[40] Gabriele. Gomez.
Nr. 2. Recitativ.
GOMEZ noch hinten, halblaut.
Wie traurig und doch wie schön
Ruht sie dort![40]
Wie glänzend wiegt sich auf den weißen Schultern
Das blondgelockte Haar!
Er tritt Gabriele näher.
Doch seh' ich recht? Sie weint!
Er umfaßt sie.
GABRIELE aufblickend.
Mein Gomez!
Sie reicht ihm die Hand.
GOMEZ laut, zu ihrer Linken.
Gabriele, warum weinst du?
GABRIELE wehmütig.
Ach, mir ist alles nun entrissen!
GOMEZ.
Sprich, welch neuer Kummer, mir noch unbekannt,
Erfüllt dein treues Herz?
GABRIELE steht auf.
Dein holdes Täubchen, mein einz'ger Trost, es ist dahin!
GOMEZ.
Wär's möglich? So grausam wär' ihr Haß,
Daß selbst das Täubchen sie dir entrissen?
GABRIELE.
Nein, du irrst, ein Adler trug es
Vor meinen Augen fort, hinauf nach jenen Felsenhöhn!
Sie zeigt nach rechts hinauf.
Vergebens rang ich meine Hände! Ach,
Mit dieser Taube schwand auch dahin die letzte
Einz'ge Freude!
GOMEZ.
Verzage nicht!
GABRIELE.
Was hast du vor?
GOMEZ.
Ich will das Letzte noch versuchen, was
Ein Engel mir in die Seele legte.
Höre mich!
Nr. 3. Duett.
GOMEZ.
Trauernd trieb ich meine Herde
An den stillen Erlenbach,
Und den Blick gesenkt zur Erde,
Sah ich seinen Wellen nach.
Keinen Wandrer sah man gehen,
Und kein Lüftchen fühlt' ich wehen,
Ödes Schweigen herrschte nur,
Ödes Schweigen auf der buntgeschmückten Flur.
GABRIELE für sich.
Ach, wie fühl' ich seine Leiden
In der gleichgestimmten Brust;[41]
Denn erstorben sind die Freuden,
Nimmer, nimmer blüht uns Glück und Lust.
Laut.
Fahre fort!
Sie legt ihm die Hand auf die Schulter.
Beide sprechen einige Worte leise miteinander.
GOMEZ.
Da wiederhallten
Durch der Berge düstre Spalten,
Durch die Schlucht am Felsenhang
Jagdgetös' und Hörnerklang.
GABRIELE verwundert.
Wie geschah es?
GOMEZ.
In der Runde
Scholl's nun aus der Hirten Munde:
»Hört, die kaiserliche Jagd,
Die man gestern angesagt.«
GABRIELE.
Glaubte man doch unsern Herrn
In des Auslands weiter Fern'.
GOMEZ.
Ja! Ja! Doch war's der Prinzregent,
Den man nur »den Guten« neunt. –
Mit dem Mut, den Liebe giebt,
Dring' ich bis zu ihm hinan.
Gabriele umarmt ihn.
GOMEZ.
Wer so heiß, so innig liebt,
Ebnet sich die Dornenbahn.
Müßt' ich auch die Jagdlust stören,
Meine Klagen soll er hören,
Oder mich verzweifeln sehn.
GABRIELE zweifelnd.
Ach, ein Wahn kann dich bethören,
Wird er wohl den Hirten hören
Und dein Mut vor ihm bestehn?
GOMEZ.
Meine Klagen soll er hören
Oder mich verzweifeln sehn.
GABRIELE traurig.
Ach, ein Wahn kann dich bethören,
Wird dein Mut vor ihm bestehn?
Vor ihm! Vor ihm!
Sie setzt sich weinend rechts auf die Steinbank.
[42]
GOMEZ sucht sie zu trösten.
Liebes Mädchen, laß das Weinen,
Fasse Mut und Zuversicht!
GABRIELE steht auf.
Ja, ich will nun nicht mehr weinen,
Fasse Mut und Zuversicht!
Sie fällt ihm in die Arme.
GOMEZ.
Fasse Mut und Zuversicht!
GABRIELE.
Er allein kann uns vereinen,
Neu erstrahlt ein Hoffnungslicht!
GOMEZ.
Er allein kann uns vereinen,
Neu erstrahlt ein Hoffnungslicht!
GABRIELE.
Neu erstrahlt ein Hoffnungslicht!
BEIDE.
An die Tugend seiner Ahnen
Wird er (werd' ich.) kühn den Enkel mahnen –
GOMEZ.
Gleicht der Prinz der Väter Bilde –
GABRIELE.
Wird er uns zum festen Schilde!
BEIDE.
Uns umschlingt ein ewig Band
Durch des Fürsten Vaterhand!
GABRIELE.
Uns umschlingt ein ewig Band –
GOMEZ.
Durch des Fürsten Vaterhand!
BEIDE.
Durch des Fürsten Vaterhand!
Gomez reißt sich von Gabriele los und geht ab nach links.
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