320. Eine Bauernhochzeit in der Gegend von Ehingen a.D. in frühern Jahren.

[354] Der Heiratstag geht in der Regel in ganz Schwaben auf die nämliche Weise vor sich.[354]

Will sich ein Paar verheiraten, so läßt man sich zuerst (z'êst) beim Schultheiß (Schultes) zusammengeben (zẽmmegẽe), oder mit andern Worten: dort versammeln sich die Eltern und Freunde (d'Frõẽnd) der beiden Parteien, um den Heiratsvertrag in Richtigkeit zu bringen. Es ist da viel zu besprechen hinsichtlich des Heiratguts, der jetzigen oder späteren »Leibnisch« (Leibgeding) an die Eltern, eines etwaigen Rückfalls beim Absterben eines der Brautleute u. dgl. m. Ich sage »Parteien«, denn Jeder rechnet sich's als die größte Ehre an, mit aller Kraft die Partei seiner Bâs oder des Vetters zu vertreten, besonders wenn's an die Brautkuh kommt.

Es war nämlich immer Sitte, daß man der Braut die schönste Kuh im Stall mitgab. Welches nun die schönste sei, darüber gab es oft lebhaften Streit; ja es ist öfters vorgekommen, daß sich die ganze Hochzeitgeschichte wegen der Brautkuh verschlagen hat.

Ist die Sach im Reinen, so muß die Braut mit dem Heiratsvertrag – Tinte und Feder in der Hand – bei den nötigen sieben Zeugen herumlaufen und um Unterschrift bitten. Bevor sie aber geht, muß sie herkömmlicher Weise einen schwarzen Schurz (Schûz) umthun, d.h. sie muß für die Jungfrauschaft trauern (d'Jungfereschaft droure).

Die Schwaben lassen aber solche Festlichkeiten nicht so ganz trocken vorübergehen. Alle Anwesenden begeben sich nun in das Haus der »Jungfer Braut«, seltener in's Wirtshaus, wo sie wacker zechen, und man gratulirt »uff d'nui Frõẽndschaft hẽ« – Sind die Gäste einmal warm, so gibt's meistens allerhand Gşpäss; und mancher Vetter macht der Jungfer Braut rote Backen, weil er vom Stårke (Storchen) und von kleinen Buben und »Mädlen« schwäzt.[355]

Den nächsten Samstag geht Braut und Bräutigam, dabei G'şpil und G'sell, in Pfarrhof zum Zẽmegẽe (Sponsalien halten). Dort wird der »erst Knopf g'macht«, und von jezt an sind sie »Hochzeitleut«. Am darauffolgenden Sonntag werden die Brautleute das erste Mal, über acht Tage das zweite Mal und (wenn's nicht pressirt) den Sonntag drauf das dritte Mal »von der Kanzel râkeiht« (herabgeworfen). Die Brautleute sind dann aber nie in ihrer Kirche zu sehen, sondern gehen an diesen Tagen auswärts und laden zur Hochzeit.

Während dieser 14 Tage ist aber oft das ganze Ort in Allarm gesezt, besonders wenn d'Frõidschaft groß ist; denn eine solche Hochzeit braucht viel Herrichten

Die Braut hat über Hals und Kopf einzukaufen. Nicht nur, daß sie ihr Sach herrichten muß – dazu hat die Mutter selig schon geholfen und die Kästen gefüllt –; es ist auch ihre Sache, für die Geschenke, die man den Frŏid geben muß, alle mögliche Sorge zu tragen.

Da ist der Pfarrer, dem man ein Schnupftuch geben muß, dann der Schulthes, und die übrigen weitläufigen Vettern und Bâsen wollen auch ein's; den G'spielen und Gesellen und den nächsten Frõid muß man aber »fürnehmer« aufwarten. Sie bekommen seidene Leiblen, seidene Schooßen, oft sogar einen silbernen Ring oder ein Gollerkettem.

Diese Geschenke hat dann »d'Nähre« auszutragen, wofür sie ein Trinkgeld erhält.

Die Stube der Braut ist von jezt an vollgepfropft von »Näherinnen«, welche unausgesezt arbeiten müssen. Der Schreiner und seine Gesellen wissen sich vor Arbeit Tag und Nacht keinen Rat; denn da ist eine neue Himmelbettstatt zu machen, dieselbe mit schönen bunten Farben zu bemalen, und das[356] Herz Jesu und Mariens sauber anzubringen; auch oben »am Himmel« darf der heilige Geist nicht vergessen werden. Unten bei der »Fußnet« (bei den Füßen) wird gar zierlich der Name der Brautleute geschrieben, auch wol mit einem Blumenkranz geziert. Auch der Fußnet-Kasten muß wieder einen frischen Kranz bekommen und frisch angestrichen werden mit roten, blauen und grünen Farben, Zierraten võ älle Nazione.

Eine neue Sidel (ein liegender Kasten gleich dem Fußnetkasten, nur daß dieser den Deckel oben hat, während der leztere zwei Thürlen hatte) ist auch noch herzurichten; denn wo will man denn ums Himmelswillen »älles Duech nãbringe, mã bringt's nẽene neẽ!«

Der Sattler kommt auch in's Haus, denn die alten Geschirre müssen hergerichtet, auch wol noch ein neues gemacht werden.

Vom Bräutigam will ich gar nicht anfangen; da kommen Maurer, Schreiner und Zimmerleut, Glaser, Sattler, und was weiß ich alles; denn das Haus wird râbpuzt, die Scheiben ausgebessert, vielleicht sogar noch die Läden hübsch grün angestrichen; das Lederwerk g'visitiert und hergericht't etc.

Die Bursche des Orts füttern ihre Gäul besser (denn das wäre wohl eine Schand, wenn einer einen mageren Gaul hätte) bis zum Hochzeitsritt (auch Ausritt genannt) und laufen in alle angrenzende Ortschaften herum, sich einen recht schönen Reitzaum zu entlehnen.

Quelle:
Birlinger, Anton: Sitten und Gebräuche. Freiburg im Breisgau 1862, S. 354-357.
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