Fünfte Geschichte

[711] Calandrino verliebt sich in ein junges Mädchen, und Bruno macht ihm ein Amulett, mit dem er sie berührt, worauf sie mit ihm abseits geht. Hier aber von seiner Frau überrascht, kommt er in schlimme Händel.


Als Neifile ihre nicht lange Geschichte beendet hatte und die Gesellschaft, ohne viel über sie gelacht oder gesprochen zu haben, darüber hinwegging, wandte die Königin sich zu Fiammetta und gebot ihr fortzufahren. Fröhlich antwortete diese, sie sei gern bereit, und begann:

Anmutige Mädchen, wie ich glaube, wißt ihr, daß es nichts gibt, von dem so viel gesagt wäre, daß nichts mehr davon zu sagen übrig sei, wenn derjenige, der davon reden will, Zeit und Ort gebührend zu wählen weiß. Erwäge ich nun den Zweck, zu dem wir hier versammelt sind – der doch allein darin besteht, Freude und gute Zeit zu haben –, so meine ich, daß alles, was Freude und Vergnügen bringen kann, hier nach Ort und Zeit schicklich sei und daß, hätten wir auch schon tausendmal von einem Gegenstand gesprochen, es immer noch Vergnügen machen müsse, aufs neue davon zu reden. Deshalb wage ich es, wie oft wir auch von Calandrinos Streichen schon erzählt haben, euch außer den schon erzählten noch einen mitzuteilen; denn wie Filostrato vorhin sagte, sind sie alle ergötzlich. Zwar hätte ich, wenn ich mich von der Wahrheit der Begebenheit entfernen wollte, euch diese leicht mit anderen Namen[711] vortragen können oder könnte es noch; da jedoch ein Abweichen von der Wahrheit des Geschehenen das Vergnügen der Zuhörer wesentlich verringert, so will ich euch, gestützt auf die angeführten Gründe, die Sache gerade so erzählen, wie sie sich zugetragen hat.

Niccolo Cornacchini war unser Mitbürger und ein reicher Mann, der unter anderen Besitzungen eine sehr schöne in Camerata besaß. Auf dieser nun ließ er ein anständiges und schönes Wohnhaus errichten und verabredete mit Bruno und Buffalmacco, daß sie es ihm ausmalen sollten. Diese zogen, da es viel Arbeit war, noch Nello und Calandrino hinzu und begannen zu arbeiten. In diesem Hause nun war nur das eine oder andere Zimmer eingerichtet und mit Betten und anderen notwendigen Dingen versehen, auch wohnte nur eine alte Magd als Hüterin desselben darin. Und da es sonst keine andere Dienerschaft dort gab, pflegte ein Sohn Niccolos, der Filippo hieß und unverheiratet war, bisweilen irgendein Frauenzimmer dorthin zu führen, das er ein oder zwei Tage bei sich behielt und dann wieder fortschickte.

Nun geschah es unter anderm, daß er einst ein Mädchen dahin brachte, welches Niccolosa hieß und das ein schlechter Geselle, gewöhnlich Mangione genannt, in seinem Hause in Camaldoli hielt und auch an andere vermietete. Sie war schön von Gestalt, wohlgekleidet und für ein Mädchen ihres Schlages manierlich und zungengewandt.

Als sie nun eines Tages um Mittag, aus ihrer Kammer kommend, im weißen Unterröckchen, die Haare um den Kopf geschlungen, zum Brunnen ging, der sich im Hof des Hauses befand, um sich dort Hände und Gesicht zu waschen, traf es sich, daß gerade Calandrino herbeikam, um Wasser zu holen, und sie zutraulich grüßte. Sie erwiderte den Gruß und schaute sich dabei den Calandrino an, mehr weil sie ihn für einen besonderen Vogel hielt als aus irgendeinem anderen Verlangen. Calandrino schaute sie wieder an, und da er sie schön fand, machte er sich allerhand zu schaffen, weshalb er nicht mit dem Wasser zu seinen Kameraden zurückkehrte. Da er sie aber nicht kannte, wagte er sie nicht anzureden.

Das Mädchen, das seine Blicke wohl bemerkt hatte, schaute[712] ihn, um ihn zum besten zu haben, wieder einige Male an, wobei sie mehr als ein Seufzerchen ausstieß. Die Folge davon war, daß Calandrino sich sogleich in sie vergaffte und nicht eher aus dem Hofe wich, als bis sie von Filippo zurückgerufen ward. Als er nun zu seiner Arbeit zurückgekehrt war, schnaufte er in einem fort. Bruno, der ihm beständig auf die Finger sah und sich überhaupt an allem, was er tat, sehr ergötzte, bemerkte dies gar bald. »Was zum Teufel hast du, Bruder Calandrino?« fragte er ihn daher. »Du tust ja nichts als schnaufen.« »Bruder«, entgegnete ihm Calandrino, »wenn ich jemand hätte, der mir beistände, ich wäre wohl daran.« »Wie?« fragte Bruno. »Ach«, erwiderte Calandrino, »man darf nur nicht davon reden. Aber unten ist ein Mädchen, hübscher als eine Hexe und so verliebt in mich, daß du dich wundern würdest. Eben jetzt erst bin ich es gewahr geworden, als ich nach Wasser ging.« »O weh«, sagte Bruno, »nimm dich nur in acht, daß es nicht etwa die Frau des Filippo ist.« »Ich glaube es fast«, sagte Calandrino, »denn er rief sie, und sie ging zu ihm in die Kammer. Aber was schadet das? In solchen Dingen scherte ich mich den Kuckuck um unseren Herrn Christus, geschweige denn um Filippo. Ich will dir die Wahrheit sagen, Freund, sie gefällt mir so, daß ich es dir gar nicht sagen kann.« »Bruder«, entgegnete nun Bruno, »ich will für dich erkunden, wer sie ist, und ist es Filippos Frau, so will ich deine Angelegenheit mit zwei Worten richtig machen, denn mit der bin ich gut bekannt. Aber wie machen wir's, daß Buffalmacco nichts davon erfährt? Ich kann nimmer mit ihr sprechen, ohne daß er dabei ist.« »Aus Buffalmacco mache ich mir nichts«, sagte Calandrino. »Aber hüten wir uns nur vor Nello. Der ist mit Tessa verwandt und könnte uns die ganze Geschichte verderben.« »Richtig«, sagte Bruno.

Nun wußte Bruno recht wohl, wer jene war, denn er hatte sie kommen sehen, und überdies hatte Filippo es ihm gesagt. Sobald er daher Calandrino die Arbeit ein wenig verlassen und hinausgehen sah, um sie wiederzusehen, erzählte er Nello und Buffalmacco alles, und nun verabredeten sie heimlich miteinander, wie sie ihn seiner Liebschaft wegen zum besten haben wollten. Sobald er zurückkam, fragte ihn Bruno leise: »Hast[713] du sie gesehen?« »O freilich«, antwortete Calandrino, »und sie wird noch mein Tod sein.« »So will ich gehen«, sagte Bruno, »und sehen, ob es die ist, die ich meine, und verhält es sich so, dann laß mich nur machen.«

Bruno ging nun hinunter, und als er den Filippo und das Mädchen zusammen fand, erzählte er ihnen der Reihe nach, wer Calandrino war, und was er ihm gestanden hatte. Dann verabredeten sie, was jeder zu tun und zu sagen habe, um von dieser Liebschaft des Calandrino Spaß und Freude zu haben. Danach kehrte Bruno zu Calandrino zurück und sagte: »Freilich ist's dieselbe, und deshalb müssen wir das Ding sehr klug einfädeln; denn merkte Filippo etwas, dann wüsche uns der ganze Arno mit seinem Wasser nicht rein. Doch sprich, was soll ich ihr in deinem Namen sagen, wenn es sich trifft, daß ich mit ihr ins Gespräch komme?« »Meiner Treu«, antwortete Calandrino, »sag ihr zuvörderst und zuerst, daß ich tausend Scheffel der allerschönsten Liebe für sie im Leibe habe und ordentlich schwanger davon werde; dann sag ihr, daß ich ihr untertänigster Diener bin und frag sie, ob sie nichts von mir begehrt. Hast du mich wohl verstanden?« »Allerdings«, sagte Bruno, »laß mich nur machen.«

Als nun die Essensstunde gekommen war und jene die Arbeit verließen, kamen sie herunter in den Hof, wo Filippo und die Niccolosa verweilten, und hielten sich hier um Calandrinos willen ein wenig auf. Calandrino blickte nun die Niccolosa an und machte die tollsten Gebärden von der Welt, so und solcher Art, daß selbst ein Blinder es gemerkt hätte. Die Schöne ihrerseits tat alles, wodurch sie ihn gehörig zu entflammen glaubte. Filippo aber hatte den größten Spaß von der Welt, während er nach Brunos Anweisung so tat, als ob er mit Buffalmacco und den übrigen spräche und von Calandrinos Benehmen nichts bemerkte. Nach einiger Zeit jedoch verabschiedeten sich die vier Maler, zum großen Leidwesen des Calandrino.

Auf dem Wege nach Florenz sagte Bruno zum Calandrino: »Ich sage dir, sie verzehrt sich um deinetwillen wie Eis an der Sonne. Aber beim Leibe Christi, wenn du deine Zither mitbringst und da eines von deinen Liebesliedern singst, so wirst du sehen, daß sie selbst aus dem Fenster springt, nur um zu dir[714] zu kommen.« »Meinst du, Freund«, sagte Calandrino, »glaubst du, daß ich sie mitbringen soll?« »Ei, wohl«, antwortete Bruno. »Siehst du«, sagte Calandrino, »du wolltest mir heute nicht glauben, als ich's dir sagte. Wahrhaftig, Freund, ich merke, daß ich mich besser als ein anderer darauf verstehe, das zu erlangen, was ich will. Wer anders als ich hätte eine solche Dame wie diese so schnell verliebt machen können? Wahrhaftig, jene jungen Laffen nicht, die alles auf der Meermuschel ausposaunen und den ganzen Tag auf und ab laufen und doch in tausend Jahren nicht drei Handvoll Nußkerne erschnappen. Nun solltest du mich aber erst ein Weilchen mit meiner Zither sehen! Da wirst du ein Spiel sehen! Versteh mich wohl, ich bin nicht etwa so alt, wie du wohl glaubst, und das hat sie genau gemerkt, sonst wollte ich es ihr schon beweisen, wenn ich sie erst beim Wickel kriege. Beim lebendigen Leibe Christi, ich will ihr ein Spiel zeigen, daß sie hinter mir herlaufen soll wie das Kalb hinter der Kuh.« »Oh«, rief Bruno, »du wirst sie sicher fassen, und mir deucht schon, ich sehe dich, wie du sie mit diesen deinen Stummelzähnen in ihren roten Mund und in ihre Wangen beißt, die wie ein Paar Rosen aussehen, und sie dann ganz und gar verzehrst.« Als Calandrino diese Worte hörte, glaubte er schon bei der Sache zu sein und schritt singend und hüpfend so froh einher, daß ihm das eigene Fell zu eng wurde.

Am folgenden Tag brachte er die Zither mit und sang zu dieser mehrere Lieder zum großen Ergötzen der ganzen Gesellschaft. Und kurz, er geriet über ihren häufigen Anblick in solchen Müßiggang, daß er keinen Strich mehr arbeitete, sondern tausendmal des Tages bald ans Fenster, bald an die Tür, bald hinunter in den Hof lief, um sie zu sehen. Das Mädchen aber, das nach der Anweisung Brunos verfuhr, gab ihm auf listige Art vielerlei Anlaß dazu. Andererseits brachte ihm Bruno stets Antwort auf seine Botschaften und richtete von ihrer Seite zuweilen dergleichen an ihn aus. War sie nicht zugegen, was meist der Fall war, so ließ er Briefe von ihr ankommen, in denen ihm große Hoffnung gemacht wurde, ans Ziel seiner Wünsche zu gelangen, jedoch mit der Beifügung, daß sie sich jetzt im Hause ihrer Eltern aufhalte, wo er sie nicht sehen könne.[715]

Auf diese Weise ergötzten sich Bruno und Buffalmacco, welche die Sache eifrig betrieben, auf das köstlichste an dem Gebaren Calandrinos, indem sie sich von ihm, als ob seine Geliebte dergleichen verlangt hätte, bald einen Elfenbeinkamm, bald eine Börse, bald ein Messerchen und andere Kleinigkeiten mehr geben ließen und ihm dafür ein paar unechte Ringe ohne jeden Wert brachten, über die Calandrino sich unaussprechlich freute. Überdies aber stiftete er ihnen gute Vesperessen und erwies ihnen allerlei andere Ehre, damit sie sich seiner Angelegenheit desto eifriger annehmen möchten.

Wohl zwei Monate hielten sie ihn so hin, ohne daß weiter etwas geschehen wäre. Als Calandrino nun sah, daß die Arbeit zu Ende ging, und er fürchten mußte, daß, wenn er seinen Liebeswunsch nicht erfüllen könnte, bevor die Arbeit beendet wäre, ihm dies hinterher nie mehr gelänge, fing er an, den Bruno sehr zu drängen und anzutreiben. Da nun das Mädchen gerade wieder nach Camerata gekommen war, traf Bruno zuerst mit Filippo und ihr die notwendige Abrede und sprach dann zu Calandrino: »Sieh, Freund, diese Dame hat mir wohl tausendmal versprochen, zu tun, was du begehrst, und hinterdrein tut sie doch nichts. Daher scheint es mir fast, als führte sie dich bei der Nase herum. Drum dächt ich, tut sie nicht, was sie verspricht, so wollen wir, wenn du es willst, sie schon dahin bringen, es zu tun, mag sie nun wollen oder nicht.« »Ei ja, um Gottes Liebe willen«, antwortete Calandrino, »mach das nur recht bald.« Nun sprach Bruno: »Getrautest du dich wohl, sie mit einem Amulett zu berühren, das ich dir geben will?« »Freilich«, antwortete Calandrino. »Nun, so sieh zu, daß du mir ein Stückchen Jungfernpergament verschaffst und eine lebendige Fledermaus, drei Körnchen Weihrauch und eine geweihte Wachskerze, und dann laß mich nur machen.«

Calandrino stand den ganzen folgenden Abend mit seinen Netzen auf der Lauer, um eine Fledermaus zu fangen, und als er endlich eine erhascht hatte, brachte er sie mit den übrigen Sachen dem Bruno. Dieser zog sich in eine Kammer zurück, schrieb allerhand Unsinn und ein paar Zauberzeichen auf das Pergamentstück, brachte es ihm dann und sprach: »Wisse, Calandrino, sobald du sie mit dieser Schrift berührst, wird sie dir[716] gleich nachfolgen und alles tun, was du nur willst. Wenn daher Filippo vielleicht heute einmal fortgeht, so nähere dich ihr unter irgendeinem Vorwand, berühre sie damit und gehe dann in die Strohhütte, die hier zur Seite und der gelegenste Ort ist, da niemand dort verkehrt. Du wirst sehen, daß sie dir nachkommt, und wenn sie darin ist, so weißt du wohl, was du zu tun hast.«

Calandrino war nun der glücklichste Mensch von der Welt, nahm die Schrift und sagte: »Freund, laß mich nur machen.«

Nello, dem Calandrino nicht traute, hatte von alledem denselben Spaß, den die übrigen genossen, und war ihnen bei der Ausführung behilflich. Deshalb ging er nun, wie Bruno ihm aufgetragen hatte, nach Florenz zu Calandrinos Frau und sprach zu ihr: »Tessa, du erinnerst dich noch, wie viele Schläge Calandrino dir ohne jeden Anlaß an dem Tage versetzte, als er mit den Steinen aus dem Mugnonetal heimkehrte. Deshalb will ich, daß du dich an ihm rächen sollst; denn tust du das nicht, so werde ich mich nie mehr für deinen Verwandten oder Freund halten. Er hat sich dort oben in ein Weibsbild verliebt, und das ist so gemein, daß es sich häufig mit ihm einschließt. Eben jetzt haben sie verabredet, wieder beisammen zu sein. Darum mußt du gleich mit mir kommen, ihn auf frischer Tat ertappen und dann gehörig züchtigen.«

Als die Frau dies hörte, schien es ihr kein Spaß, vielmehr sprang sie auf und rief: »Weh mir, du Straßenräuber! Tust du mir dergleichen an? Beim Kreuze Gottes, das geht nicht ab, ohne daß ich dich dafür bezahle.« Dann nahm sie ihren Mantel, erbat sich die Gesellschaft einer Frau und ging mit ihr und Nello wohl schneller als im Schritt dort hinauf. Als Bruno sie von ferne kommen sah, sagte er zu Filippo: »Sieh da, unser Bundesgenosse.« Filippo aber ging nun dahin, wo Calandrino und die andern arbeiteten, und sprach: »Ihr Meister, ich muß eben jetzt nach Florenz. Arbeitet indes hübsch fleißig.« Dann ging er, verbarg sich aber an einem Ort, von wo er, ohne selbst gesehen zu werden, alles mit ansehen konnte, was Calandrino vornahm.

Als dieser den Filippo etwas entfernt glaubte, stieg er in den Hof hinab, wo er die Niccolosa allein fand und ein Gespräch[717] mit ihr anknüpfte, wobei sie, die wohl wußte, was sie zu tun hatte, sich ihm näherte und ihm etwas mehr Freundlichkeit bezeigte, als sie gewohnt war. Nun berührte Calandrino sie mit dem Amulett, und sobald dies geschehen war, richtete er, ohne ein Wort zu sagen, seine Schritte nach der Strohscheuer, wohin die Niccolosa ihm sogleich nachfolgte. Als sie drinnen war, schloß sie die Tür, fiel dem Calandrino um den Hals, warf ihn auf das Stroh nieder, das dort auf der Erde lag, sprang ihm rittlings auf den Leib, und indem sie ihm die Hände gegen die Schultern stemmte, so daß er ihrem Gesicht nicht nahe kommen konnte, blickte sie ihn wie von großer Sehnsucht verzehrt an und rief: »O mein süßer Calandrino, Herz meines Leibes, meine Seele, mein süßes Gut, Ziel meiner Wünsche, wie lange habe ich danach begehrt, dich so zu besitzen und dich so nach aller Lust in meinen Armen halten zu können! Du hast mir ja mit deiner Liebenswürdigkeit den Faden aus dem Hemd gezogen, hast mir mit deiner Zither das Herz bezaubert. Ist es denn endlich wahr, daß ich dich so halte?« Calandrino, der sich kaum bewegen konnte, antwortete: »O meine süße Seele, laß mich dich küssen!« »Hast du solche Eile?« entgegnete ihm die Niccolosa. »Erst will ich mich an dir satt schauen, erst laß mich diese Augen an deinem süßen Antlitz sättigen.«

Bruno und Buffalmacco waren indes zu Filippo gegangen, und alle drei sahen und hörten dies alles mit an. Schon war Calandrino im Begriff, die Niccolosa dennoch zu küssen, da kam Nello mit Frau Tessa hinzu. Sobald er eintraf, rief er: »Ich will zu Gott schwören, daß sie beieinander sind.« Und sowie sie nun die Tür der Hütte erreichten, stieß die Frau, die sich nicht mehr zu halten wußte, mit den Händen dagegen, daß sie aufsprang, trat hinein und erblickte nun die Niccolosa auf dem Calandrino. Als diese die Frau erblickte, sprang sie schnell empor und floh eilends dahin, wo Filippo war. Monna Tessa aber fuhr dem Calandrino, der noch nicht aufgestanden war, mit den Nägeln ins Gesicht und zerkratzte es ihm ganz und gar. Dann packte sie ihn bei den Haaren, zerrte ihn hierhin und dorthin und schrie: »Du schändlicher Schmutzhund, dergleichen also tust du mir! Verrückter Alter, verwünscht sei die[718] Liebe, die ich für dich gehabt habe. Bleibt dir also in deinem Hause so viel Muße, daß du noch in anderer Leute Häusern auf Liebschaften ausgehst? Seht mir doch den schönen Liebhaber! Kennst du dich denn gar nicht, du Wicht? Kennst du dich denn nicht, du Jammermensch? Drückte man dich auch ganz aus, so käme doch nicht soviel Saft heraus, wie man zu einer einzigen Soße braucht. Gottes Treu, diesmal war es nicht die Tessa, die dich geschwängert hat, und Gott strafe sie, wer sie auch sei. Viel kann nicht an ihr sein, daß sie nach einem solchen Edelstein, wie du einer bist, Verlangen trägt.«

Als Calandrino seine Ehefrau kommen sah, war er mehr tot als lebendig gewesen und hatte nicht den Mut gehabt, sich im geringsten zu wehren. Zerkratzt, mit zerrauftem und zerzaustem Haar, nahm er still seinen Mantel, stand auf und begann nun die Frau demütig zu bitten, daß sie nicht so schreien möchte, wenn sie nicht wolle, daß er sofort in Stücke gehauen werde; denn die, welche bei ihm gewesen, sei die Frau des Hausherrn selbst. »Meinetwegen«, rief Tessa, »und Gott schenk ihr böse Zeit.«

Bruno und Buffalmacco, die mit Filippo und der Niccolosa über diese Geschichte nach Herzenslust gelacht hatten, traten nun hinzu, als kämen sie auf den Lärm hin, und rieten dem Calandrino, nachdem sie seine Frau mit vielen Reden beruhigt hatten, daß er sich nach Florenz aufmachen und sich hier nicht mehr sehen lassen möge, weil Filippo ihm gewiß übel mitspielte, wenn er etwas von der Geschichte erführe. So kehrte denn der arme, trostlose Calandrino ganz zerzaust und zerkratzt nach Florenz zurück, ohne den Mut zu haben, je wieder dort hinaufzugehen. Tag und Nacht von den Vorwürfen seiner Frau belästigt und gequält, gab er seine glühende Liebe auf, nachdem er seinen Gefährten sowie der Niccolosa und dem Filippo nicht wenig zu lachen gegeben hatte.

Quelle:
Boccaccio, Giovanni: Das Dekameron. München 1964, S. 711-719.
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