2.

[182] Frei ist die Kunst, allein, fürwahr! nicht frei wie ein Nomadenzelt,

Das man vom Isarstrande flugs hier an der Spree Gestaden stellt;

Sie schießt, ein stolzes Prachtgewächs, aus jeder Scholle nicht hervor

Und ist so gut wie Königtum eine Von-Gottes-Gnaden-Welt.

Soldaten lassen sich zur Not erziehen und Geheime Rät',

Wenn nur die rechte Meisterhand den goldnen Puppenfaden hält.

Doch Dichter wuchern nicht empor, wo man verlegnen Samen streut,

Zumal wenn er in Sand herab und steinig-harten Pfaden fällt;

Und Maler lieben nicht zu gehn, wo ihnen rings auf jedem Schritt

Ein kritisch-lautes Köterlein heimtückisch um die Waden bellt;

Und Philosophen denken nicht, wenn das profane Marktgeschrei

Alltäglich um ihr stilles Haus und die verschloßnen Laden gellt;[183]

Spielleute endlich schweigen bald, wenn Pöbelwahn und Frömmelei

Auf ihre liederreiche Brust schwer wie ein gift'ger Schwaden fällt.

Nein, Rüben und Kadetten zieht, Kartoffeln und Magister groß,

Daß schadlos solche Ernte Euch für Eurer Künste Schaden hält!

Quelle:
Franz von Dingelstedt: Lieder eines kosmopolitischen Nachtwächters, Tübingen 1978, S. 182-184.
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Lieder eines kosmopolitischen Nachtwächters (Deutsche Texte)