Fünfzehnter Auftritt.

[138] Zimmer der Celinde mit vielen Sophas, Alabasterlampen und Blumen geschmückt.


CELINDE. Er kommt, er kommt, wie soll ich mich halten, daß ich ihm nicht an den Hals fliege, was wird er sagen, wenn er mich erkennt, wie klopft mirs Herz!

CARDENIO eintretend. Verwundert bleibe ich beim ersten Eintritt stehen, bekannt und unbekannt sind Sie mein Fräulein mir zugleich und in so gleichem Grade, daß ich des Grußes Art nicht recht bestimmen kann, – seh ich die hochgeschminkten Wangen, so[138] möcht ich ganz vertraulich sprechen, dann möcht ich wiederum befehlen und dann gehorchen.

CELINDE. O möchte alles dreie sich vereinen, so würde mir recht wohl.

CARDENIO. Das sagt mir fast zu viel.

CELINDE. Beschämen Sie mich nicht, hab ich mich im Geständniß überrascht – ich kenne Sie schon lange.

CARDENIO. Fast mein ich eben so.

CELINDE. Ich will das Räthsel lösen. Gedenken Sie noch wohl des muntern Knaben, der in der Krankheit und Abwesenheit des alten Hans die Röcke klopfte, die Stiefeln reinigte, nun, ich wars, ich hatte mit dem Alten mich besprochen, für meine Mühe gab ich ihm noch Geld.

CARDENIO. Ich will es Ihnen wieder geben.

CELINDE. Du hast wohl eine Münze, aber die ist dir ans Herz gewachsen.

CARDENIO. Vom Herzen schweig, ich mag davon nichts wissen, es ist ein lächerlicher Muskel, und sieht ganz anders aus im Menschen, als auf dem Altar unsrer Alltagsmalerei, das Blut fließt ein und aus, und weiter ist es nichts.

CELINDE. Du Thor, was sagte mir denn dieses Herz, wenn ich dich Morgens an den Haaren zupfte, dich aus dem tiefen Schlafe zu erwecken, ach da ging doch viel mehr herein, heraus durchs Herz[139] als Blut, es war ein Hauch der mich durchbebte, als würd ich neu geschaffen – fühle jetzt mein Herz, es schlägt, als käme ich aus einem heftgen Tanze und saß doch still in meiner Kammer hier.

CARDENIO. Es fühlt sich gut an dieses Herz ich muß ihm glauben, es poche stolz in meiner Nähe, aber sprich, was soll denn dieser Zimmerprunk in später Nacht, der schelmisch leichten Kleider fliegend Nichts, der Demant durch das schwarze Haar geflochten.

CELINDE. Das sind nur falsche Steine, ach was frägst du denn so viel, nicht alle Männer sind so ernsthaft hier, wie du. Weißt du noch wohl, wie du mich sonst gefragt, als ich dein Knabe war, ob ich auch schon zu Mädchen ginge?

CARDENIO. Jetzt frag ich dich, ob du zu Herren gehst, du merkst, es muß doch was in deinen Blicken liegen, denn jener Knabe war dir aus dem Aug geschnitten.

CELINDE. Doch taugen meine Augen noch, dich anzublicken, ich wollte, daß ich keinen andern je gesehen.

CARDENIO. Sag nur aufrichtig, sage, bist du ganz gemein? Ich wills nicht wieder sagen, und ich möchte deinen wahren Namen auch gern wissen.

CELINDE. Gemein! Beim Himmel nicht, ich zeichnete mich früh vor allen aus, hast du von mir[140] noch nie gehört, ich heiß Celinde, die Tochter der Kriegsräthin Tyche.

CARDENIO. Was Teufel, so gehörst du ja zum ersten Kreise in der Stadt, du hast zwar schlimme Nachred, doch die hat wohl jede hier, so wirst du durch Verläumdung allen gleich. Ich werde doch schon traulicher mit dir, ich meinte dich vorher der Venus Priesterin, die ganze Menschenrassen ihrem falschen Dienste opfert, ja das ist eure Schuld ihr Mädchen unsrer Zeit, geht ihr doch angezogen wie der Sünde Lockungsbilder.

CELINDE. Ach deine strenge Thorheit ist so lieb, bewahr dich ja vor allen andern Mädchen, sie sind meist schlimm, ich bin dir gut, vertraue mir.

CARDENIO. Vertraue mir zuerst, wer hier von dir gegangen, oder wer von dir erwartet wurde?

CELINDE. Ich muß es dir schon sagen, die Uhren schlagen Zwölf, in einer Stunde ist er hier, da muß es alles ganz entschieden sein, hier zwischen uns dann kommt mein ganz verhaßter Liebhaber.

CARDENIO. Verlangst du Geld, dich von ihm los zu machen, verlangst du meinen Degen, dich zu schützen?

CELINDE. Nein beides nicht, nur deine Liebe kann mir helfen. Jetzt schwöre mir, daß du verschweigen willst, was ich dir hier vertraue.[141]

CARDENIO. Viel eher würde ichs vergessen, als darüber schwatzen.

CELINDE weint. Ich bin unsäglich unglücklich der Predger, Lyrer, der mich im Glauben unterweisen sollte, hat mich berückt mit Liebesthorheit, und jetzt haß ich ihn aus voller Seele, ich weiß nicht mehr, wie alles sich verlaufen, ich liebte auch Viren, doch seit ich dich gesehn nicht mehr, ich zittre vor dem Prediger und weiß es nicht warum, ich diene seiner Lust ganz ohne Lust, zu dir ist alle meine Liebe hingewendet.

CARDENIO. Zu mir, du armes Kind, bei mir da findet sie ein ödes Haus, da hat der Feind getobt, in blinder Wuth die Federn in den Wind geschüttet, auf denen wir so weichlich ruhen könnten.

CELINDE. Mein armer Freund, ich will dein Haus dir wieder füllen, vertrau mir nur, hast du der Liebe Schmerz getragen, so wirst du ihre Freuden dankbar anerkennen.

CARDENIO. Ich sah, der Mensch kann auf verschiedne Arten leben, vielleicht kann er auch ganz verschieden lieben.

CELINDE. Du bist ein Philosoph, mein Predger ist es auch, dir läßt es aber besser. Du mußt doch alles wissen, sag, was denk ich jetzt?

CARDENIO. Daß ich es nicht errathen werde – nur wird so lächerlich in meiner Haut, ich möchte[142] eine Vorlesung dir halten, vom Menschenleben, wie es anfängt und vergeht, vom Organismus aller Welt.

CELINDE. Sprich nichts vom Organisten, der ist des Predgers Liebesbote. Was wollt ich dir schon sagen? Ja, da hast du einen Kuß.

CARDENIO. Es siehts doch Niemand, liebes Kind, verhäng das Bild, es sieht so wunderlich, so zärtlich und so schmerzlich auf mich nieder.

CELINDE. O laß es nur, die hat geküßt wie wir und noch viel mehr, es ist die Ahnenfrau aus ferner Zeit.

CARDENIO. Den Spiegel aber mag ich gar nicht leiden, ich sehe drin so ganz verzweifelt aus, als spielt ich um des Herrn Jesu Kleider Würfel. Verhäng ihn liebes Kind.

CELINDE. Du bist ein wunderlicher Mensch, ich muß dir alles zu Gefallen thun, du thust mir gar nichts zu Gefallen, kaum weiß ich noch, ob du mich magst, ob du mich annimmst, wenn ich selbst mich dir so einzig schenke.

CARDENIO. Du bist ein liebes Kind. Er küßt sie.


Quelle:
Achim von Arnim: Sämmtliche Werke. Band 16, Berlin 1846, S. 138-143.
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