Laß ruhn die Toten

[331] Es ragt ein altes Gemäuer

Hervor aus Waldesnacht,

Wohl standen Klöster und Burgen

Einst dort in herrlicher Pracht.


Es liegen im kühlen Grunde

Behauene Steine gereiht:

Dort schlummern die Frommen, die Starken,

Die Mächt'gen der alten Zeit.


Was kommst du bei nächtlicher Weile

Durchwühlen das alte Gestein?

Und förderst herauf aus den Gräbern –

Nur Staub und Totengebein!


Unmächtiger Sohn der Stunde,

Das ist der Zeiten Lauf.

Laß ruhn, laß ruhn die Toten,

Du weckst sie mit Klagen nicht auf.


Quelle:
Adalbert von Chamisso: Sämtliche Werke. Band 1, München [1975], S. 331-332.
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