Unglücklicher Zufall

[44] Ich ging wohl hundert Male

Die Straße ein und aus;

Ich stand bei Sturm und Regen

Vor meiner Liebsten Haus.


Und heute, da ich lässig

An meinem Fenster steh',

Trifft sich's, daß ich mein Liebchen

Vorübergehen seh'.


Bei Sturm und kaltem Regen

Stand ich vergeblich dort;

Denn die gestrenge Mutter,

Die ließ sie ja nicht fort.


Sie nickt und winkt verstohlen,

Sie sieht mich zärtlich an –

Und ich, ich kann's nicht sagen,

Daß ich nicht kommen kann.


Ich selber hab' dem Regen,

Ich hab' dem Sturm getrutzt;

Nur meine neuen Stiefel,

Die sind ganz abgenutzt.


Ich kann's ihr ja nicht sagen,

Dem wunderholden Kind,

Daß meine einz'gen Stiefel

Heut' grad beim Schuster sind.
[44]

Quelle:
Wilhelm Busch: Werke. Historisch-kritische Gesamtausgabe, Bde. I-IV, Band 1, Hamburg 1959, S. 44-45.
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