XCIII.

[177] Die Wuchrer führen wild Gewerbe,

Den Armen sind sie rauh und herbe,

Ohn Mittleid, ob die Welt verderbe.


Auf einer Straße Tonnen und Säcke. Hinter letzteren der Wucherer mit der Narrenkappe und dicken Fausthandschuhen – es ist wol Winter – in Unterhandlung mit einem abgezehrt aussehenden Käufer, vor dem ein kleines Maß steht.


Wucher und Vorkauf.

Dem soll man greifen an die Hauben

Und ihm die Zecken wol abklauben

Und rupfen die Schwungfedern aus,

Wer kauft auf Vorrath in sein Haus

So Wein wie Korn im ganzen Land

Und fürchtet weder Sünd' noch Schand',

Damit ein armer Mann nichts finde

Und Hungers sterb' mit Weib und Kinde.

Drum ist es jetzo auch so theuer,

Denn schlimmer als früher ist es heuer;

Für Wein man zehen Pfund jüngst nahm,

In einem Mond es dahin kam,

Daß man jetzt dreißig zahlet gern

Gleichwie für Weizen, Roggen, Kern.

Vom Aufgeld will ich gar nichts schreiben,

Das man mit Zins und Gefäll thut treiben,

Mit Leihen, Ramschkauf und mit Borgen.

Ein Pfund gewinnt an einem Morgen

Mehr als im ganzen Jahr es sollt'.

Man leiht jetzt Münze aus um Gold;

Für Zehen schreibt man Eilf ins Buch.

Der Juden Zins war leidlich genug,

Aber sie können nicht mehr bleiben,

Die Christenjuden sie vertreiben,[178]

Die mit dem Judenspieß selbst rennen.

Ich kenne viel und könnt' sie nennen,

Die treiben Handel wild und schlecht,

Und dazu schweigt Gesetz und Recht.

Gar viele sich dem Hagel neigen,

Die lachend auf den Reif hinzeigen.

Doch oft dann das Geschick es lenkt,

Daß Mancher sich am Strick erhängt;

Wer, andern schadend, reich will sein,

Der ist ein Narr, – doch nicht allein.

Quelle:
Brant, Sebastian: Das Narrenschiff. Leipzig [1877], S. 177-179.
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Das Narrenschiff: Mit allen 114 Holzschnitten des Drucks Basel 1494
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