Achter Auftritt

[69] Oeffentlicher Spaziergang. Faust und Paulina treten auf.


FAUST. Wenn alle Kronen der Erde auf der einen Seite lägen, und Paulina auf der andern, ich wählte Paulina.

PAULINA. Sehr schmeichelhaft, aber bedeutungslos in dem Munde eines Mannes, der eine Gattinn besitzt.

FAUST. Bedeutungslos? O warlich, es soll bedeutend werden, Paulina! nichts auf Erden kann mich glücklich machen, als Ihr Besitz.

PAULINA. So etwas darf ich nicht anhören. Sagen Sie dies Ihrer Gattinn; auf deren Besitz dürfen Sie rechnen, und ihr gehört das Herz, über welches Sie hier bestimmen wollen.

FAUST. Ihr? Nein, so wahr mir Gott helfe, ihr gehört es nicht mehr! Ihnen, göttliche Paulina, gehört es nur allein, und ewig wird es das Ihrige bleiben. Sollte es sich loswinden, es würde bis zur letzten Faser zerrissen werden, und mich tödten.

PAULINA. Noch einmal: solche Worte kann ich von einem verheiratheten Manne nicht anhören.

FAUST. Ich werde es nicht lange mehr seyn.[69]

PAULINA. Das sollte mir leid thun.

FAUST. Was soll ich beginnen?

PAULINA. Ihre Leidenschaft bekämpfen.

FAUST. Das vermag ich nicht, und wenn Himmel und Erde sich dagegen auflehnten. Ich habe gekämpft, schrecklich gekämpft, als ich vernahm, mein Todfeind sey der Vater meiner Geliebten; ich habe fürchterlich gekämpft, als meine Gattinn, meine Kinder vor meinem Geist aufstiegen. Aber ich bin zu schwach. Ein Gedanke an diese himmlische Gestalt hat alle meine Entschlüsse vernichtet. Als Jüngling, als achtzehnjähriger Jüngling habe ich nicht so feurig geliebt, und selbst der Ewige dort oben kann nun das Toben in meinem Busen nicht mehr stillen.

PAULINA. Aber wie soll denn dies enden?

FAUST. Durch Besitz. Ich will mich trennen von meiner Gattinn, ich will Paulinen alles zum Opfer bringen, ich will ihr meinen ganzen Reichthum zu Füßen legen; nur ein Wort wünsche ich vorher aus diesem himmlischen Munde zu hören, das Wort: Liebe.

PAULINA. Dies Wort kann nur dann gefordert werden, wenn ein Mann nicht mehr an eine Gattinn gebunden ist.

FAUST. Nein, Paulina, ich fordre es vorher.[70] Alles, was das Glück meines Lebens machte, meinen ganzen Himmel will ich wegwerfen; soll ich nicht wissen, ob ich einen neuen hoffen darf?

PAULINA. Schonen Sie die weibliche Schüchternheit! Wie soll mein Mund gestehen, daß ich einen verheiratheten Mann liebe?

FAUST. Englisches Geschöpf! ein Strahl von Hoffnung leuchtet mir, wie vom Himmel herunter. Werden Sie ihn lieben, wenn er es nicht mehr ist? Erbarmen Sie sich meiner tödtenden Zweifel, reden Sie!

PAULINA mit niedergeschlagenem Blick. Ich werde ihn lieben.

FAUST. Nun wohl, so habe ich meinen Himmel erobert! Ich gehe nun, ihn zu verdienen, und der Gottheit, die ich anbete, meine Opfer zu bringen. Aber unser Bund ist noch nicht besiegelt; darf ich ihm das heilige Siegel aufdrücken? Paulina steht verschämt da. Faust umarmt sie, und giebt ihr einen feurigen Kuß. Nun lebe wohl, Königinn Deines Geschlechts! bald bist Du ewig mein![71]


Quelle:
Benkowitz, Karl Friedrich: Die Jubelfeier der Hölle, oder Faust der jüngere. Berlin 1801, S. 69-72.
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