Capitul XXIV
Hans resolvieret sich wegen eines Schneiders zu einem andern Leben

[62] Nach Hinscheiden dieser zwei Frauen, welche das Ihrige auf besagtem Schlosse redlich und wohlhaltend ausgestanden haben, schwang sich unsere Compagnie wieder auf die Klepper, den Wald hindurch zu reiten und dem neuen Bräutigam wieder zuzusprechen. Unterwegens bekam uns ein Bettler von ziemlicher Jugend, und als ich ihn etwas genauer betrachtet, so war es eben derjenige Schneider, welcher mir und meinem Kameraden, als wir unserm Schulmeister davongelaufen, außer dem Wald bei der Kreuzsäule begegnet. »O, du Narr«, sagte ich, »gehe nur fort, du bist schon auf dem rechten Weg begriffen, welcher ins Narrenspital weiset. Ehedessen vermeintest[62] du, ein großer Monsieur zu werden, und sagtest, ich würde den Hut vor dir abnehmen müssen. Itzt stehestu Bärenhäuter selbst in solcher Gestalt vor mir und bettelst ein Almosen.« »Herr«, sagte der Schneider, »felix quem faciunt aliena pericula cautum. Es ist mir elend genug in der Welt gegangen. Die Woche zwei Batzen Lohn und Arbeitsgeld machet lange keinen Cavalier. So verdienet man auch heutzutage in Herrendiensten nicht viel, und im Krieg verliert man mehr, als man hat. Es ist nicht mehr um die Zeit, da die Soldaten das Geld in Hüten davontrugen, wie zu Prag unter dem alten Königsmark geschehen. So gibt es auch keine so gute Beute mehr, wie zu Lützen auf der Leipziger Heide. Saprament, mit Bettelgehen kommt man noch endlich am besten durch die Welt, und was ich heute nicht bin, das kann ich morgen werden. Bin ich schon arm, so bin ich doch lustig, und ich lasse auch in dem größten Elend die Hoffnung auszukommen nicht hinfahren. Ich kenne Euch wohl, daß Ihr bei der Kreuzsäule gewesen. Aber, wie ich sehe, so seid Ihr auch kein großer Potentat, sondern ein lausiger Edelmannsjung, der seinem Herrn den Arsch jucken muß, geworden. Ha, Ihr habt wohl Ursach, mit einer so stinkenden Charge zu stolzieren. Vielleicht werdet Ihr dermaleins noch Roß- und Pferdeknecht, und wenn ich alsdann eine schöne Schabracke machen muß, so will ich zu Euch sagen: Du Knecht, stelle mir das Pferd auf die Seite! Ziehe es besser vor sich! Schiebe zurück! Lenke mir's auf die Seite! Hebe den Sattel hinunter! Mache die Stegreife hinweg! Gelt, ich will Euch cujonieren wie der Teufel und seine Mutter.« Mit solchen Worten eilete er den Wald hindurch, wie ihm der Kopf brannte, und lachte so weit man ihn hören konnte.

Es ist gewiß, daß die Rede des Schneiders eine große Wirkung in mir hatte. Denn ich gedachte bei mir selbst: »Was der Schneider gesagt hat, ist gewiß nicht aus einem Finger, viel weniger aus der großen Zehen gesogen. Die Condition ist zwar wohl gut, aber trefflich unglücklich für meine Person, weil ich gleich einem Gabelholz in die Höhe wachse und nicht allein nichts lerne, sondern noch darzu dasjenige vergesse, was ich ehedessen gelernet habe. So begreife ich auch bei meinem Herrn keine Höflichkeit und lerne nichts als rülpsen, farzen und in die Stube speien. Fressen und Saufen ist mein bestes Handwerk, und wenn ich endlich abgedanket werde, dürfte mein nächster Weg ins Narrenspital gehen.« »Nein«, gedachte ich, »ich will nicht mehr so leben. Buckelkratzen ist ein schlechtes Handwerk, und mit solcher Arbeit findet man gar wenig Meister, die einen Gesellen fördern. Darum so will ich mein Capital auf ein ander Interesse legen und mein Glück in einer anderen Positur aufsuchen.« Solches redete ich zu mir selbst und entschloß mich zugleich, meinem Herrn das beste Pferd aus dem Stall zu stehlen und damit in die weite Welt zu reiten.

Quelle:
Johann Beer: Das Narrenspital sowie Jucundi Jusundissimi Wunderliche Lebens-Beschreibung. Hamburg 1957, S. 62-63.
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