Capitul XXI
Sie hören den dritten Narren erzählen, wer er sei

[57] »Monsieur«, sprach der Spitalmeister, »der Herr redet etwas grob, aber doch saget er die gründliche Wahrheit. Es sind ihrer mehr herinnen gewesen, welche eben ein solches Lied gesungen haben. Als ich noch ein kleiner Knab war und ein alter Magister Hochzeit hielt, so setzte man die jungen Doctores für Schauessen auf. Aber heutzutage hat sich das Blatt umgewendet, und es ist auch besser für mein Haus. Auf daß es fein voll und complet werde und meine Intraden sich desto höher belaufen, kann ich's gar wohl geschehen lassen, daß es allenthalben wunderlich zugehe.« In diesem Gespräche verließen wir den ehrlichen Doctor ohne Bart und gingen eine andere Reihe Kammern vorbei. Darinnen saßen allerlei Künstler und Handwerksleute, darinnen auch Franciscus de la Spina, der berühmte Spanier, war, welcher sich unterstanden, mit einem Schiffe in der Luft zu segeln. Auf der anderen Seite saßen allerlei Historici und Bücherschreiber.[57] Über diesem Saal hatten die Herren Satirici ihr Logament, unter welchen man etliche an den Ketten rasseln hörte. Auf der Abseite dieses Saals hatte es eine steinerne Treppe in ein Rondell, darinnen die Jungfern, so gerne Männer hätten, in unbeschreiblicher Zahl anzutreffen waren. Die vom Adel hatten das obere, die Bürgerstöchter aber das untere Zimmer, denn weil sich die vom Adel um etliche Grad höher aestimieren, so sind sie billig auch um etliche Grad in dem Narrenspital höher als andere logiert worden, denn der Spitalmeister war hierinnen sehr vorsichtig und absonderlich dahin beflissen, damit ja jeder nach seiner Dignität und Würde accomodiert möchte werden. Unter diesem Rondell des Frauenzimmers war ein Soldat in einem Gefängnüß, redete nichts als von Stürmen, Feuer- und Granatkugeln, von Mörsern und Kartaunen, wie er nämlich mit einer Muskete zwei Königreich über den Haufen schießen und mit einem Strohwisch sechs Festungen einnehmen wollte. Auch hörten wir ihn schreien und rufen, daß er Breisach mit einer Butzschare so versperren wollte, daß man weder Proviant noch Munition hineinbringen könnte. Es war kein Obrister im ganzen Land, welchen er nicht kennete, und er gab vor, als wäre er ehedessen ein Walfisch in der Insel Rügen gewesen. »Ha«, sagte er, »ich armer Teufel muß nun wegen meiner Courage hier in diesem stinkenden Gefängnüß sitzen. Man tut recht, daß man mich nicht los lässet, die ganze Welt müßte sonst vor mir erzittern. Meine Völker liegen noch in ihren Winterquartieren, sobald es Sommer wird, will ich die Stadt Calicut belagern und meinen Landsleuten ganze Proviantwagen voll Pfeffer zur Ausbeute heraus schicken.

Der große Mogul muß mir die besten Pfefferkuchen verehren, und den Gran Bassa zu Ofen, den will ich zum Feldwebel über die Husaren bestellen. Alsdann will ich eine neue Schlacht vor St. Gotthard anfangen und meine Feinde mit lauter Heuschrecken und Eierschalen zum Land ausjagen. Die Stadt Fünfkirchen will ich zu einer großen Insel machen. Darauf sollen alle Nacht 4000 Pechfackeln brennen, und wann ich sterbe, so soll man mich daselbst in den Turmknopf hinein vergraben, und meine Grabschrift soll man dem Hahn, so auf der Kirche steht, in den Hintern schreiben. Wem hat man's zu danken als mir, daß ich die Tartaren erschlagen habe? Ich habe keinen Vater noch Mutter gehabt, sondern bin aus Pulver, Blei, Salpeter und Schwefel geboren worden. Ehedessen hatte ich sechs Köpfe, aber wie ich die große Schlacht vor Pavia gewonnen, wurden mir zwei abgehauen, und wie mich der große Tamerlan zum Gevatter hatte, band ich meinem Taufpaten einen ein, habe also nur noch drei übrig, die will ich dem gemeinen Wesen zum besten auch daran strecken und mit grausamer Macht zu Felde ziehen. Darnach so wird es Schuhzwecken und Tschakan regnen, da werde ich Taubenflügel und Entenschnäbel auffangen und dem Dorfküster einen Bonus Dies wünschen, damit war's Tag.«[58]

Solche Rede des elenden Soldaten höreten wir auf der Treppe fast eine Viertelstund zu, und Lorenz konnte sich nicht genugsam über so vielerlei Narren verwundern. »Ha«, sagte er, »was gibt es für wunderliche Schuhflicker hier! Sind das nicht Narren? Der Soldat will alle Teufel tothauen und dem Dorfküster einen Bonus Dies wünschen, und der Doctor ohne Bart will die Jurisconsultos in den Backofen schieben. Welcher ist unter diesen wohl der größte Narr? Ich halte der Doctor, denn warum tun die jungen Rotzlöffel so geschwinde zur Sache und wollen flugs Doctor werden? Mein Schulmeister, der ehrliche Spitzbart, sagte oft zu mir: Magis prodest dignitatem mereri, quam habere. Aber dieses Latein will keiner mehr verstehen. O ihr Narren, ihr Narren, wer wird endlich eure Köpfe zurechte setzen? Ich, Lorenz hinter der Wiesen, werde es nicht tun, und wenn ich's gleich könnte, so wollte ich's doch nicht tun. Gelt, Hans«, sagte er zu mir, »in unserm Dorfe gibt's keine solchen Narren?« »Ja, Herr«, sagte ich, »seitdem wir heraus sind, habe ich keinen darinnen gesehen.« Über diese Antwort lachten die anderen Cavalier und fingen nunmehr an, mich ein wenig kennen zu lernen.

Quelle:
Johann Beer: Das Narrenspital sowie Jucundi Jusundissimi Wunderliche Lebens-Beschreibung. Hamburg 1957, S. 57-59.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Das Narrenspital
Sämtliche Werke - Band 5. Weiber-Hächel, Jungfern-Hobel, Bestia Civitatis, Narren-Spital. Herausgegeben von Ferdinand van Ingen und Hans-Gert Roloff
Das Narrenspital