Der Himmel hängt voll Geigen

[295] Bairisches Volkslied.


Wir genießen die himmlischen Freuden,

Drum thun wir das Irdische meiden,

Kein weltlich Getümmel

Hört man nicht im Himmel,

Lebt alles in sanftester Ruh;

Wir führen ein englisches Leben,

Sind dennoch ganz lustig daneben,

Wir tanzen und springen,

Wir hüpfen und singen,

Sanct Peter im Himmel sieht zu.[295]


Johannes das Lämmlein auslasset,

Der Metzger Herodes drauf passet,

Wir führen ein gedultigs,

Unschuldigs, gedultigs,

Ein liebliches Lämmlein zum Tod.

Sanct Lucas den Ochsen thut schlachten,

Ohn einigs Bedenken und Achten,

Der Wein kost't kein Heller

Im himmlischen Keller,

Die Engel, die backen das Brod.


Gut Kräuter von allerhand Arten,

Die wachsen im himmlischen Garten,

Gut Spargel, Fisolen,

Und was wir nur wollen,

Ganze Schüssel voll sind uns bereit

Gut Aepfel, gut Birn und gut Trauben,

Die Gärtner, die alles erlauben.

Willst Rehbock, willst Hasen?

Auf offner Straßen,

Zur Küche sie laufen herbei.


Sollt' etwa ein Fasttag ankommen,

Die Fische mit Freuden anströmen,

Da laufet Sanct Peter

Mit Netz und mit Köder

Zum himmlischen Weiher hinein;

Willst Karpfen, willst Hecht, willst Forellen,

Gut Stockfisch und frische Sardellen?

Sanct Lorenz hat müssen

Sein Leben einbüßen,

Sanct Marta die Köchin muß seyn.[296]


Kein Musik ist ja nicht auf Erden,

Die unsrer verglichen kann werden,

Eilftausend Jungfrauen

Zu tanzen sich trauen,

Sanct Ursula selbst dazu lacht,

Cecilia mit ihren Verwandten,

Sind treffliche Hofmusikanten,

Die englische Stimmen

Ermuntern die Sinnen,

Daß Alles für Freuden erwacht!


Quelle:
Achim von Arnim und Clemens Brentano: Des Knaben Wunderhorn. Band 1, Stuttgart u.a. 1979, S. 295-297.
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