,


Die dann um stille Seelen

Ihr zartes Dunkel spinnt,

Die Wunder zu erzählen,

Die hoch im Himmel sind,

Die dann die hellen Saiten

Des tiefsten Herzens rührt

Und durch die langen Zeiten

Die Geister wandeln führt –


Sei süß mir, o Huldinne,

Sei, Wehmut, mir gegrüßt!

Die mild durch alle Sinne

Gleich Himmelsquellen fließt,

Die Gram und heißes Sehnen

In sanften Schlummer lullt

Und in der Flut der Tränen

Ertränkt die bittre Schuld.


Dir will ich ewig danken,

Dir, meiner Nächte Lust,

Die weich mit Himmelsranken

Umflicht die wunde Brust,

Die süße Liebesworte

Mit Engeltönen singt

Und an der Himmelspforte

Der Sehnsucht Glocken ringt.
[141]

Dich will ich ewig loben,

Dich und die Schwester dein,

Die Liebe, die nach oben

Auch lockt der lichte Schein,

Die Liebe, die auf Erden

Wohl nie Genüge find't,

Oft traurig an Gebärden,

Gleich dir ein himmlisch Kind.


O bleibet, süße beide,

O bleibt mir ewig treu!

Daß fröhlich ich im Leide,

In Freuden traurig sei.

Was flache Toren preisen,

Das mag mein Glück nicht sein,

Wo eure Sterne kreisen,

Da kann ich selig sein.

Quelle:
Ernst Moritz Arndt: Werke. Teil 1: Gedichte, Berlin u.a. 1912, S. 141-142.
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