Zwölfter Auftritt.

[176] Elise. Gleich darauf Ernestine.


ELISE lachend. Nun das muß ich sagen, mein guter Vetter wird mit jedem Tage geschickter; ist es nicht wahrhaft fabelhaft, so zerstreut zu seyn!

ERNESTINE. Aber Fräulein, was lachen Sie denn? Wo ist denn der Landrath geblieben?

ELISE immer lachend, voll Verdruß. Er sucht seinen Kopf, da er nun so glücklich gewesen, den Hut zu finden –

ERNESTINE. Mein Gott, was ist denn geschehen?

ELISE. O die Geschichte ist drollig genug; er empfängt mich stotternd, sieht verlegen umher und da ich ihn frage, was er suche, antwortet er: seinen Hut, den er schon die ganze Zeit über vor mir auf dem Kopfe hatte.

ERNESTINE. Und hat Ihnen nichts gesagt?

ELISE. Was sollte er da noch sagen? Er lief beschämt davon und was er von mir wollte, soll ich noch erfahren.[176]

ERNESTINE. Es ist zu arg!

ELISE. Lustig ist es, höchst lustig. Daß doch die gescheidten Menschen so grenzenlos albern sind!

ERNESTINE. Sie haben ja Thränen in den Augen.

ELISE. Nun freilich vom Lachen, das siehst Du ja. Fährt mit dem Tuche über die Augen.

ERNESTINE. Ach Fräulein, ist es wohl recht, bei dem Unglücke des armen Landraths zu spotten und zu lachen?

ELISE. Unglück? – Du hast recht, er ist zu beklagen.

ERNESTINE. Er ist auch nur Ihnen gegenüber so ungeschickt.

ELISE. So? – Hast Du das erfahren?

ERNESTINE. Willnow kann nicht genug rühmen, mit welcher Umsicht und Festigkeit er sein Amt verwalte. Alle Männer haben Respect vor ihm.

ELISE. Und er vor den Frauen, bis zur Sprachlosigkeit.

ERNESTINE. Er ist doch sehr beredt, wenn ein Gegenstand sein Interesse in Anspruch nimmt.

ELISE. Ich scheine kein solcher Gegenstand zu seyn.

ERNESTINE lächelnd. Hm, das wissen wir wohl beide besser. – Bedenken Sie auch seine einsame beschränkte Erziehung.

ELISE unmuthig. All unsre Fehler kommen von unsrer Erziehung, aber diese Entschuldigung nimmt man[177] nirgends an. – Wie liebenswürdig war er in seinen Briefen! Drei Jahre lang kannte ich ihn so, ich dachte ihn mir als das Muster eines Mannes; wie ungeduldig, ordentlich mit einer Art von scheuem Respect erwartete ich seinen Besuch. – Endlich kommt er an, – mit der alten Tante, die er zu uns begleitete – ich stehe mit pochendem Herzen vor der Thür, der Kutschenschlag wird geöffnet, er will mit freudeglühendem Gesichte rasch aussteigen, stößt aber so heftig gegen die Kutschendecke mit dem Hut, daß er ihm bis auf die Nase über das Gesicht rutscht und er sich gar nicht wieder herausfinden kann. Nun Du kennst meine unglückliche Lachlust, ich platzte los und der arme Mensch wußte vor Verlegenheit nicht wohin. Das war nun unsre erste Begegnung.

ERNESTINE. Wieder der Unglückshut; hätte er ihn doch sogleich in's Feuer geworfen!

ELISE. Bei Tische erst sah ich ihn wieder. Er saß mir gegenüber und starrte mich an. Ich wollte mein dummes Lachen wieder gut machen und war sehr freundlich gegen ihn, aber so oft ich ihn anredete, wurde er blutroth und stotterte vor Verlegenheit.

ERNESTINE. Nun Fräulein, ich dächte, das wäre schmeichelhaft genug und die gute Sorte von Männern, welche den Frauen gegenüber verlegen sind, wird sehr rar.

ELISE. Gewiß, mein Vetter ist eine Rarität. Unglücklich für mich, daß ich so versteinernd, wie das Medusenhaupt, auf ihn wirke. – Wenn er nicht bei mir[178] ist, und ich denke an ihn – wenn er mir zufällig einmal einfällt – sieh, dann steht ganz das edle, vergeistigte Bild vor mir, wie er in seinen Briefen mir erschien; sind wir beisammen, so ist es mir oft, als wäre er derselbe nicht, so abgemessen steif, kalt und blöde – er ist wie der Klotz des Meleager, der das Leben des abwesenden schönen Jünglings bedeutet.

ERNESTINE bedeutend. Und wenn Sie den Klotz von den Flammen haben verzehren lassen, so ist auch die ferne schöne Gestalt mit ihm vernichtet.

ELISE. Was meinst Du – Du sprichst, als ob ich ihn interessire.

ERNESTINE. O gehn Sie, Fräulein! machen Sie dem Scharfblicke unsres Geschlechts keine Schande, das wußten Sie am ersten Tage seines Hierseyns schon, daß er Sie liebt.

ELISE. Mich? Welch ein Einfall! Und warum hätte er denn noch nie ein Wort dafür gefunden?

ERNESTINE. Hm! Herr von Kiel sagt Ihnen stündlich, daß er Sie liebt, deshalb glauben Sie ihm doch wohl nicht?

ELISE piquirt. Warum sollte ich es nicht glauben? Weil er lebhaft, munter, unterhaltend ist, soll er darum unempfindlich seyn? – Er bemüht sich doch um mich, erschöpft sich in Aufmerksamkeiten, und wenn ich auch seinen Schmeicheleien nicht glaube, so müßte ich doch kein Mädchen seyn, wenn sie mich nicht amüsiren sollten,[179] und was er mir tausendmal versichert, wird doch wenigstens einmal wahr seyn.

ERNESTINE. Sie sind schlimm gelaunt.

ELISE. Ich wüßte nicht woher?


Quelle:
Eduard Devrient: Dramatische und dramaturgische Schriften, Leipzig 1846, S. 176-180.
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