Herr Olof

[255] Fliegendes Blat.


Herr Olof reitet spät und weit,

Zu bieten auf seine Hochzeitleut';


Da tanzen die Elfen auf grünem Land,

Erl-Königs Tochter ihm reicht die Hand.[255]


»Willkommen, Herr Olof, was eilst von hier?

Tritt her in den Reihen und tanz mit mir.«


»Ich darf nicht tanzen, nicht tanzen ich mag,

Früh Morgen ist mein Hochzeittag.«


»Hör an, Herr Olof, tritt tanzen mit mir,

Zwei güldene Sporen schenk ich dir,


Ein Hemd von Seide so weiß und fein,

Meine Mutter bleichts mit Mondenschein.«


»Ich darf nicht tanzen, nicht tanzen ich mag,

Früh Morgen ist mein Hochzeittag.«


»Hör an! Herr Olof tritt tanzen mit mir,

Einen Haufen Goldes schenk ich dir.«


»Einen Haufen Goldes nehm ich wohl,

Doch tanzen ich nicht darf noch soll.«


»Und willt, Herr Olof, nicht tanzen mit mir,

Soll Seuch und Krankheit folgen dir.«


Sie thät einen Schlag ihm auf sein Herz,

Noch nimmer fühlt er solchen Schmerz.


Sie hob ihn bleichend auf sein Pferd,

»Reit heim nun zu deinem Bräutlein werth.«


Und als er kam vor Hauses Thür,

Seine Mutter zitternd stand dafür.


»Hör an, mein Sohn, sag an mir gleich,

Wie ist dein Farbe blaß und bleich!«[256]


»Und sollt sie nicht seyn blaß und bleich,

Ich traf in Erlen Königs Reich.«


»Hör an mein Sohn, so lieb und traut,

Was soll ich nun sagen deiner Braut?«


»Sagt ihr, ich sey im Wald zur Stund,

Zu proben da mein Pferd und Hund.«


Früh Morgen und als es Tag kaum war,

Da kam die Braut mit der Hochzeitschaar.


Sie schenkten Meet, sie schenkten Wein,

»Wo ist Herr Olof, der Bräutgam mein?«


»Herr Olof, er ritt in den Wald zur Stund,

Er probt allda sein Pferd und Hund.«


Die Braut hob auf den Scharlach roth,

Da lag Herr Olof, und er war todt.


Quelle:
Achim von Arnim und Clemens Brentano: Des Knaben Wunderhorn. Band 1, Stuttgart u.a. 1979, S. 255-257.
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