Vierter Auftritt

[89] Zimmer in Fausts Hause. Theodora kömmt niedergeschlagen mit Lisetten herein.


THEODORA. Ueberall gehe ich umher, und finde nirgends Ruhe. O Lisette, wie ist es in wenigen Monaten so ganz anders mit mir geworden! Meine Mutter ist verloren, mein Vater tief zur Erde gebeugt, mein Bruder ein elender Siechling, und ich? Allmächtiger, was bin ich?

LISETTE. Nicht so traurig, liebe Mamsell! Es wird alles gut werden.

THEODORA. Auf Deine Worte kann ich nicht hören; o hätte ich nie darauf gehört! sieh, so wäre diese Wange nicht so bleich, dies Auge nicht so verweint. Ich dulde Dich jezt nur um mich, weil ich kein Wesen habe, in dessen Busen ich mein geängstetes Herz ausschütten könnte; aber Du bist die Schlange, die mein Leben vergiftet hat.

LISETTE. O mein Gott, wer konnte denn wissen, daß es so kommen würde? und es ist ja noch nicht alles verloren, er liebt Sie ja noch.

THEODORA. Er liebt mich noch? Sage dies noch einmal Lisette, wenn Du es auch nicht glaubst,[89] wenn es auch nicht wahr ist; die bloßen Worte sind so schön. Ach, ein ganzer Himmel läge darin, wenn sie Wahrheit enthielten. Wäre doch die Stunde schon da, wo er kommen wird! Ich will heute den lezten Angriff auf sein Herz machen, ich will mich aus dieser marternden Ungewißheit loswinden, ich will ihm sagen, was mein Mund sich zu sagen weigert; was meine Wangen mit glühender Schaamröthe färbt. – Ich habe auch hier keine Ruhe. Komm Lisette, in den Garten. Ich will so lange wild darin herumlaufen, bis er kömmt. Beide ab.


Quelle:
Benkowitz, Karl Friedrich: Die Jubelfeier der Hölle, oder Faust der jüngere. Berlin 1801, S. 89-90.
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