Venus Perversa

[220] Auch vorbei; und sieben Kreuze

hinter Jede! mein Gelüst ging irr.

Aber – ich brauche tiefere Reize:

Dich: komm, liebe dich vor mir!


Dich nur, Dich nur: deine genossenen Blicke

und deine bittende Scham und deine treuen

Hände lieb'ich ... ja, entzücke

mich mit Deinen Rasereien!


Oh Du! wenn die Knospen deiner müden

Brüste unter deinen tastenden Fingern

wieder schwellen, wie in jüngern

Nächten ... oh du, keinen Frieden


ließ mir's: meine eigenen Freuden

sind mir Schaum, der bitter ist!

aber Du, wenn Du so stöhnst und glühst,

will ich mich an Deiner Wildheit weiden:


wie du gleich verlassnen Bräuten

deine Sehnsucht nach mir stilltest,

wenn du tief in deinen Heimlichkeiten

mit berauschten Armen wühltest –


wühlst ... stillst ... Seele, bricht dein Blick?

oh du: laß mich diesen Blick genießen,

dies Verröcheln von Lippen bis zu Füßen,

recke dich nicht so starr zurück – –
[221]

Ekelt dich? Ah –: fühlst du nun auch den reifen

Menschen? bist du satt der Kuhnatur?! –

Und wir fliehen, wir begreifen

den Triumph der Unnatur ...

Quelle:
Richard Dehmel: Aber die Liebe. München 1893, S. 220-222.
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