Zehnter Auftritt

[31] Theodora, Lisette treten von einer andern Seite auf.


THEODORA. Da geht mein Vater. Es ist gut, daß er geht; in dieser schrecklichen Unruhe mögte ich nicht vor ihm erscheinen. O Lisette, ich fühle mich so geängstigt, wie ich noch nie gewesen bin.

LISETTE. Warum denn?

THEODORA. Hast Du ihn nicht gesehen? Das war er, der mich so einnehmend grüßte.

LISETTE. Ich habe ihn recht genau angesehen. Es ist ein allerliebster, unwiderstehlicher Mensch.

THEODORA. Ach, er hatte ein sehr schönes Mädchen bei sich.

LISETTE. Sie sind auch schön.

THEODORA. Sage mir das nicht! Ich fühle es viel zu sehr, daß ich nicht den zehnten Theil so schön bin, als sie.[31]

LISETTE. Sie können es mit jedem Mädchen in der Stadt aufnehmen. Hörten Sie nicht, daß selber Ihr Herr Vater sagte, daß er Sie gern in der Ferne sehen wollte? Das war blos, um Sie mit andern Mädchen zu vergleichen, und sich an Ihrer Gestalt zu ergötzen.

THEODORA. Du redest mir allerhand angenehme Dinge vor.

LISETTE. Nichts, als was Wahrheit ist. Aber hörten Sie auch daß er sagte, Sie könnten keinem Mann ins Auge sehn? Das gefiel ihm nicht. Und glauben Sie mir, Sie würden noch zehnmal liebenswürdiger seyn, wenn Sie so frei und dreist gegen die Männer wären, als wir andern Mädchen.

THEODORA. Meine Mutter hat mir das nie gesagt, auch habe ich nie gewünscht, schön zu seyn. Aber jetzt wünsche ich, daß ich schön wäre, wie ein Engel; blos, um ihm zu gefallen.

LIFETTE. Da kömmt er eben her.

THEODORA. Wo? wo?

LISETTE. Hier von der Seite; er kömmt gerade auf uns zu.

THEODORA. O, mein Gott, Lisette, sage mir, was ich machen soll, wie ich mich benehmen soll?[32]

LISETTE. Seyn Sie nur dreist und ungezwungen; so recht fröhlich!

THEODORA. Nein, das kann ich nicht. Mir wird ganz bange. Bleibe ja bei mir, Lisette!


Quelle:
Benkowitz, Karl Friedrich: Die Jubelfeier der Hölle, oder Faust der jüngere. Berlin 1801, S. 31-33.
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