763. An Else Meyer

[310] 763. An Else Meyer


Wiedensahl 31. Dec. 88.


Liebe Else!

In Erwiderung deines freundlichen Briefes will ich dir noch am letzten Nachmittag des alten Jahres ein neues wünschen, Dir und all den Deinen, so gut und angenehm, wie du's dir selber nur denken magst. – Ihr wohnt also ganz löblich; also, denk ich, bleibt ihr die nächsten 365 Tage mal vorläufig da seßhaft, wenn ihr auch noch so sehr an schöne Umzüge gewöhnt seid. Man muß sich auch mal ein Vergnügen versagen können.

Vor Weihnachten war 4 Mal Theater; die Truppe machte von Petershagen ihre Abstecher hierher; alle unsere Kunstkenner, hör ich, sind sehr befriedigt gewesen. Lenchen war jedesmal hin und jedesmal, vorher und nachher so freudig erregt, daß ich bezüglich unseres Porzellangeschirrs immer in einer gewißen, wenn auch übertriebenen Besorgniß schwebte. Weihnachten und Neujahr, so wurde beschloßen, soll nun Lenchen im Kreise ihrer Eltern und Geschwister zubringen. Na! dacht ich, die wird mal froh sein.[310] Aber ich irrte mich. Die freudige Mittheilung fand kühle Aufnahme, ja entschiedene Gegenvorstellungen. Die Tante wollte schon nachgeben; doch ich, natürlich, in meiner bekannten Grausamkeit, blieb fest. Den Sonnabend reiste das Lenchen ab, und, richtig, am ersten und zweiten Weihnachtsabend war wieder Theater. – Alles in dieser Welt, hab ich mir sagen laßen, hat seine Ursach.

Unser Baum, unser Kuchen und sonstiges Festgebäck waren wohlgerathen, nur der »Wickel«, dank Niemitz, war wieder mal äußerlich bräuner als wünschenswerth.

Vorgestern kam Onkel Hermann und ist heut Mittag nach genoßener Abschiedskohlsuppe auf sein Retourbillet wieder nach Celle gefahren. Demnach werden heut Abend bei einer demüthigen Bowle versammelt sein: Tante, Adolf, Otto und ich.

Draußen liegt im hellsten Sonnenschein eine leichte Schneedecke, heimlich ausgebreitet in letzter Nacht. Kein Rabe, keine Elster, keine Meise haben uns bis jetzt angebettelt. Selbst die übliche Schwarzdroßel hat sich neulich nur ein einzig mal ganz beiläufig und klacklösig ihre wilden Weinbeeren besehn. – Da ging doch unser Winter vom letzten Jahr, deiner und meiner, viel stoltzer durch Mark und Bein. – Auweh! Mein Zeh! Wenn's nur nicht noch nachkommt! – Gehab Dich wohl, meine liebe Else!

Viele herzliche Grüße an Euch Alle von Tante, Adolf, Otto und

Deinem stets getreuen Onkel

Wilhelm.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band II: Briefe 1893 bis 1908, Hannover 1969.
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