Vierzehnte Scene

[27] Julius. Frau Barbara Klammer.


BARBARA ist einfach bürgerlich, aber sehr anständig gekleidet, steht wie versteinert. Na nu! da bitt' ich zu grüßen! – Guten Morgen, Herr Julius! Sie geht in den Vorgrund und setzt ihren Korb auf den Tisch. Was haben Sie denn da für eine verrückte Gesellschaft? Fährt der Mensch in meiner Stube herum wie ein Brummkreisel! Ist denn das nicht der luftige Baron, der in der Bell-[27] Etage die Cour macht und nie die Hausthür hinter sich einschlägt? Was wollte der hier bei mir?

JULIUS. Wir sind Freunde, Frau Försterin, er sah mich zufällig durch's Fenster, Lächelnd. von dem haben wir Beide nichts zu fürchten.

BARBARA. Wer sagt Ihnen denn, daß ich was fürchte? Meine Emma ist gut erzogen, weiß, daß ich keinen Spaß verstehe, daß bei mir parrirt werden muß – sonst Sie holt aus. kennt sie meine Handschrift. In dieser ehrlichen Wohnung gehen die Barone nicht aus und ein, denn wenn einer einmal da war, vergeht ihm das Wiederkommen.

JULIUS pikirt. Sie haben ein Vorurtheil, Frau Försterin, es giebt in jedem Stande ehrliche Menschen!

BARBARA. Ih das versteht sich, das gebe ich gern zu! Aber bei hübschen Bürgermädchen pflegen für gewöhnlich die vornehmen Herren die Ehrlichkeit nicht zu praktiziren; das ist nun einmal mein Prinzip, und die Emma weiß, daß ich meine Prinzipien aufrecht zu halten verstehe. – Ja so – wo ist sie denn?

JULIUS. Die gnädige Frau aus der Bell-Etage hat sie zu einem kleinen Gang abgeholt, und Emma hieß mich, Sie, Frau Försterin, hier erwarten!

BARBARA. So? da wird's wohl wieder an ein Einkaufen gehen; in Gottes Namen, es ist besser, Sie hören's allein, was ich Ihnen zu sagen habe. Passen Sie auf! Da der Herr Geheimerath keine Anstalten zur Rückkehr nach Berlin macht, und folglich mein Bruder auch nicht zurück kann, so habe ich ihm – wie's meine Schuldigkeit war – die ganze Liebesgeschichte von Ihnen und der Emma berichtet, und daß Sie ehrliche Absichten haben und daß Sie nur noch nicht Herr Ihres Willens seien. Da hat mir nun der Bruder gestern geantwortet: das wäre Alles recht schön, wenn man aber eine Tochter mit tausend Thalern Mitgift und von so guter Familie, wie die unsere, und von so feiner Erziehung verheirathe, da dürfe man sich den Bräutigam denn auch[28] genau besehen. Nun meint er, daß Sie die Einwilligung Ihres Vaters erst schriftlich einbringen sollten, nachher könnte die Emma schon ein paar Jahre warten, bis was Rechtes aus Ihnen geworden; wenn nicht, so sollten Sie sich alle Gedanken an das Kind vergehen lassen und sie nicht in schlechten Ruf bringen. Dixi! Die Meinung ist gut und drum ist's auch die meinige.

JULIUS sehr betreten. Aber, liebste Frau Barbara – eine schriftliche Einwilligung meines Vaters, dazu gehört Zeit und Ueberlegung – der alte Herr hat doch auch so seine Ansichten –


Quelle:
Charlotte Birch-Pfeiffer: Vatersorgen. Berlin 1849, S. 27-29.
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