[54] Kunigunde, Röschen, Mephistopheles, Franz und Wohlhaldt.
RÖSCHEN.
Sprecht, wo sind' ich den Geliebten?
Sagt es mir, der Tiefbetrübten,
Daß von heißer Sehnsucht Schmerz
Er befreie dieses Herz.
KUNIGUNDE.
Ha! was muß ich hier erblicken!
Mich allein nur zu bestricken,
Mit verführter Sinne Trug,
War dem Frevler nicht genug![54]
MEPHISTOPHELES.
Wie die Turteltäubchen girren,
Ihre Klagen mich umschwirren,
Eitler Worte leer Getön!
Mir nicht länger auszusteh'n!
Wendet sich mit Hohn ab.
WOHLHALDT zu Röschen.
Süßes Kind, willst du mich hören?
Wonne soll es dir gewähren.
Haß' den Falschen, – folge mir!
Ich bin treu, ich schwör' es dir!
FRANZ.
Ach, wie soll ich aus den Ketten
Des Verführers sie erretten!
Was ich rieth und was ich bat,
Sie verschmähet Bitt' und Rath!
RÖSCHEN.
Wo mag er weilen? Ach!
Mich treibt der Liebe Ungeduld!
WOHLHALDT.
Umsonst! sie will mich nicht erhören!
Verschmäht von ihr, ich trag' es nicht!
Ab.
FRANZ.
Wohlan! ich lasse sie gewähren,
Ob auch mein Herz vor Kummer bricht.
MEPHISTOPHELES frohlockend.
Nimmer kann er weiten,
Zeit und Stunde eilen,
Ihn ereilt die Strafe seiner Schuld.
RÖSCHEN Kunigunden erblickend.
Weh! Ich muß vor Leid vergehen,
Die Verhaßte hier zu seren,
Die mir seine Liebe stahl.
Nicht ertrag' ich diese Qual!
KUNIGUNDE sanft zu Röschen.
Dein Geschick ist zu beweinen,
Gleich dem meinen,
Wenn dein Herz ihn liebt,
Der mein Lebensglück getrübt.
RÖSCHEN.
Ja, du bist es, du allein,
Die mir schafft so herbe Pein!
Ich lebte so selig in meinem Traum,
Nichts Glücklicher's faßte der Erdenraum.[55]
KUNIGUNDE.
Sei getrost, die Rache eilt!
Sie erfaßt ihn, wo er weilt!
MEPHISTOPHELES zwischen sie tretend.
Bald ist es enthüllt,
Euer Schmerz gestillt;
Faßt euch in Geduld!
Ihn ereilt,
Wo er weilt,
Seine Schuld!
Stolz sich erhebend.
Seht in mir den Richter hier!
Kunigunde und Röschen entfernen sich schaudernd von ihm.
Buchempfehlung
Das bahnbrechende Stück für das naturalistische Drama soll den Zuschauer »in ein Stück Leben wie durch ein Fenster« blicken lassen. Arno Holz, der »die Familie Selicke« 1889 gemeinsam mit seinem Freund Johannes Schlaf geschrieben hat, beschreibt konsequent naturalistisch, durchgehend im Dialekt der Nordberliner Arbeiterviertel, der Holz aus eigener Erfahrung sehr vertraut ist, einen Weihnachtsabend der 1890er Jahre im kleinbürgerlich-proletarischen Milieu.
58 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.
396 Seiten, 19.80 Euro