XLVIII.

[85] Das Bild zeigt vier Schiffe mit Narren aller Gewerbe; das entfernteste zeigt das Vasler Wappen, einen Bischofsstab, im Segel. Im Hintergrund noch drei kleine Schiffe, das Bild einer Flotte vervollständigend.


Ein Gesellenschiff.

Ein Gesellenschiff fährt jetzt daher,

Das ist von Handwerksleuten schwer,

Von allem Gewerbe und Hantiren,

Sein Geräth thut Jeder mit sich führen.

Kein Handwerk hat mehr seinen Werth,[85]

Ueberlastet ist jedes und beschwert;

Ein jeder Knecht will Meister werden,

Drum sind jetzt Handwerk viel auf Erden.

Mancher zum Meister sich erklärt,

Dem nie ein Handwerk ward gelehrt.

Einer dem Andern werkt zu Leide

Und treibt sich selbst oft über die Haide;

Daß wohlfeil er es schaffen kann,

Sieht er oft die Stadt mit dem Rücken an.

Was dieser nicht will billig geben,

Da sieht man zwei oder drei daneben,

Die meinen das zu liefern wol,

Doch die Arbeit ist nicht, wie sie soll;

Man sudelt Waare jetzt in Eil',

Daß man sie billig halte feil.

Dabei kann man nicht lange bleiben:

Theuer kaufen und wohlfeil vertreiben!

Mancher erleichtert Andern den Kauf

Und nimmt darüber zum Thor den Lauf.

Wohlfeilen Kauf liebt Jedermann,

Und ist doch keine Bürgschaft dran;

Denn wenig Kosten legt man an,

Wenn man es schnell nur schaffen kann,

Und wenn es nur ein Ansehn habe.

Das Handwerk trägt man so zu Grabe,

Es kann kaum noch ernähren sich.

»Was du nicht thust, das thu' nun ich

Und leg' nicht Zeit noch Kosten an,

Wenn ich nur recht viel liefern kann!«

Ich selbst, daß ich die Wahrheit sage,

Vertrieb mit solchen Narrn viel Tage,

Eh ich von ihnen hab' gedichtet.

Noch sind sie nicht recht zugerichtet,

Ich hätt' bedurft noch manchen Tag:

Kein gut Werk Eile leiden mag.

Ein Maler, der Apelles brachte[86]

Ein Werk, das er in Eile machte,

Und sprach, er hätt' geeilt damit,

Fand die gewünschte Antwort nit.

»Das Werk,« sprach jener, »zeigt wol an,

Du wandtest wenig Fleiß daran;

Daß du nicht viel in kurzer Frist

Dergleichen schufst, ein Wunder ist!«

So nützt bei keiner Arbeit Eile.

Die Probe es nicht leiden mag:

Zwanzig Paar Schuh auf einen Tag,

Ein Dutzend Degen zu bereiten.

Viel schaffen und dann Borg erleiden

Vertreibt gar Manchem oft das Lachen.

Böse Zimmerer viel Späne machen,

Die Maurer lassen große Brüche,

Die Schneider machen weite Stiche,

Da wird die Nath gar schwach davon.

Auf einen Tag den Wochenlohn

Die Drucker in der Schenk' verzehren,

Das ist so ihre Lebensart,

Ist doch die Arbeit schwer und hart

Mit Drucken und mit Bosseliren,

Mit Setzen, Schlichten, Corrigiren,

Auftragen mit der schwarzen Kunst,

Farb' brennen in des Feuers Brunst,

Dann reiben, und die Stäbchen spitzen.

Viel sind, die lang bei der Arbeit sitzen

Und schaffen doch kein besser Werk,

Das macht, sie sind von Affenberg

Und haben die Kunst nicht besser begriffen.

Mancher fährt gern in solchen Schiffen,

Denn es sind gute Knechte drin,

Die große Arbeit und kleinen Gewinn

Erlangen und verzehren leicht,

Weil stets ihr Hals vom Weine feucht.[87]

Um Künftiges haben sie wenig Sorgen,

Will man nur heut noch ihnen borgen.

Einen Restkauf Mancher machen kann,

Wo er nicht viel gewinnt daran.

Man kann jetzt nichts verkaufen mehr,

Man hab' denn Gott geschworen vorher;

Und schwört man lange ein und aus,

So wird ein Fischerschlag dann draus.

Dabei merkt man, daß alle Welt

Gar fest am köln'schen Bieten hält:

»Dat half af!« gilt jetzt Nacht und Tag;

»Berath dich Gott!« bricht nicht den Sack.

So fahren die Zünfte all daher,

Doch sind viel Schiffe noch halb leer.

Quelle:
Brant, Sebastian: Das Narrenschiff. Leipzig [1877], S. 85-88.
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Ausgewählte Ausgaben von
Das Narrenschiff (Ausgabe 1877)
Das Narrenschiff
Das Narrenschiff: Mit allen 114 Holzschnitten des Drucks Basel 1494
Das Narrenschiff
Das Narrenschiff: Nach der Erstausgabe (Basel 1494) mit den Zusätzen der Ausgaben von 1495 und 1499 sowie den Holzschnitten der deutschen Originalausgaben (Neudrucke Deutscher Literaturwerke)
Das Narrenschiff:

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