761. An Karl Emil Franzos

[309] 761. An Karl Emil Franzos


Wiedensahl 15. Dec. 88.


Geehrter Herr Franzos!

Es scheint mir schon lange paßend, außerhalb des gewöhnlichen Verlags nichts zu veröffentlichen, nur bei biographischer Gelegenheit, wie Eitelkeit[309] und Vortheil es zu erheischen pflegen, hab ich mir bisweilen eine Ausnahme gestattet. Ich gab ein paar Notizen, ein paar Zeichnungen oder Gedichte her und dachte, es wird beiläufig schon recht werden. Erst neuerdings, als ich etwas genauer zusah, wurde mir's ganz klar, welche Schwierigkeit ein Lebensbild, oder auch nur ein Stück davon macht, wenn's so werden soll, wie's sein sollte d.h. richtig. Daß einem nichts absonderliches paßirt ist, wie z.B. mir, das wäre gar nicht so anstößig; auch der allergewöhnlichste Gegenstand, in Licht und Gegenlicht, ist werth der Betrachtung. Aber eben dies Gegenlicht, die zur Deutlichkeit so hochnothwendigen Reflexe – da liegt's. Selbst Scharfsinn und Aufrichtigkeit, nach innen und außen, zureichend vorausgesetzt, kann ich mich jetzt, wie ich nun mal geworden bin, nicht mehr für berechtigt halten, die vielen Menschen, die ich liebe, oder gar die wenigen, welche ich ehemals haßte, so mir nichts dir nichts vor's Licht zu holen, um mich selber in's Klare zu setzen. – Und so schließe ich denn ablehnend, doch mit herzlichem Dank für Ihre Freundlichkeit und mit aller Hochachtung als Ihr ergebenster

Wilhelm Busch.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band I: Briefe 1841 bis 1892, Hannover 1968, S. 309-310.
Lizenz: