Die Kirmes

Die Kirmes

[465] Fest schlief das gute Elternpaar

Am Abend, als die Kirmes war.

Der Vater hält nach seiner Art

Des Hauses Schlüssel wohl verwahrt;

Indem er denkt: Auf die Manier

Bleibt mein Herminchen sicher hier! –


Ach, lieber Gott, ja ja, so ist es!

Nicht wahr, ihr guten Mädchen wißt es:

Kaum hat man was, was einen freut,

So macht der Alte Schwierigkeit!
[465]

Die Kirmes

Hermine seufzt. – Dann denkt sie: Na!

Es ist ja noch das Fenster da!


Die Kirmes

Durch dieses eilt sie still behende,
[466]

Die Kirmes

Hierauf hinab am Weingelände


Die Kirmes

Und dann durchs Tor voll frohen Drangs

Im Rosakleid mit drei Volangs. –


Die Kirmes

[467] Grad rüsten sich zum neuen Reigen

Rumbumbaß, Tutehorn und Geigen.


Die Kirmes

Tihumtata humtata humtatata!

Zupptrudiritirallala rallalala![468]

's ist doch ein himmlisches Vergnügen,

Sein rundes Mädel herzukriegen

Und rund herum und auf und nieder

Im schönen Wechselspiel der Glieder


Die Kirmes

Die Kirmes

Die ahnungsvolle Kunst zu üben,

Die alle schätzen, welche lieben. –


Die Kirmes

Hermine tanzt wie eine Sylphe.

Ihr Tänzer ist der Forstgehülfe. –


Die Kirmes

[469] Auch dieses Paar ist flink und niedlich.

Der Herr benimmt sich recht gemütlich.


Die Kirmes

Hier sieht man zierliche Bewegung,

Doch ohne tiefre Herzensregung.


Die Kirmes

Hingegen diese, voll Empfindung,

Erstreben herzliche Verbindung.
[470]

Die Kirmes

Und da der Hans, der gute Junge,

Hat seine Grete sanft im Schwunge;


Die Kirmes

Und inniglich, in süßem Drange,

Schmiegt sich die Wange an die Wange;


Die Kirmes

Und dann mit fröhlichem Juchhe,

Gar sehr geschickt, macht er Schasseh.


Die Kirmes

[471] Der blöde Konrad steht von fern

Und hat die Sache doch recht gern.


Die Kirmes

Der Konrad schaut genau hinüber.

Die Sache wird ihm immer lieber.


Die Kirmes

[472] Der Konrad leert sein fünftes Glas,

Die Schüchternheit verringert das.

Die Kirmes

Flugs engagiert er die bewußte

Von ihm so hochverehrte Guste.


Die Kirmes

Die Seele schwillt, der Mut wird groß,

Heidi! da saust der Konrad los.
[473]

Die Kirmes

Zu große Hast macht ungeschickt. –

Hans kommt mit Konrad in Konflikt.


Und – hulterpulter rumbumbum! –

Stößt man die Musikanten um.
[474]

Die Kirmes

Die Kirmes

[475] Am meisten litt das Tongeräte. –

Und damit ist die schöne Fete

Zu jedermanns Bedauern aus. –


Die Kirmes

Hermine eilt zum Elternhaus[476]

Und denkt, wie sie herabgeklommen,

Auch wieder so hinaufzukommen.


Die Kirmes

O weh! Da bricht ein Stab der Reben.

Nun fängt Hermine an zu schweben.


Die Luft weht kühl. Der Morgen naht. –

Die gute Mutter, welche grad,
[477]

Das Waschgeschirr in allen Ehren

Gewohntermaßen auszuleeren,


Die Kirmes

Das Fenster öffnet, sieht mit Beben

Herminen an der Stange schweben.


Und auch die Jugend, die sich sammelt,

Ist froh, daß da wer bimmelbammelt.


Die Kirmes

[478] Doch sieh, da zeigt der Vater sich

Und schneidet weg, was hinderlich.
[479]

Die Kirmes

Und mit gedämpftem Schmerzenshauch

Senkt sie sich in den Rosenstrauch.
[480]

Quelle:
Wilhelm Busch: Werke. Historisch-kritische Gesamtausgabe, Bde. I-IV, Band 2, Hamburg 1959, S. 465-481.
Lizenz:

Buchempfehlung

Tschechow, Anton Pawlowitsch

Drei Schwestern. (Tri Sestry)

Drei Schwestern. (Tri Sestry)

Das 1900 entstandene Schauspiel zeichnet das Leben der drei Schwestern Olga, Mascha und Irina nach, die nach dem Tode des Vaters gemeinsam mit ihrem Bruder Andrej in der russischen Provinz leben. Natascha, die Frau Andrejs, drängt die Schwestern nach und nach aus dem eigenen Hause.

64 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.

468 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon