Die Vierdte Bitte


des Vatter Unser-Gebets

[100] 1.

Vatter Unser hier auf Erden,

Der du dort im Himmel bist,

Hör, laß uns erhöret werden.

Dein Sohn unser Bruder ist.

Du bist Vatter: sey uns Sündern,

Sey uns gnädig, deinen Kindern.


2.

Unser Leib und armes Leben

Deiner hier vonnöten hat.

Sol man haben, du must geben:

Alles lebt von deiner Gnad.

Dein ist alles hier auf Erden:

Laß die Notturft unser werden.


3.

Täglich fordert Trank und Essen

Dein Geschöpfe, unser Leib.

Ach! sey unser unvergessen

Und so unser Vatter bleib!

Gib auf unser täglichs Beten,

Was uns täglich ist vonnöten.


4.

Brod wir heischen, deine Kinder.

Thut ein Vatter hier auf Erd,

Thut ein Mensche doch nicht minder,

Gibt dem Kind, was es begehrt.

Brod, O reicher Gott, uns gibe,

Vatter, thu nach deiner Liebe.


5.

Gib uns, wie du oft gegeben,

Das wir auch so oft verzehrt.

Herz und Hand zu dir wir heben,

Laß uns ferner seyn gewährt.

Segen gib zu deiner Gabe,

Daß sie unser Leben labe.


6.

Uns gibst du: ach! gib darneben

Andren, die auch hungrig sind;

Gib uns allen, die wir leben:

Auch der Arme ist dein Kind.

Laß uns selbst den Nächsten laben

Mit dem, was wir übrig haben.

7.

Heute gibst du: gib auch morgen.

Ja du gibest allezeit.

Laß uns nur dich lassen sorgen:

Täglich steht dein Tisch bereit.

Indeß wir dafür dich ehren,

Dein Geschenk mit Dank verzehren.


Quelle:
A. Fischer / W. Tümpel: Das deutsche evangelische Kirchenlied des 17. Jahrhunderts, Band 5, Hildesheim 1964, S. 100.
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