Zweyundzwanzigste Scene.

[91] Haller. Winter.


HALLER finster. Wo ist meine Tochter?

WINTER sieht ihn mit zusammengedrückten Augen[91] blinzelnd an. Haha, der kommt sich ebenfalls was zu hohlen! Was beliebt?

HALLER mit wilder Hast. Wo ist meine Tochter?

WINTER hönisch. Sie zählt Geld, das steckt im Blute! Alter Geizhals, war ich freygebig?

HALLER. Höllenmensch! sie zählt Thränen.

WINTER. Dann fließen sie sparsam, wenn Sie sie zählen kann.

HALLER. Ungeheuer, frevle nicht noch mehr. –

WINTER. Du willst Geld? Ich kenne dich ja! Deine Tochter hab ich beglückt, du meintest, du würdest leer ausgehen. Dämilon, meinen Mantel!


Der Mohrenknabe bringt den Mantel.


WINTER wickelt sich darein. Schätze her für meinen ehrlichen Onkel. Auf der andern Seite vom Schenktisch gegenüber erhebt sich ein Tisch, worauf eine goldene Schatulle steht.

WINTER. Da, Geizhals, Wucherer, Geldjude ist Gold. Sieh wie der Cours in der Hölle steht!

HALLER. Ich verfluche dich! Ich verfluche die Stunde, wo ich dich sah. Mein Kind, will ich zurück; du hast sie mir verborgen, führe mir meine Emilie wieder in die Arme, und ich will dich segnen.

WINTER lacht ihn grinzend an. Weißt du noch wie ich kniend vor dir lag und um die Hand deiner Tochter bath, und du mich von dir stießest. Jetzt[92] kniee du! kniee du! Die Tyranney ist an mir, ich werde dich fühlen lassen, wie es einem Unglücklichen ist.

HALLER. Mensch, mach mich nicht wahnsinnig, ich vergreife mich sonst an dir. Laß deine verfluchte Musik schweigen, damit du meine Klagen fassen könnest.

WINTER will trinken.

HALLER hält ihn zurück. Uebertäube dich nicht durch Wein, und laß dein Gewissen endlich sprechen.

WINTER wild. Ich will nichts von dir wissen, ich will dich nicht hören; ich will Emilie nicht mehr sehen, ich will dich auf ewig verlassen. Doch da, nimm dein Geld, mach die Luft rein! In einer Stunde reise ich. Ich will dir deine Tyranney an mir vergeben, nur geh!

HALLER packt ihn mit Wuth an. Mein Kind, mein Kind! oder ich erwürge dich! Hier schweigt die Musik.

WINTER schwingt seinen Mantel. Ohnmächtiger Wurm, ich kann dich ja vernichten – Er taumelt ab.

HALLER wie durch einen Schlag gerührt. Brich armes Herz, weh dir alter Vater! mein Kind! mein Kind!

EMILIE hinter der Scene. Vater! Vater!

HALLER. Ihre Stimme! Ach Gott, wo werde ich sie finden. Knieet nieder. Vater, da oben, der du aller Menschen dich gnädigst erbarmest, nimm[93] auch mein Bitten an, und gib mir Licht in der Nacht meines Kummers! Wenn das alles nur eine Prüfung ist, so ende sie bald; es ist zu viel, ich kann es nicht ertragen. Hast du mich zu strafen beschlossen für meinen Geiz, und meine Habsucht; ich habe diese Laster verabscheuen gelernt, ich bin ein besserer Mensch geworden. Nur meine Tochter gib mir wieder, und gerne will ich deinen Willen ertragen! Ab.

EMILIE ruft. Vater! Vater!

HALLER. Ich komme, ich komme!


Er eilt ab.


Quelle:
Bäuerle, Adolf: Doctor Faust's Mantel. Ein Zauberspiel mit Gesang in zwey Acten. Wien 1819, S. 91-94.
Lizenz:
Kategorien: