Dritte Scene.

[457] Königin Juliane, ihre Damen, unter ihnen Gräfin Uhlfeld. Die Vorigen.

Der Hof hat sich in einen Halbkreis gestellt.


JULIANE.

Die Majestät des Königs, meines Sohns,

Wir selber fühlen uns den Edlen allen

Des Landes und dem ganzen Volk verpflichtet.

So viel Beweise zarter Treue rühren

Des Königs Herz. Aus jeglicher Provinz

Erfahren wir, wie – fast, ich darf es sagen,

Sich jeder Däne eifrig müht, dem Herrscher

Die Freude zu bezeugen, daß er ihn

Gerettet weiß aus seiner Feinde Macht.

Uns aber nennt man die Befreierin

Des Reichs und wagt zu viel durch solch ein Wort.

Denn was wir thaten für des Landes Wohl,

Wir theilten jede Müh' mit edlen Männern,

Die wir mit Freuden in dem Kreise finden,

Der uns umgiebt. Des Königs Majestät[457]

Hat ihrem glänzenden Verdienst

Den würd'gen Lohn bewilligt und ertheilt.

RANZAU zu Köller.

Bewilligt! Hört ihr's? Ihr verdanken wir's.

JULIANE die durch die Reihen der Hofleute geht, vor dem Fürsten stehen bleibend.

Mich freut's, Erlaucht, euch noch in unsrer Hauptstadt

Zu wissen! Vieles haben wir indessen

Erlebt, manch wunderbaren Wechsel, der

Des Reiches Ruh' gesichert und, ich denke,

Die edlen, uns befreundeten Monarchen

Erfreute! Unsre vielgeliebte Schwester

Von Rußland, eure gnäd'ge Kaiserin,

Hat uns versichert, daß ihr edles Herz,

Seit langer Zeit besorgt für Dänmarks Glück,

Den Sturm befürchtet, der dem Reich gedroht.

FÜRST.

Sie weiß, daß ihre Furcht geendet ist,

Da sie das Schicksal dieses theuren Landes

In euren Händen ruhen sieht.

JULIANE.

Ich weiß

Daß unsre kaiserliche Schwester stets

Mit Liebe unsrer dachte.

FÜRST.

Immer hegte[458]

Sie hohe Meinung von den seltnen Gaben,

Die eurer Majestät erhab'nen Geist

Zum Heile Dänmarks schmücken.

RANZAU zu Köller leise.

Hört ihr ihn?

Die Zunge log noch jüngst Mathilden Ehrfurcht

Und glühende Bewund'rung.

KÖLLER leise.

Nimmt's euch Wunder?

Wir sind am Hofe, Graf. Die Rede steigt

Und fällt, wie sich des Glückes Wetter ändert.


Juliane ist bis zum äußersten Ende des Halbkreises zu Schack gekommen. Sie spricht leise und eifrig mit ihm. Beide treten in den Vorgrund.


JULIANE.

Die Zög'rung, wiederhol' ich euch, mißfällt mir.

SCHACK.

Wie ich euch sagte, Kön'gin, das Gericht

Ist in Verlegenheit.

JULIANE.

Ich aber will ihn

Vergessen, diesen Struensee. Sei Urtheil

Muß Tod, – Tod lauten durch des Henkers Hand.

Wir haben ihn des Hochverraths beschuldigt.

Ist er kein Hochverräther? Hat er nicht

Die alten Rechte umgestürzt, hat Neues,[459]

Noch nie Erhörtes in der Dänen Land

Gewollt, – vollbracht?

SCHACK.

Wähnt Majestät, ich wollte

Mich dem Verhaßten zum Vertheid'ger dingen?

Er that's; doch war er nicht Minister? Führt' er

Das Siegel und die Vollmacht nicht des Königs?

Wir sind hier nicht in England, Königin.

In Dänmark klagt die Majestät des Königs

Des Hochverraths sich selber an, verhängt er

Tod über den Vollstrecker der Befehle,

Die er selbst unterzeichnet, sie geheiligt

Durch seinen Namen. Fühlt Ihre Majestät,

Wie ängstlich das Gericht dies muß erwägen?

Des Vorwand's mindestens bedarf es doch!

JULIANE.

Den sucht ihr thöricht, und erwägt ihr nicht.

Was Jeglicher geseh'n? Daß er's gewagt,

Auf seine Königin sein frevelnd Aug'

Zu richten.

SCHACK.

Blicke fallen nicht

In des Gerichtes Wage.

JULIANE.

Freilich, freilich

Will man ihn schuldlos.[460]

SCHACK.

Schuldlos, ich?

JULIANE.

So macht die Blicke zum Verbrechen.

SCHACK.

Doch

Dürfen wir auf nied'rer Diener Zeugniß

Ein solch Verbrechen glauben? Wird die Welt

Uns nicht verdammen, wenn wir ihn verdammt,

Ohn' ein gewichtig Zeugniß gült'ger Lippen

Gehört zu haben? Hofft ihr, daß er selbst

Des stillen Frevels sich beschuld'gen werde?

Er wird es nicht.

JULIANE.

Erpreßt ihm das Geständniß.

SCHACK.

Befehlt ihr, Majestät, durch Folter?

JULIANE.

Nein.

SCHACK.

So bliebe, wenn er selber nicht gesteht,

Das eine Mittel nur, die Königin

Mathilde zum Geständniß zu bewegen,

Daß er's gewagt, des Herzens Frevel ihr

Zu offenbaren, daß sie ihm verzieh'n![461]

JULIANE.

Das wolltet ihr?

SCHACK.

Will Eure Majestät

Mir Vollmacht geben, was ich will, zu thun,

Errett' ich euch den Schein und das Gesetz.

Nicht Willkür nur soll ihn gerichtet haben.

JULIANE.

Die Vollmacht fertigt selber aus und sendet

Sie mir sogleich zur Unterschrift.

SCHACK.

So werd' ich

Noch heute mich nach Kronenburg begeben.

JULIANE zur Versammlung.

Die Stunde ruft euch zu der Majestät

Des Königes, und wir entlassen euch!


Alle ab.


Quelle:
Michael Beer: Sämmtliche Werke. Leipzig 1835, S. 457-462.
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