[157] Zur Zeit des Sturmes, so wie heute,
Da sondert sich vom Korn die Spreu,
Da lernt man kennen seine Leute,
Die meisten falsch, nur wenig' treu.
Auch du hast in den letzten Jahren,
Hart heimgesuchtes deutsches Land,
Manch schmerzlichen Verlust erfahren
Und eingebüßt manch wackre Hand.
Doch stehn als einsam letzte Stützen
Noch viele Männer stark und fest,
Die, unermüdet dir zu nützen,
Ausharren bis zum einst'gen Rest,
Die treu dem abgelegten Eide
Verfechten dein geweihtes Recht,
Und hoch ob allem Haß und Neide
Fortstreben, ein Hero'ngeschlecht.
Das ist der Deutschen wahre Einheit,
Das ihres Volkes bester Halt,
Männer von strenger Sitten-Reinheit
Und von Gesinnungs-Allgewalt.
Sie wissen einer kaum vom andern,
Sie stehn vereinzelt, unbekannt,[158]
Doch ihre Wort' und Werke wandern,
Elektrisch zündend, durch das Land.
Meßt sie nicht an der Krämer-Elle,
Lobt und verdammt sie nicht zumal,
Nennt sie nicht Konstitutionelle,
Noch minder ultra-liberal!
Es sind nur eben deutsche Herzen,
Den' nichts fehlt, als ein deutscher Arm,
Für eines Volkes Wohl und Schmerzen
In einer kühlen Zeit noch warm;
Und sind nur eben deutsche Geister,
Für Freiheit, Recht und Licht entbrannt,
Die in der Wahrheit ihren Meister,
Tyrannen in der Lüg' erkannt.
Seht dort im Süden, hier im Norden,
Zerstreut wie Sterne, stehn sie da,
Noch ist die Nacht nicht Tag geworden,
Allein, allein – der Morgen nah!
Wer zweifelt, daß es tagen werde,
Der schaue sich die Sterne an;
Apostel für die deutsche Erde
Ist ja ein jeder solcher Mann!
Auf, auf! Ein Chor zu ihrem Preise,
Kein Flistern und kein Pöbelschrein,
Nicht nach der Marseillaise Weise
Und auch nicht nach dem Lied vom Rhein!
Ein Hoch, das sie uns nicht verwehren,
Darin kein Namen und kein Stand,
Den Helden nah und fern zu Ehren,
Den letzten für ihr Vaterland!
Ausgewählte Ausgaben von
Lieder eines kosmopolitischen Nachtwächters
|
Buchempfehlung
Autobiografisches aus dem besonderen Verhältnis der Autorin zu Franz Grillparzer, der sie vor ihrem großen Erfolg immerwieder zum weiteren Schreiben ermutigt hatte.
40 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.
424 Seiten, 19.80 Euro