178. Das Mailamm.

[179] Der Bürgermeister von Saulgau hatte von dem einige Stunden entfernten ehedem salemitischen Hofe Bachhaupten alljährlich ein sog. Mailamm zu erheben. Am 1. Mai wurde der Stadtdiener zu Pferd nach Bachhaupten abgeschickt; der mußte vor Sonnenaufgang an Ort und Stelle sein, einen Pistol losschießen und 15 Pfennige (3 Kreuzer 6 Heller) gleichen Schlages erlegen, worauf ihm das Lamm verabfolgt wurde. Der Stadtdiener nahm das Lamm zu sich auf den Gaul und ritt heim, wo ihn schon beim jetzigen Süßemer Weg Alles erwartete; für Kinder war dieser Ritt besonders interessant. Es galt strenge »Beobachtung aller altherkömmlichen Formalitäten hinsichtlich der Zeit, des Ortes und des Empfängers[179] und der von Letzterem zu reichenden Gegenreichniß, der bestimmten Zahl und Qualität von Pfenningen.« Um Unordnungen in Abholung des Lammes vorzubeugen, indem der abgeschickte Rats- oder Kanzleidiener schon für ein Trinkgeld durch des Hofbauren Knecht das Lamm hereinbringen ließ, beschloß die Behörde in Ostrach (das Turn und Taxische Rentamt), daß »der Kastenknecht Joseph Frick von hier am 1. Mai des Jahrs Morgens um 4 Uhr mit einem wohlgewachsenen heurigen Lamm zu Bachhaupten im Wirtshause eintreffen wird, wo derselbe gegen Ausstellung eines Scheines, dem dahin zum Abholen dieses Lammes abgeschickten Ratsdiener zu übergeben hat. Ein Wohllöblicher Stadtrath wird daher ersuchet, den besagten Rathsdiener gefälligst aufgeben zu wollen, daß derselbe an diesem Tag gleichfalls Morgens um 4 Uhr sich in Bachhaupten einfinden, daselbst im Hofe nach dem uralten Herkommen ein Pistolenschuß thun und den Kastenknecht gegen das Lamm 15 Pfenninge eines Schlages wie bisher übergeben solle.« Ostrach 1824, 3. April.

In einem hochfürstlichen Erlaß Ostrach 1821, 26. Aug., Abschrift aus einer hochfürstlich Buchauischen Decretur vom 6. Mai 1805 heißt es: »daß, wenn gleich dermalen keine herrschaftliche Schäferey in Bachhaupten ist, deßwegen die gedachte, auf einem unwidersprechlichen Herkommen und einem unfürdenklichen Besitzstande beruhende Abgabe eines Landes aufgekündet, oder versagt werden könnte.« Von diesem Herkommen sprechen die Akten wol, aber keine enthält Aufschluß über den Ursprung des »Mailamms«. Ein Aktenstück liegt in dem Fascikel vom Kloster Salem, wohin eigentlich die Sache gehören mußte, vom Jahr 1804. Es ist gerichtet an den Saulgauer Stadtmagistrat, der angefragt[180] wird, wie es denn sich mit dem Ursprung des »Mailammes« verhalte, und lautet: »Nach Empfang der verehrlichen Zuschrift vom 4ten d., die bisher gewöhnliche Abreichung eines Maylammes von Bachhaupten betreffend, wurde sogleich über diesen Gegenstand in dem Repertorio des hiesigen Archives genau nachgesucht, hierinn aber ebensowenig als in den nachgeschlagenen Vertragbüchern von dem ursprünglichen Grunde dieser Abreichung etwas vorgefunden; die Ostrachischen Documenta und Acta hingegen sind bei der vergangenen Veränderung dahin instradirt worden.« Salem, 14. Jul. 1804.

Interessant für »unsern Rechtsbrauch vom Mailamm« dürfte ein Brief sein vom Jahr 1700 (gleichfalls bei den Akten), den Frantz Antoni Jäger, Ambtsbürgermeister in Saulgau, an den »Wohl Edlen Vesten vndt Rechtsgelehrten herrn Johann Martin Reinhardt deß hochlöblichen freyen Römisch. Reichs Stüft vnd Münsters Salmanschweyl. Wohlmeritirenden hoffmaister zue Bachhaupten etc.« geschrieben. Er lautet: »Wohl Edler Vester vndt Rechtsgelehrter insonders hochgeehrtister Herr etc. Es ist von Selbsten bewust, daz man nach alter Observanz alljährlich auf den 1. Maytag wegen deß hochlöbl. heyl. Röm. Reichs Stüfts vndt Münsters Salmanschweyl von bachhaupten Ein Maylamb sambt Einem Khösß hiehero zu lüfern schuldig etc. Zue disem Ende dann vnd zue dero Abhollung Vberbringung disß gegen den Empfangenden gebühr abgeschickht worden etc.« Saulgau, 30. April 1700. Revers: »Diß begehren ist mit außuolgung des Lambs allein: Vom Käß aber: weilen die hoffmeisterey Keinen schuldig, nichts vberschickt worden worden, ferners von Ihme Ambtsburgermeister Kein meldung desßen mehr beschehen.«[181]

Das Mailamm wollte man wiederholt ablösen; Saulgau verlangte 100 fl., Ostrach bot 70. Es zerschlug sich Alles, bis ein Gesetz vom 27. Aug. 1848, Verordnungs- und Anzeigeblatt von Hohenzollern-Sigmaringen Nr. 35. S. 316. § 1c. alle derlei Mai-und Martinssteuern aufhob50.

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Auszug aus der Saulg. Stadtregistratur Kast. 4. Fach 1. Fascikel 11. Maylamm.

Quelle:
Birlinger, Anton: Sitten und Gebräuche. Freiburg im Breisgau 1862, S. 179-182.
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