|
[176] Wie häufig tadelt man den Photographen und doch wie ungerecht!
Der Photograph ist eigentlich Maler; denn er zeichnet
und lasiert,
[176]
er wählt die richtige Distanz für Goldsachen
und neue Zylinder.
Er arrangiert die Neuverlobten, und wohlgelungen wäre die Gruppe, hätte nicht das männliche Objekt der Kunst die linke untere Extremität eigenmächtig nach vorne geschoben.
[177] Hier ist Fräulein Adele im Begriffe, für ihren Ferdinand sich abphotographieren zu lassen.
Der Photograph verfährt mit der äußersten Sorgfalt. Er hat die Position zu seiner Zufriedenheit geordnet.
[178] Aber unbefriedigend ist das Resultat; denn was kann der Apparat gegen die unaufhaltsamen Schwingungen
eines zärtlich erregten Herzens?
[179] Auch Hanno von Hinkelsmark will sich aufnehmen lassen.
»Den Kopf etwas mehr nach rechts!«
[180] »Oder, bitte, stehen Sie gefälligst auf! Und nur recht freundlich, wenn ich bitten darf!«
»So! Es beginnt!«
[181] »Sieben – acht – neun – zehn – elf –«
»Fertig!«[182]
»Hier ist die Platte!«
Was die Kritik von einem guten Kunstwerk verlangt ist drin: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Bloß die ruhige Haltung fehlt. Wie kommt das nur? Der Mensch tut's, der Apparat macht's und der Photograph verkauft's! Drum Ehre dem Photographen, denn er kann nichts dafür!
Buchempfehlung
Der Schluß vom Allgemeinen auf das Besondere, vom Prinzipiellen zum Indiviudellen ist der Kern der naturphilosophischen Lehrschrift über die Grundlagen unserer Begrifflichkeit von Raum, Zeit, Bewegung und Ursache. »Nennen doch die Kinder zunächst alle Männer Vater und alle Frauen Mutter und lernen erst später zu unterscheiden.«
158 Seiten, 8.80 Euro
Buchempfehlung
1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.
396 Seiten, 19.80 Euro